Staatsanzeiger für Baden-WürttembergSupport an erster Stelle
Herr Horn, Herr Thomas, der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg war daran beteiligt, dass bereits vor 20 Jahren die erste Ausschreibungsplattform im Internet bereitgestellt wurde. Wie kam es dazu?
Horn: Der damalige Geschäftsführer des Staatsanzeigers hat Ende der 1990er-Jahre die anderen Ausschreibungsdienste eingeladen, um über eine gemeinsame Plattform zu sprechen. Relativ schnell einigte man sich, ein solches Angebot im Internet aufzubauen. Das Ausschreibungs-abc, heute Vergabe24, startete 1997 als Verbund der Landesausschreibungsblätter, Staatsanzeiger und des Deutschen Ausschreibungsblatts. Ab dem Jahr 2000 war bereits die einfache E-Vergabe möglich.
Wie kam das Angebot an?
Horn: Das war damals viel zu früh. Die Vergabestellen waren noch nicht bereit für die E-Vergabe. Wir haben aber wertvolle Erfahrungen gesammelt. Es wurde klar, dass die digitale Angebotsabgabe ohne ein Management-System bei den Vergabestellen und ohne Hilfe für den Bieter nicht funktioniert. Deshalb sind wir als Staatsanzeiger einen anderen Weg gegangen als die reinen Software-Anbieter. Wir verkaufen nicht die Software, sondern immer eine Dienstleistung.
Ab Mitte Oktober 2018 sind alle öffentlichen Auftraggeber gesetzlich verpflichtet, Vergaben im Oberschwellenbereich vollständig elektronisch abzubilden. Warum nutzen nicht längst alle Ämter und Behörden die elektronische Vergabe?
Thomas: Hier zeigt sich ein klassisches Problem bei der Digitalisierung. Man kann nicht von heute auf morgen papierbasierte auf elektronische Prozesse umstellen. Dazu müssen Strukturen und auch das Denken in der Verwaltung verändert werden.
Horn: Bereits um die Jahrtausendwende gab es Signale der EU, dass die E-Vergabe verpflichtend werden soll. Wir dachten, spätestens 2006 ist es vorbei mit Papierunterlagen beim Vergabeprozess. Das geschah aber nicht. Denn alle haben sich damals vorbereitet, nur die Vergabestellen nicht. Natürlich gab es auch Verwaltungen, die sich sehr früh mit dem Thema beschäftigt haben, weil sie erkannt haben, dass es die Arbeit erleichtert. Die Landesverwaltung Baden-Württemberg beispielsweise haben wir bereits 2007 in die E-Vergabe begleitet.
Sind aus Ihrer Sicht die Vergabestellen und mögliche Bieter auf die E-Vergabe vorbereitet?
Horn: Bei den Verwaltungen zeigt sich ein heterogenes Bild. Es gibt deutliche Unterschiede je nach Bundesland. Baden-Württemberg ist hier einer der Vorreiter. Prozentual gesehen gibt es in keinem anderen Bundesland so viele Kommunen, die schon E-Vergabe machen. Manche Länder haben das Thema jedoch auf die lange Bank geschoben, auch weil es keinen zentralen Ausschreibungsdienst gab. Bei den Bietern kommt es darauf an, in welcher Branche und Region sie tätig sind. Eine sehr hohe Quote bei der E-Vergabe gibt es im Tiefbau, inbesondere beim Straßenbau.
Thomas: Die großen Beschaffer haben längst erkannt, welchen Nutzen die Vergabesysteme bringen. Sie denken aus der IT-Sicht und schaffen Schnittstellen in die Warenwirtschaftssysteme. Denn je größer eine Organisation ist, desto größer sind die Synergieeffekte. Allerdings ist bei diesen Verwaltungen auch die Einführung schwieriger, weil überlegt werden muss, wie der Einkauf künftig organisiert sein soll. Auch viele Bieter sind sehr gut auf die E-Vergabe vorbereitet, weil sie die Vorteile bereits erkannt haben. Gerade Handwerker schätzen die Transparenz und Sicherheit, weil die Dokumente verschlüsselt weitergegeben werden und eine Empfangsbestätigung sofort vorliegt. Bei der Ausschreibung von Bauleistungen mussten die Unterlagen früher teilweise sogar per Kurier versendet werden.
„Studien der vergangenen Jahre, die Einsparungen in Milliardenhöhe prognostizierten, sind arg übertrieben.“
Welche Vorteile hat es für alle Beteiligten, wenn die Prozesse rund um Einkauf und Vergabe digitalisiert werden?
Horn: Bei der E-Vergabe kann man zwei Wege gehen. Man kann ein einfaches System nehmen und die E-Vergabe ohne Anpassung der Prozesse einführen. Damit kann man bei der Veröffentlichung zwar Zeit sparen, hat aber im Grunde nichts erreicht. Leider machen das viele Vergabestelle so. Erst wenn der komplette Beschaffungsprozess auf den Prüfstand gestellt und die Abläufe auf die E-Vergabe hin organisiert werden, können die Vorteile greifen. Und der größte Vorteil ist die Transparenz über die Einkäufe innerhalb der Verwaltung. Zudem verschafft eine zentrale Beschaffung Preisvorteile, weil einfacher gebündelt ausgeschrieben werden kann. Positiv ist auch die Rechtssicherheit der E-Vergabe. Ein technisches System, das durch das Verfahren führt, vermeidet die meisten Fehler und man hat die Sicherheit, dass der Auftrag auch so vergeben werden kann. Im Übrigen sind die ganzen Studien der vergangenen Jahre, die Einsparungen in Milliardenhöhe prognostizierten, aus meiner Sicht arg übertrieben.
Welche Dienstleistungen bietet der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg den Behörden und Bietern an?
Horn: Bei den Dienstleistungen gehört für uns der Suppport an die erste Stelle. Allerdings bieten wir nicht nur technische Hilfestellung. Wir machen zwar keine Rechtsberatung, aber die Frage, was bei bestimmten Vergabeverfahren berücksichtigt werden muss, ist bei uns ein Thema des Supports. Wir haben auch E-Vergabe-Berater, die bei der Optimierung der Organisation mithelfen und vor Ort die Verfahren begleiten.
Thomas: Zur E-Vergabe gehört auch, dass der Bieter mitmacht. Deshalb führen wir Bieterschulungen durch, die wir gemeinsam mit den Kommunen und den Handwerker-Innungen organisieren. Und es gibt eine kostenlose Hotline für Bieter. Beim Schritt in die digitale Welt brauchen beide Seiten Hilfestellung. Was der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg hier anbietet, ist meines Erachtens einmalig in Deutschland.
Der Ausschreibungsdienst des Staatsanzeigers für Baden-Württemberg weitet seine Geschäfte jetzt über die Landesgrenzen hinweg aus. Welche Kunden konnten Sie von Ihren Leistungen überzeugen?
Horn: Unser Fokus lag bisher klar auf Baden-Württemberg. Angefangen hat es mit der gewonnenen Ausschreibung der Metropolregion Rhein-Neckar. Diese liegt in drei Bundesländern, deshalb haben wir in den vergangenen beiden Jahren auch Vergabestellen in Hessen und Rheinland-Pfalz als Kunden gewonnen. Da die Kommunen ja miteinander sprechen, erhalten wir verstärkt Anfragen aus anderen Bundesländern. Zu unseren neuen Kunden gehören beispielsweise die Landesverwaltung des Saarlands, der kommunale Zweckverband eGo-Saar sowie die Stadt München.
Welche Pläne gibt es für den weiteren Ausbau des Ausschreibungsdienstes?
Thomas: Es wird sich nicht schlagartig etwas ändern. Wir werden versuchen, noch professioneller zu werden und die Systeme weiter zu perfektionieren, damit die Kunden den höchsten Nutzen haben. Es wird vor allem darum gehen, die Effizienz zu erhöhen und die Prozesse zu verbessern. Und wir wollen die E-Vergabe tiefer in die kommunalen Fachverfahren integrieren.
Dieses Interview ist in der Ausgabe Oktober 2018 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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