[8.6.2021] Auf dem Weg zur smarten Verwaltung kann auf KI-Anwendungen kaum verzichtet werden. Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz im Umfeld der SAP-Systemlandschaft testet etwa die Stadt Dortmund.
Künstliche Intelligenz (KI) ist heute aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. Sie befasst sich mit der Lösung komplexer Problemstellungen auf Basis selbstlernender Algorithmen, mit deren Hilfe sich menschliche Kognitionsfähigkeiten nachbilden und erweitern lassen. Das Spektrum möglicher Einsatzszenarien ist breit gefächert und reicht von der Ablösung einfacher, repetitiver Aufgaben bis hin zur Gewinnung neuer Erkenntnisse oder der Erschließung neuer Kompetenzen.
Auch in der öffentlichen Verwaltung gewinnt der Einsatz intelligenter Systeme an Bedeutung – nicht zuletzt aufgrund der im Jahr 2018 verabschiedeten nationalen KI-Strategie von Bund und Ländern. Diese hat sich unter anderem das Ziel gesetzt, „durch den Einsatz von KI in der Verwaltung eine Vorreiterrolle einzunehmen und schnellere, bessere und effizientere Verwaltungsdienstleistungen für die Bürger anzubieten“. In der öffentlichen Verwaltung können drei wesentliche Anwendungsfelder für künstliche Intelligenz identifiziert werden. Erstens die Unterstützung und (Teil-)Automatisierung administrativer Prozesse – Stichwort: Intelligent Process Automation (IPA). Zweitens die effizientere und serviceorientiertere Gestaltung der Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern. Und drittens bietet KI erweiterte Analysemöglichkeiten im Kontext des operativen und strategischen Reportings sowie in Entscheidungsunterstützungssystemen.
Zukunftsweisende Digitalstrategie von Kommunen
Durch die Nutzung ergeben sich auch abseits klassischer Programme zur Effizienzsteigerung vielfältige Chancen. So können intelligente Systeme unter anderem bei der Validierung steuerbezogener Dokumente und Finanztransaktionen unterstützen und so zu einer besseren Einhaltung der Compliance-Richtlinien beitragen. Des Weiteren kann mithilfe prädiktiver Analysen eine optimierte Ressourcenplanung und -nutzung erreicht und somit zum Beispiel durch eine intelligente Verkehrssteuerung zur nachhaltigen Stadtentwicklung beigetragen werden. Der Einsatz von KI ist daher ein wesentlicher Bestandteil zukunftsweisender Digitalstrategien von Kommunen.
Die Stadt Dortmund hat sich Anfang dieses Jahres entschieden, in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus best practice consulting (bpc) ein Pilotprojekt zum Einsatz künstlicher Intelligenz durchzuführen. Ziel ist es, die Chancen und Herausforderungen der Technologie sowie die notwendige Infrastruktur anhand eines klar abgegrenzten Szenarios zu evaluieren. In verschiedenen Bereichen der internen Verwaltung kommt die Standard-Software SAP zum Einsatz. Aus der Historie heraus existieren in den Systemen eine Vielzahl von Geschäftspartnerdubletten. Um aktuell bestehende Redundanzen in den Daten zu reduzieren und perspektivisch die im Rahmen der Einführung von SAP S/4HANA notwendige Geschäftspartnerkonsolidierung zu begleiten, soll nun ein KI-gestütztes Verfahren zur Erkennung der Geschäftspartnerdubletten etabliert werden. Es soll sowohl bei der Neuanlage von Daten im Rahmen manueller Erfassungsvorgänge als auch in Massenläufen zum Einsatz kommen.
Zukunftsweisende Prozesslandschaft
Ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung des Verfahrens ist die nahtlose Integration der neuen Dublettenprüfung in die bestehende SAP-Systemlandschaft. Hierfür wird die von der Stadt Dortmund genutzte bpc Workflow-App erweitert, sodass die Sachbearbeiter zukünftig direkt bei der Erfassung auf potenzielle Dubletten hingewiesen werden können. Mit Blick auf die bestehenden und geplanten Prozesse entsteht so eine einheitliche, zukunftsweisende Prozesslandschaft.
bpc unterstützt seit dem Jahr 2018 verschiedene Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung bei der Umsetzung von Projekten zur digitalen Eingangsrechnungsverarbeitung im SAP-Umfeld, die im Einklang mit dem E-Rechnungsgesetz steht. Die Einrichtung eines solchen digitalen Prozesses zur Verarbeitung von elektronischen und analogen Rechnungsdokumenten bietet sich ebenfalls für den Einsatz von KI an. So gehört beispielsweise die KI-gestützte Kontierungsfindung für eingehende Rechnungen zum Leistungsportfolio von bpc. Mithilfe dieses intelligenten Werkzeugs können auf Basis bereits gebuchter Rechnungen Kontierungsinformationen für neue Rechnungen vorgeschlagen werden. Diese Vorschläge integrieren sich nahtlos in die SAP-Benutzeroberflächen und erleichtern die Tätigkeit der zuständigen Sachbearbeiter.
Vom Standard- zum maßgeschneiderten Modell
Bei der Umsetzung der Kontierungsvorhersage reichen die Möglichkeiten von der Nutzung eines statistischen Standardmodells mit minimalem Einrichtungsaufwand bis hin zu maßgeschneiderten KI-Modellen, die genau auf die Bedürfnisse einer Kommunalverwaltung abgestimmt sind. Die Rechnungsdaten müssen dabei ausdrücklich nicht in der Cloud verarbeitet, sondern können auch ausschließlich lokal vorgehalten werden.
Die Nutzung von KI verspricht also zahlreiche Potenziale zur Optimierung vorhandener Prozesse – auch im Kontext des öffentlichen Rechnungswesens. In der Praxis birgt das gleichzeitig neue Herausforderungen für alle Beteiligten. Diesen gilt es sowohl vor als auch während der Umsetzung in geeigneter Weise Aufmerksamkeit zu schenken. Je nach Einsatzgebiet können die Anforderungen unterschiedlich ausfallen. Bei nahezu allen Anwendungsszenarien von KI müssen aber zum Beispiel die rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Zu klären ist etwa, ob die Entscheidungen der KI aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar sein müssen und ob die Verarbeitung von Daten durch eine KI unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten unproblematisch ist.
Ethik als wichtiges Thema
Geht es um den Einsatz von KI in der Prozesssteuerung, ist zudem die Ethik ein wichtiges Thema. So ist die Anwendung von KI-gestützten Werkzeugen denkbar, um Verarbeitungsprozesse zu steuern und die Zuordnung von Fällen zu verschiedenen Sachbearbeitenden zu übernehmen. In einem solchen Szenario sollte beleuchtet werden, ob die Entscheidungen der eingesetzten KI eine indirekte Beurteilung der Mitarbeiter darstellen. Möglicherweise ließe sich über die Komplexität und Anzahl der zugeordneten Fälle ein ungewollter Rückschluss auf die Produktivität oder die Fähigkeiten von Personen ziehen. Derartige Implikationen sollten daher bereits während der Planung des Projekts beachtet werden.
Intelligente Systeme arbeiten in der Regel datengetrieben. Das bedeutet, dass historische Stamm- oder Bewegungsdaten verwendet werden, um die KI auf den jeweiligen Aufgabenbereich zu trainieren. Auch der hier beschriebene Ansatz zur Anreicherung von Eingangsrechnungen mit Kontierungsinformationen basiert auf einem Training der KI mit historischen Kontierungsdaten. Hierfür müssen die Datenbestände vorhanden und zugänglich sein.
Um die exemplarisch aufgezeigten sowie weiteren Projektanforderungen, die durch die Einbindung KI-gestützter Tools entstehen, im Blick zu behalten, stehen unterstützende Projekt-Management-Werkzeuge wie der von best practice consulting entwickelte Machine Learning Project Canvas zur Verfügung. Die Zuhilfenahme eines solchen Werkzeugs kann die Chancen auf einen erfolgreichen Projektverlauf – insbesondere bei Erstprojekten mit KI-Anteil – maßgeblich erhöhen und ebnet somit den Weg zu einer intelligenten Kommunalverwaltung.
Sonja Sandig und Jens Becker sind Berater bei der best practice consulting AG und Experten für KI-gestützte Werkzeuge in SAP.
https://www.bpc.aghttps://www.dortmund.deDieser Beitrag ist in der Ausgabe Juni 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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