AugsburgOne Message, many Voices
The bomb is successfully defused, evacuation is suspended now – am 25. Dezember 2016 verschickte die Stadt Augsburg ihren erfolgreichsten Tweet und erreichte damit 104.287 Menschen. Innerhalb von Sekunden verbreitete sich die Nachricht: Die 1,8 Tonnen schwere Weltkriegsbombe, die kurz vor Weihnachten in der Augsburger Innenstadt gefunden wurde, ist entschärft. 54.000 Menschen können zurück in ihre Wohnungen und Häuser.
19 Monate später, am 28. Juli 2018, finden Bauarbeiter wieder eine Fliegerbombe im Augsburger Stadtgebiet. Innerhalb weniger Stunden müssen rund 1.200 Menschen ihr Zuhause verlassen. Auch dieses Mal twittert die Stadt Augsburg, informiert auf augsburg.de, teilt wichtige Hinweise der Polizei auf Facebook und verschickt Nachrichten an alle Abonnenten des städtischen WhatsApp-Dienstes.
Kommunikationsabteilung neu aufgestellt
Anders als 2016 wird diesmal auch Instagram als Informationskanal genutzt. Über die Story-Funktion kommuniziert die Stadt die Evakuierungszone oder die Lage von Notunterkünften und zeigt Einsatzkräfte bei der Arbeit. Polizei, Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Stadt arbeiten eingespielt, legen schnell gemeinsame Hashtags fest. Man hat dazugelernt. Und man hat sich Gedanken gemacht. So wurde die städtische Kommunikationsabteilung neu aufgestellt: Das Medien- und Kommunikationsamt agiert seit 2017 als Hauptabteilung Kommunikation im Referat des Oberbürgermeisters unter Leitung des Pressesprechers Richard Goerlich. Sie praktiziert das Newsroom-Modell. Das heißt, die Themen werden in Projektgruppen crossmedial für relevante Zielgruppen aufbereitet – vom Flyer über die Pressemitteilung bis hin zum Facebook-Post. „Die Kommunikation auf sozialen Netzwerken ist in der Konzeptphase wichtiger Bestandteil unserer Überlegungen und Planungen. Für das Social Media Management haben wir eine eigene Stelle geschaffen“, betont Pressesprecher Goerlich. Zu den Aufgaben gehört neben Tagesgeschäft, Planung und Unterstützung von Kampagnen die Weiterentwicklung der städtischen Social-Media-Kommunikation: Welche Kanäle nutzt die Verwaltung? Wie geht sie mit ihrer Community um? Welche wichtigen Neuerungen gibt es bei Facebook & Co.? Und wie werden möglichst viele Bürger erreicht?
Facebook nicht mehr allmächtiger Monopolist
Aktuell ist die bayerische Kommune auf Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp und YouTube aktiv. Facebook war dabei lange Zeit wichtigster Social-Media-Kanal der Stadt Augsburg. Seit einiger Zeit zeigt sich aber, dass ein Teil der Facebook-Community das Interesse verliert, im Schnitt weniger aktiv und älter wird. „War Facebook früher der allmächtige Monopolist unter den sozialen Medien, diversifiziert sich das Nutzerverhalten wieder. Deshalb ist unser Motto jetzt ‚one message, many voices‘ – was im Grunde dazu führt, dass wir noch mehr Bürgerinnen und Bürger erreichen. Eine positive Entwicklung also“, erklärt Goerlich.
Die Stadt Augsburg kommuniziert auf verschiedenen Social-Media-Kanälen, um möglichst viele Bürger aktuell und zuverlässig zu informieren (Informationspflicht). Dabei wird der Fokus auf die vielfältige Arbeit der Verwaltung gelegt (Daseinsfürsorge). Amtliche Informationen werden in Häppchen verpackt, verständlich und zielgruppengerecht aufbereitet, nach dem Motto: Das Amtsblatt muss nicht jeder beim ersten Durchlesen verstehen, den Post schon – Übersetzungsarbeit ist also angesagt. „Hinter einem Zweizeiler steckt mehr Arbeit, als man denkt“, weiß Goerlich. „Der Vorteil: Auf Social Media können wir Emotionen zeigen. Zeigen, dass hinter jeder amtlichen Maßnahme auch ein Mensch steckt.“ Ob und wann Information mit Emotion gemischt wird, geben die Social-Media-Richtlinien der Stadt vor. Bei kritischen Themen ist ein nüchterner Ton angezeigt – ohne Augenzwinkern in oder zwischen den Zeilen.
Transparente Informationen
Als offizielle Stimme der Stadt postet die Hauptabteilung nicht nur Veranstaltungen und Beiträge mit Gefällt-mir-Garantie. Sie informiert transparent zu allen, auch kritischen Themen. In der Chronik stehen die Einladung zur 3. Augsburger Radlnacht und das Rathaus bei Sonnenaufgang neben FAQs zu Asylunterkünften oder Baumfällungen. Entsprechend fallen die Reaktionen aus: Herzchen, wütender Smiley oder Detailfragen, die das Social Media Management mit Unterstützung der zuständigen Fachreferate so schnell wie möglich beantwortet. Konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge werden intern weitergeleitet und bei der künftigen Kommunikation berücksichtigt. Beleidigungen sind selten, kommen aber vor. Die Stadt hat deshalb in ihrer Netiquette definiert: „Wir behalten uns vor, Kommentare zu entfernen und/oder gegebenenfalls Profile zu sperren, wenn die Kommentare Beleidigungen, Diskriminierungen, Werbung oder Spam enthalten.“
Gelassenheit und Erreichbarkeit
„Beim Beantworten kritischer Kommentare ist es wichtig, dass die Redakteure gelassen bleiben“, betont Kommunikations-Chef Goerlich. Heißt, dass sie Kritik nicht persönlich nehmen. Und ihren Ausgleich vom Gefühl der ständigen Erreichbarkeit finden. Am Wochenende hat die Stadt Augsburg im Rahmen einer Dienstvereinbarung Rufbereitschaften eingeführt. Denn: Nicht nur in Krisen oder bei Veranstaltungen ist es notwendig, dass die Stadt außerhalb von Dienstzeiten aktiv wird. „Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, dass kritische Posts auch mal am Donnerstag oder Freitag rausgehen“, so Goerlich. Ein Beispiel ist das Grillverbot, das aufgrund der trockenen Witterung im August 2018 kurz vor dem Wochenende auf den öffentlichen Grillplätzen der Stadt erlassen wurde. „Dann gehört es zu den Aufgaben des Mitarbeiters in Rufbereitschaft, die Kommentare unter dem Grillverbot-Hinweis im Blick zu behalten und, wenn nötig, zu reagieren“, erklärt Goerlich.
Rufbereitschaft bedeutet auch Erreichbarkeit für Referenten und dringende Presseanfragen. Denn: Kommunikation auf sozialen Netzwerken reicht nicht, sie muss in eine stimmige Gesamtkommunikation integriert werden. Deshalb veröffentlicht die Hauptabteilung eine Vielzahl von Online- und Print-Publikationen und setzt auf klassische Pressearbeit. Zur Hauptabteilung Kommunikation gehören zudem der Zentrale Telefonservice und die Bürgerinformation am Rathausplatz: Wer eine Frage hat, kann also auch einfach anrufen oder vorbeikommen.
Selbstreflexion wichtiger Teil des Konzepts
Beim Fliegerbombenfund 2016 war die digitale Kommunikation nur Teil der Informationskette. Stündlich bis täglich wurden Pressekonferenzen abgehalten, die Stadt verteilte mehrsprachige Anwohnerinformationen und richtete eine Info-Hotline für Bürger ein. Und nach der Entschärfung? Dazu Pressesprecher Richard Goerlich: „Natürlich stellen wir uns immer wieder die Frage, ob wir das Richtige tun oder getan haben, besprechen, was wir besser machen können – nach der Fliegerbombe 2016, nach der Fliegerbombe 2018 und in jedem Newsroom-Treffen.“ Denn wenn es um Kommunikation geht, insbesondere um die Social-Media-Kommunikation einer Behörde, zeigt die Praxis: Ein finales, für alle Zeiten und Vorkommnisse gültiges Konzept wird es nicht geben.
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