EuskirchenVerzetteln war einmal
Zwei Mann aus der Grünkolonne sind krank geworden und haben ihre Zettel nicht geschrieben. Bei neuen Aufträgen liegen die Nummern noch nicht vor – sind das jetzt Einzel- oder Zusatzaufträge? Der Zettel der Schachtkontrolle sieht nicht so toll aus, ob man das lesen kann? Da im Lager keiner war, mussten die Vorarbeiter das Material selbst zusammensuchen – deshalb fehlen die Artikelnummern. Und vom wilden Müll auf einem Parkplatz haben sie ein Foto per Handy gemacht – wie kriegen wir das jetzt in die Akte? Unter anderem mit solchen Fragen sah man sich im Geschäftszimmer des Bauhofs der Stadt Euskirchen konfrontiert, wenn die Vorarbeiter dort früher ihre Wochenstundenmappen abgegeben haben.
Das weitere Prozedere war zum Teil mühsam: Nach der Vollständigkeits- und Lesbarkeitskontrolle waren Rückfragen zu klären. Dann mussten die Zettel mit allen Abrechnungsdaten des Personals sowie der Fahrzeuge und Geräte ins Abrechnungsverfahren übertragen werden. Materialentnahmen mussten gebucht, Überstunden, Bereitschaften und diverse Zuschläge ermittelt und eingegeben und nicht zuletzt Soll-Ist-Vergleiche und Stundenkonten geführt werden. Gründe genug für die Technischen Dienste (TD), mit dieser Zettelwirtschaft aufzuräumen.
Durchgängiger Prozess als Ziel
Diesem Ziel spielte die ohnehin beschlossene Einführung des Finanzverfahrens Infoma newsystem von Anbieter Axians Infoma im nordrhein-westfälischen Euskirchen Ende 2019 in die Karten. Dadurch konnte schließlich der IT-Dienstleister Südwestfalen-IT (SIT) damit beauftragt werden, eine moderne, effiziente und mit der Finanzbuchhaltung verknüpfte Digitalisierungslösung für die Auftragsbearbeitung bei den TD einzurichten. Infoma newsystem bietet hierzu das Modul Kommunale Betriebe (KB) an, das in der Basisversion mit der Ressourcenverwaltung von Personen und Maschinen sowie der Auftragsabrechnung aufwartet. Für den Start zum 1. Januar 2020 bei den TD Euskirchen wurden zusätzlich die KB-Module Web-Auftrag, Lagerwirtschaft und mobile Datenerfassung eingeführt.
Mit der neuen Lösung sollten die Technischen Dienste einen durchgängigen Prozess erhalten, der vom Erteilen der Einzel-, Zusatz- oder Daueraufträge seitens der Fachbereiche bis hin zur Rechnungsstellung an die städtischen Debitoren reicht. Er soll es den städtischen Auftraggebern ermöglichen, über ein vordefiniertes Formular browsergestützt einen Auftrag zu erteilen und diesen beispielsweise um Pläne, Zusatzanweisungen oder Fotos zu ergänzen. Der Auftragnehmer kann daraufhin den Auftrag in der Finanz-Software in einen Arbeitsauftrag inklusive der vorhandenen Anlagen überführen.
An Besonderheiten angepasst
Die neuen Arbeitsaufträge waren deshalb so einzurichten, dass sie der zugeordneten Kolonne in der App für die mobile Datenerfassung, der MDE-App, auf deren Smartphones oder Tablets zur Verfügung stehen. Auf diese Weise können die Stunden des Personals, der Fahrzeuge und Geräte sowie die Lagermaterialentnahmen digital erfasst und jeweils am Ende des Arbeitstags inklusive notwendiger Notizen und zu Dokumentationszwecken aufgenommener Fotos an die Finanz-Software zurückübertragen werden. Die Bereichsleiter überprüfen als fachliche Kontrollinstanz die Vollständigkeit und leiten die Daten dann einschließlich der Meldung erledigter Aufträge an die Buchhaltung weiter, wo sie neben Fremdrechnungen auf die Aufträge verbucht werden. Abschließend sollten die Aufträge fakturiert und per Datei an die Stadtverwaltung zum Import in den dortigen Rechnungsworkflow übermittelt werden, wo sie durch die entsprechenden Kontierungsvorlagen direkt in den Prüf- und Buchungsprozess übernommen werden.
„Der Umstieg vom Vorverfahren, in dem keine Digitallösung zum Einsatz kam, war nur die eine Herausforderung“, erinnert sich Jörg Pötzschmann an die Besonderheiten des Euskirchener Vorhabens. Er hat als SIT-Berater im Bereich Finanzconsulting für Infoma newsystem den gesamten Einführungsprozess begleitet. Pötzschmann: „Auf der anderen Seite mussten auch alle Erfordernisse der städtischen Fachbereiche, der Betriebs- und kaufmännischen Leitung und nicht zuletzt der Kolonnenmitarbeiter so umgesetzt werden, dass sie sich in der Lösung wiederfinden und eine Effizienzsteigerung in den Abläufen festzustellen ist.“ Partner an seiner Seite war Jörg Makowski, kaufmännischer Leiter der TD. Er brachte sowohl Kenntnisse aus dem Verfahren Infoma newsystem als auch genaue Vorstellungen für die Umsetzung des neuen Verfahrens bei den TD ein.
Skepsis ist schnell verflogen
Zunächst wurde untersucht, wie die Software im Bereich KB die Belange der Technischen Dienste bedienen kann. Das Ergebnis wurde dem Betriebsleiter vorgelegt. Dann begann die eigentliche Arbeit mit der Definition der Stammdaten in der Software, der Installation der App auf den Smartphones und Tablets sowie der Schulung der Mitarbeiter in der Buchhaltung und im Lager. Die Abläufe wurden anschließend den Auftraggebern der Stadtverwaltung und den Kolonnenmitarbeitern präsentiert. Nach einer Testphase im November 2019 waren dann noch einige redaktionelle Änderungen erforderlich, die bis zum Produktionsstart Anfang 2020 umgesetzt werden konnten. „Am Anfang läuft es immer etwas holprig. Alle müssen sich erstmal an die neuen Abläufe und die Bedienung gewöhnen“, berichtet Jörg Makowski von den ersten Schritten mit der neuen Anwendung. „Doch die anfängliche Skepsis der Mitarbeiter verflog relativ schnell und das Projekt wurde gemeinsam konstruktiv angegangen, diskutiert, nachgebessert und verfeinert. Allen war bewusst, dass es nach einer Übergangszeit zu einer spürbaren Erleichterung der Arbeitsprozesse kommen wird.“
Erweiterung denkbar
Nach einem Dreivierteljahr Erfahrung konnte Makowski Ende 2020 dann stolz zurückblicken: „Ich sehe uns in unserer Arbeit bestätigt. Der erbrachte Aufwand, Fleiß, Schweiß, Wut und so mancher Frust haben sich gelohnt.“ Und SIT-Berater Jörg Pötzschmann ergänzt: „Es steckt noch Potenzial in der Einführung weiterer Zusatzmodule bei den TD auf ihrem Weg in die digitalisierte Welt von Infoma newsystem. Der Import der Rechnungen in den digitalen Rechnungsworkflow bei der Stadt steht noch aus, was die Papierflut deutlich eindämmen würde. Eine weitere App für die mobile Objektkontrolle (MOK) von Spielgeräten, Bäumen und anderen dokumentationspflichtigen Arbeiten als Ergänzung zur MDE-App kann ich mir ebenso bei den TD vorstellen, wie die Einführung des Moduls TVöD zur automatisierten Ermittlung von Überstundenzuschlägen und Weiterleitung aller zahlungsrelevanten Zuschläge an das Personalverfahren.“
https://www.sit.nrw
https://www.euskirchen.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe März 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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