Dienstag, 11. März 2025

ThüringenAufholjagd gestartet

[01.03.2018] Der Freistaat Thüringen hat sich eines der modernsten E-Government-Gesetze Deutschlands gegeben, dessen Regelungen teils über Bundesvorgaben hinausreichen. Die Kommunen des Landes werden beim Ausbau digitaler Services zielgerichtet unterstützt.
Thüringens Kommunen machen sich fit fürs E-Government.

Thüringens Kommunen machen sich fit fürs E-Government.

(Bildquelle: Thüringer Tourismus GmbH/Uta Tittelbach-Helmrich)

Sehen wir es einmal sportlich: Unseren Verwaltungen wird eine Menge an Disziplinen abverlangt. Gesetzmäßigkeit, pflichtgemäßes Ermessen, Gleichbehandlungsgrundsatz, Willkürverbot, Verhältnismäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie Bürgerfreundlichkeit. Und jetzt bewegen wir uns auch noch digital. Dateien ersetzen das Papier, der Blätterwald wird durch Suchfunktionen gelichtet. Bei der Einführung der E-Akte wähnt sich mancher darüber hinaus im innerbehördlichen Ringkampf.
Der Freistaat Thüringen rangierte beim E-Government viele Jahre eher am Tabellenende. Das wird sich ändern. Unter anderem angetrieben durch Bundesvorgaben wie das E-Government-Gesetz des Bundes oder das Onlinezugangsgesetz (OZG) hat die Thüringer Landesregierung Anfang November 2017 mit dem beschlossenen E-Government-Gesetz den Startschuss für die Aufholjagd gegeben.

Gesetz auf Höhe der Zeit

Aktuelle technische und rechtliche Entwicklungen sind in den Text eingeflossen, zentrale Themen des E-Governments wurden abgedeckt und mit Zeitplänen versehen. Zum Teil reichen die Regelungen in Thüringen über Bundesvorgaben hinaus. Nicht zuletzt unterstützt das Gesetz die Verwaltungsmodernisierung, die im Zuge der Debatte um Funktional- und Verwaltungsreformen besonderen Rückenwind erhält. So entstand eines der modernsten E-Government-Gesetze Deutschlands; später als andere Ländergesetze und darum auf der Höhe der Zeit. In diesem Sinne ist das Thüringer Gesetz keine Kritik an bestehenden Regelungen anderer Bundesländer. Im Gegenteil – der Freistaat hat von diesen profitiert.
Thüringen ist ein reizvolles aber kleines Flächenland mit zwei Millionen Einwohnern. Die Ressourcen sind begrenzt. Umso wichtiger ist es deshalb, auch den Fokus des E-Government-Gesetzes landesspezifisch auszurichten. Die deutschen Länder bieten regionale Besonderheiten auch in der IT-Realität. Im Dezember 2017 hatte der Thüringer Rechnungshof konstatiert: IT-Strategie, Software-Betreuungssystem, Sicherheitskonzeption, Beschaffungs- und Entwicklungssystem – 80 Prozent der mehr als 800 Kommunen im Freistaat haben nichts davon. Die Diversität und die Kleinteiligkeit der kommunalen Strukturen setzen sich in der IT-Landschaft fort.
Zudem: Was landschaftlich und touristisch reizvoll ist, ist für wirtschaftliche Kabel zu viel Waldwildnis. Die junge, attraktive und innovative Thüringer Wirtschaft wächst in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Aber nicht überall legen Netzbetreiber ihre Kabel bis in die kleinste Siedlung und dort ansässige Unternehmen. Dort, wo die Luft gut ist, ist das WLAN meist schlecht. Die zunehmende Naturfitness begleitet Thüringen deshalb mit einer Breitband-Initiative. Rund 130 Millionen Euro investiert das Land neben Bundes- und EU-Mitteln in den nächsten vier Jahren in den Netzausbau. Damit wird auch die Infrastruktur für staatliches E-Government aufgebaut.

Kommunen mit Basisanwendungen unterstützen

Die wenigsten Thüringer Kommunen haben zwischen Feuerwehr, Gemeindestraße und Kita genug Atem, um E-Government-Services auf der Höhe der Zeit anzubieten. Deshalb will das Land die Kommunen zielgerichtet unterstützen und stellt ihnen für verschiedene E-Government-Anwendungen und -Ausbaustufen entsprechende Basisanwendungen zur Verfügung. Grund für diesen Ansatz ist das Fehlen einer Struktur der kommunalen Zusammenarbeit im IT-Bereich in Thüringen im Vergleich zu anderen Bundesländern.
Die Kommunen sind selbstständig und entscheiden in eigener Verwaltungshoheit. Entsprechend wird unterschiedliche Software eingesetzt. Durch die Basisanwendungen entfällt jedoch die für viele Kommunen aufwendige Entwicklung fehlender eigener Services. Gleichzeitig muss durch Schnittstellen wie XFall die Interoperabilität verschiedener Software der kommunalen Fachanwendungen hergestellt werden.
All diese Basisanwendungen werden im Thüringer Landesrechenzentrum zentral betrieben und gepflegt. Kommunen können über ThAVEL – das zentrale Antragsmanagement-System für Behörden – alle Dienste online bereitstellen. Das vom Freistaat Thüringen mitentwickelte System ermöglicht in der Kommunikation mit dem Bürger die intuitive, elektronische Antragstellung von Verwaltungsleistungen über das Internet. Dabei fügt sich ThAVEL in die bestehenden Internet-Auftritte der Behörden und Kommunen ein.
Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft ist E-Government eine sachliche Notwendigkeit und deshalb kein Projekt der Haushaltskonsolidierung. Für die Umsetzung der im Gesetzestext niedergelegten Vorgaben muss Thüringen tief Luft holen. Denn E-Government gibt es nicht zum tarif. Investitionen kosten in der Regel Geld. Die Basisanwendungen werden den Kommunen jedoch kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Mit Plan und zentraler Steuerung

Thüringen hat seit dem Jahr 2016 einen zentralen IT-Haushaltsplan, der vom Finanzministerium bewirtschaftet wird. Ein Plan alleine spart jedoch noch nicht. Eine damit verbundene zentrale IT-Steuerung kann aber zumindest erreichen, dass der Kostenanstieg gebremst und die Effizienz des Mitteleinsatzes gesteigert wird. Der Vorteil liegt darin, dass vermehrt dort investiert werden kann, wo es notwendig ist. Aktuell führt der Freistaat beispielsweise in der Justizverwaltung die E-Akte ein und kann Finanzmittel entsprechend flexibel einsetzen und besondere Schwerpunktfinanzierungen leisten. Der IT-Haushaltsplan versetzt das Land auch in die Lage, eine zentralisierte Beschaffung auf die Beine zu stellen. Hier schlummert tatsächlich Einsparpotenzial.
Die Thüringer Landeszeitung titelte 2017 „Zukunftsabteilung im Finanzministerium.“ Die Überschrift klingt nicht nur verheißungsvoll, sie soll auch Motivation und Motto der Bediensteten sein. Ab 2019 wird es eine Schwerpunktabteilung für E-Government und IT geben. Bereits heute steuern Fachleute das Thüringer E-Government zentral und sind Ansprechpartner für die anderen Ressorts. Die Abteilung wird von einem nachgeordneten Bereich im Landesverwaltungsamt unterstützt: die Abteilung „Kompetenzzentrum Verwaltung 4.0“ im Landesverwaltungsamt. Sie öffnet die Türen besonders weit für die kommunalen Verantwortlichen. Die beiden Abteilungen stehen in einer Riege mit dem Thüringer Landesrechenzentrum (TLRZ). Das TLRZ ist Spezialist für IT-Fragen und wird durch die zentrale Vergabestelle für IT noch gestärkt.

Neue Formen der Zusammenarbeit ausloten

Die Thüringer Kommunen sind sehr interessiert am Thema E-Government. Lösungen werden gesucht und hierbei auch neue Formen der Zusammenarbeit ausgelotet, etwa mit dem Vorschlag zur Gründung eines gemeinsamen kommunalen Dienstleisters. Interkommunale Kooperation ist untrennbar verbunden mit dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung. Und nicht nur, weil der Rennsteig jedes Frühjahr zum Marathon lockt und die Thüringer gut zu Fuß sind, ist zu beobachten, dass die Kommunen des Landes sich fit machen für neue Wege des E-Governments. Auch die Landesbehörden und die Ressorts müssen die Turnschuhe fester schnüren und einen Zahn zulegen. Das Thüringer E-Government-Gesetz ist der Laufplan, mit dem der Freistaat das Ziel erfolgreich erreichen kann.

Dr. Hartmut Schubert ist Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium und CIO des Freistaats.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Cover des D21 Digital-Index 2024/25

D21-Digital-Index: Digitale Resilienz als Schlüssel

[10.03.2025] Alljährlich liefert D21 mit ihrem Digital-Index ein umfassendes Lagebild zum Digitalisierungsgrad in Deutschland. Nun hat die Initiative ihre Studie für 2024/25 vorgelegt. Demnach verändern digitale Technologien Gesellschaft und Wirtschaft tiefgreifend – die Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeit werden aber weitgehend unterschätzt. mehr...

Vektorgrafik, die ein Team zeigt, das Puzzleteile zusammenfügt.

Beckum: d-NRW-Beitritt beschlossen

[03.03.2025] Um Zeit und Aufwand bei der Ausweitung ihrer digitalen Verwaltungsservices zu sparen, tritt die Stadt Beckum der d-NRW bei. Als Trägerin der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts wird sie unter anderem von einer ausschreibungsfreien Nachnutzung von OZG-Leistungen profitieren. mehr...

muenchen_neues_rathaus

München: Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie

[13.02.2025] Der Münchner Stadtrat hat die fünfte Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie der bayerischen Landeshauptstadt beschlossen. Sie beinhaltet unter anderem den Aufbau eines Kompetenzschwerpunkts für User Experience sowie eine neue Formulierung des strategischen Prinzips der nutzerzentrierten Gestaltung. mehr...

OZG: „Aufenthalt“ erreicht alle Milestones

[07.02.2025] Das maßgeblich vom Land Brandenburg vorangetriebene OZG-Projekt „Aufenthalt“ hat alle Vorgaben des OZG-Verwaltungsabkommens erfüllt. Inzwischen nutzen über 270 Ausländerbehörden die digitalen Dienste, weitere 170 befinden sich im Roll-out. Die Weiterentwicklung läuft kontinuierlich. mehr...

Porträt Dr. Daniela Dylakiewicz

Sachsen: Neue CIO für den Freistaat

[07.02.2025] Daniela Dylakiewicz ist neue CIO des Freistaats Sachsen. Um die digitale Verwaltungstransformation voranzutreiben, strebt sie eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen des Landes an. mehr...

Diagramm zur räumlichen, fachlichen und funktionalen Bündelung von Verwaltungsaufgaben.

Deutscher Landkreistag: Aufgabenbündelung ja, Verfassungsänderung nein

[06.02.2025] Der vom Normenkontrollrat vorgebrachte Vorschlag einer stärkeren Bündelung staatlicher Aufgaben wird vom Deutschen Landkreistag unterstützt. Der kommunale Spitzenverband warnt aber auch vor zentralistischen Strukturen und lehnt vorgeschlagene Verfassungsänderungen ab. mehr...

Screenshot der Startseite von smartvest.ruhr.

Kreis Recklinghausen: Info-Plattform zum Smart-City-Ansatz

[03.02.2025] Eine Informationsplattform zur regionalen Digitalisierungsstrategie haben der Kreis Recklinghausen und die zehn kreisangehörigen Städte online geschaltet. Das Portal stellt die fünf Handlungsfelder und unterschiedlichen Projekte rund um den Smart-City-Ansatz vor und listet Neuigkeiten und Veranstaltungshinweise auf. mehr...

bayern-Flaggen

Bayern: Einheitlicher kommunaler IT-Dienstleister geplant

[28.01.2025] Im Frühjahr startet die neue Umsetzungsphase der Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0. Unter den Maßnahmen ist auch die Einführung eines einheitlichen kommunalen IT-Dienstleisters bis Ende 2025. mehr...

Blick über die Spree aufs Bundeskanzleramt

Vitako: 10-Punkte-Plan zur Digitalisierung

[24.01.2025] Vitako fordert in einem 10-Punkte-Plan klare Prioritäten, Investitionen und Kooperation aller Ebenen, um die Digitalisierung voranzutreiben und Krisen zu kontern. Dabei gehe es um die Sicherung kommunaler Handlungsfähigkeit ebenso wie um die nationale Koordination und die Berücksichtigung EU-weiter Strategien. mehr...

Eine Person blättert in einer Broschüre zur neuen Hamburger Digitalstrategie

Hamburg: Neue Digitalstrategie vorgestellt

[22.01.2025] Hamburg hat seine neue Digitalstrategie präsentiert. In den kommenden Jahren soll das digitale Angebot konsequent ausgebaut werden, um den Kontakt mit den Behörden so einfach und effizient wie möglich zu gestalten. Wo es möglich ist, setzt die Freie und Hansestadt dabei auch auf Automatisierung und Künstliche Intelligenz. mehr...

Vektorgrafik eines Organigramms.

Wolfsburg: Neuer smarter Geschäftsbereich

[20.01.2025] Mit organisatorischen Änderungen ist die Wolfsburger Stadtverwaltung in das neue Jahr gestartet. Unter anderem wurden die Bereiche Informationstechnologie und Smart City im Geschäftsbereich Smart City und IT-Services zusammengeführt. mehr...

Porträt von Elena Yorgova-Ramanauskas, Staatssekretärin und Landes-CIO im Saarland

Saarland: Digitalisierungsoffensive für Kommunen wird konkreter

[20.01.2025] Die 2021 auf den Weg gebrachte Digitalisierungsoffensive für Kommunen im Saarland nimmt Gestalt an: 17 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Pandemie wurden an konkrete Projekte gebunden, darunter KI-gestützte Chatbots, Verkehrsdatenerfassung und Straßenmanagementsysteme. mehr...

Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus und die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände des Landes präsentieren die Kooperationsurkunden.

Hessen: Kommunale Verwaltungsdigitalisierung wird gestärkt

[15.01.2025] Das Land Hessen und die kommunalen Spitzenverbände wollen die kommunale Verwaltungsdigitalisierung weiter unterstützen. Die bisherige Koordinierungsstelle OZG-Kommunal wird zur Kompetenzstelle erweitert, die Digitalisierungsplattform civento wird weiter finanziert. mehr...

Porträt von Ina-Maria-Ulbrich

IT-Planungsrat: Kommunen im Fokus

[13.01.2025] Im Jahr 2025 führt Mecklenburg-Vorpommern den IT-Planungsrat. Im Fokus sollen die Föderale Digitalstrategie und eine stärkere Einbindung der Kommunen stehen. Geplant ist auch eine Stärkung und Weiterentwicklung der FITKO. mehr...

Glaskugel vor einem magentafarben beleuchteten, unscharfen Hintergrund.
bericht

Digitalisierung: Blick in die Glaskugel

[07.01.2025] Agil, bürokratiearm und Ende-zu-Ende digitalisiert – so sollen die Kommunalverwaltungen im Jahr 2030 aussehen. Im Moment sind sie davon aber oft noch weit entfernt. Sind die gesetzten Ziele realistisch? mehr...