E-RecruitingRechtssicher vorgehen
Der kontinuierliche Fachkräftemangel stellt auch in Kommunen ein großes Problem dar. Gerade öffentliche Arbeitgeber tun sich zunehmend schwer, geeignetes Personal über klassische Stellenausschreibungen und anschließende Auswahlverfahren zu rekrutieren. Öffentliche Arbeitgeber unterliegen im Recruiting-Prozess zudem besonderen rechtlichen Anforderungen, die Bewerbungsverfahren nicht unbedingt schneller und flexibler machen.
Um die Zielgruppe der raren potenziellen Bewerber zu erreichen, rücken das Internet und soziale Netzwerke immer mehr in den Fokus. Jeden Tag lassen sich über diese Wege tausende Menschen auch überregional zielgenau erreichen, die entweder aktuell auf Jobsuche sind oder sich gedanklich bereits mit einem Arbeitgeberwechsel beschäftigen.
Die neuen Möglichkeiten des Recruiting im Internet werfen aber auch rechtliche Fragen auf. Im Stellenbesetzungsverfahren dürfen arbeits- und dienstrechtliche Aspekte nicht außer Acht gelassen werden, die vor allem bei der Personalbeschaffung (Stellenanzeige, Personalberater, interne Ausschreibung), der Personalauswahl (Sichtung der Unterlagen, weitergehende Recherche, Bewerbungsgespräch, Bestenauslese) und im Arbeitsverhältnis eine bedeutende Rolle spielen.
Arbeitsrechtliche Mindestanforderungen einhalten
Bereits bei der Stellenausschreibung im Internet müssen arbeitsrechtliche Mindestanforderungen beachtet werden. Es gibt, anders als teilweise im Beamtenrecht, für Kommunen weder eine tarifvertragliche noch eine gesetzliche Pflicht, Arbeitnehmerstellen öffentlich, also klassisch extern, auszuschreiben. Insbesondere lässt sich eine solche Pflicht auch nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG herleiten. Vorbehaltlich der Mitwirkungsrechte der Personalvertretungen ist es daher ausschließlich Angelegenheit des Arbeitgebers, ob und auf welcher Plattform er eine Stelle anbietet. Im öffentlichen Dienst ist es aber zwingend, für zu besetzende Stellen ein Anforderungsprofil zu erstellen. Dort werden die Kriterien für die Bewerberauswahl im Voraus definiert und gelten für die gesamte Dauer des Auswahlverfahrens. Dem Anforderungsprofil kommt somit im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens auch im Internet eine besondere Bedeutung zu.
Bei der textlichen Ausschreibung ist daher auch auf internetbasierten Plattformen insbesondere auf die Vermeidung von Diskriminierungen, geschlechts- und altersneutrale Formulierungen in der Stellenanzeige sowie die Zusammenarbeit mit dem Personalrat zu achten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann abgelehnte Bewerbende bereits bei einer nur textlichen Ungenauigkeit in die formale Lage versetzen, eine finanzielle Entschädigung einzufordern, wenn eine diskriminierungsfreie Auswahlentscheidung vom Arbeitgeber nicht restlos nachgewiesen werden kann, was in der Praxis meist schwierig ist. Rechtssicher ist in den meisten Ausschreibungen neben der Stellenbezeichnung heute die Ergänzung „m/w/d“ gebräuchlich. Aber auch im weiteren Ausschreibungstext sollten nicht ungewollt Diskriminierungsansätze versteckt sein (wie zum Beispiel „junges Team“ oder „Muttersprachler“).
Zurückhaltung bei nicht berufsorientierten Plattformen
Eine besondere Pflicht im öffentlichen Dienst ergibt sich aus § 165 SGB IX. Öffentliche Arbeitgeber sind demnach verpflichtet, nicht offensichtlich ungeeignete Stellenbewerber mit einer Schwerbehinderung stets zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, damit sie ihre Chance in einem persönlichen Gespräch verbessern und mögliche Vorbehalte ausräumen können. Insoweit ist auch bei internetbasierten Ausschreibungsverfahren ein besonderes Augenmerk auf versteckte Hinweise bezüglich einer Schwerbehinderung zu legen. In Online-Formularen, die häufig die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes nicht gesondert berücksichtigen, könnte dies mitunter übersehen werden.
Weitere interaktive und zielführende Recruiting-Kanäle zur Personalgewinnung können Karrierenetzwerke wie Xing und LinkedIn darstellen. Zurückhaltung muss vonseiten der Personalabteilungen allerdings bei Plattformen wie Instagram oder Facebook gewahrt werden, da diese nicht berufsorientiert und damit wegen datenschutz- und persönlichkeitsrechtlicher Bedenken als Ausgangspunkt für Recruiting-Aktivitäten weniger geeignet sind.
Datenschutzaspekte beachten
Aspekte des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechts sind auch darüber hinaus wichtige eingrenzende Faktoren beim E-Recruiting. Gerade bei einem onlinebasierten Bewerbungsprozess wird eine große Menge an digitalen Daten erhoben und gespeichert. Auch bei einer temporären Speicherung dieser Daten ist Vorsicht geboten, denn prinzipiell dürfen Daten nur so lange gespeichert werden, wie es für den Verarbeitungszweck tatsächlich erforderlich ist. Im Bewerbungsverfahren wäre der Löschzeitpunkt somit mit der Stellenbesetzung erreicht. Im Sinne des rechtlichen Eigenschutzes ist es jedoch sinnvoll und auch zulässig, die Daten der abgelehnten Bewerbenden noch für zwei bis drei Monate aufzubewahren und sie erst dann zu löschen.
Vorsicht gilt in datenschutzrechtlicher Hinsicht auch beim so genannten Active Sourcing, bei dem Unternehmen im Internet gezielt initiativ auf Bewerbersuche gehen. Da die potenziellen Bewerbenden hiervon (noch) nichts wissen, überwiegen zunächst deren Interessen am Schutz der eigenen Daten, was auch für öffentlich zugängliche Informationen gilt. Zur Erhebung oder Weitergabe solcher Daten ist zunächst die Einwilligung des Betroffenen einzuholen. Folgen eines rechtswidrigen Active Sourcing könnten im schlimmsten Fall Schadensersatzansprüche oder Geldbußen sein.
Einsatz von KI ethisch und rechtlich kritisch
Eine weitere Möglichkeit im digitalen Recruiting ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), der in allen Phasen des Bewerbungsprozesses theoretisch möglich ist. So genannte Chatbots können beispielsweise die erste Kommunikation mit potenziellen Kandidaten übernehmen und Anfragen zum Bewerbungsprozess autonom bearbeiten. Voraussetzung für die Nutzung von KI ist aber, dass der zugrundeliegende Algorithmus nicht diskriminierend handelt und zu einer Benachteiligung von Bewerbenden führt. Ob zukünftig sogar eine Software die Bewertung und finale Auswahl der eingegangenen Bewerbungen samt Einstellungsentscheidung autark übernehmen kann, ist noch nicht geklärt. Ethisch und rechtlich wird diese Option jedoch kritisch gesehen.
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind zudem an das Prinzip der Bestenauslese bei der Stellenvergabe gebunden. Jede Entscheidung über eine Einstellung darf ausschließlich aufgrund von Kriterien getroffen werden, die mit der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des ausgewählten Bewerbers in Verbindung stehen. Zwar gibt es Stimmen, die eine softwarebasierte Bestenauslese sogar als rechtssicherer ansehen als die menschengemachte. Gleichwohl werden bislang auf dem Markt erhältliche Software-Lösungen vorrangig für die Privatwirtschaft konzipiert, weshalb Kommunen nicht unbedingt davon ausgehen dürfen, dass die rechtlichen Besonderheiten der Stellenvergabe im öffentlichen Dienst von einer Software ausreichend berücksichtigt werden.
Digitales Recruiting stellt private wie öffentliche Arbeitgeber also vor neue Herausforderungen, eröffnet zugleich aber auch viele Chancen und Perspektiven. Werden die rechtlichen Leitlinien eingehalten, bietet digitales Recruiting im Internet gute Möglichkeiten, um dem Fachkräftemangel auch im öffentlichen Dienst entgegen zu wirken.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar 2023 von Kommune21 im Schwerpunkt Personalwesen erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Frankfurt am Main: KI-Inforeihe für Mitarbeitende
[18.10.2024] Um ihre Mitarbeitenden fit im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu machen, hat die Stadt Frankfurt am Main jetzt unter dem Titel „KI oder nicht KI – das ist hier die Frage“ verschiedene Informations- und Weiterbildungsangebote gestartet. mehr...
Bayern: Erste Digitalwirte zertifiziert
[02.09.2024] An der Bayerischen Verwaltungsschule wurde der erste Lehrgang der Weiterbildung zum Digitalwirt beendet. Als Botschafter der modernen Demokratie sollen die Absolventen künftig ihre Kommunen auf dem Weg in die Digitalisierung begleiten. mehr...
Bayern: Erste Digitalwirte zertifiziert
[31.08.2024] An der Bayerischen Verwaltungsschule wurde der erste Lehrgang der Weiterbildung zum Digitalwirt beendet. Als Botschafter der modernen Demokratie sollen die Absolventen künftig ihre Kommunen auf dem Weg in die Digitalisierung begleiten. mehr...
Hochschulen Offenburg/Kehl: Studiengang zu Digital Public Management
[29.08.2024] Die Hochschulen Offenburg und Kehl bilden ab dem Wintersemester 2025/2026 gemeinsam Fachkräfte im Bereich Digital Public Management aus. Der IT-Dienstleister Nagarro bringt in den neuen Studiengang konkrete Anwendungsfälle aus der Praxis ein. mehr...
Borken: Bewerbung per WhatsApp
[28.08.2024] In der Stadt Borken können sich Interessierte ab sofort auch über WhatsApp auf offene Stellen der Stadtverwaltung bewerben. Dieser Schritt soll den Zugang zu Stellenangeboten erleichtern und den Prozess für Bewerberinnen und Bewerber flexibler gestalten. mehr...
Kiel: Navigate the Future
[08.08.2024] Angesichts zahlreicher aktueller Herausforderungen wächst der Druck auf die öffentliche Verwaltung, sich zu modernisieren. Wie das gelingen kann, zeigt die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel, die sich schon länger auf Reformkurs befindet. mehr...
Hannover: Karriereportal gestartet
[15.07.2024] Hannover modernisiert schrittweise sein Personalmanagement und hat im Zuge dessen nun ein neues Karriereportal vorgestellt. Für einen modernen, effizienten und vollständig digitalen Bewerbungsprozess setzt die niedersächsische Landeshauptstadt zudem auf die Fachsoftware NOLIS | Recruiting. mehr...
Digitale Mitarbeitergewinnung: Honorar nur bei Vertragsabschluss
[12.07.2024] Die Personalgewinnung ist für Kommunen unerlässlich, gestaltet sich aber derzeit schwierig. Marvin Staufenberg und Tim Haver, geschäftsführende Gesellschafter der Agentur Mission Personal, erklären, wie gezielte Online- und Social-Media-Kampagnen helfen können. mehr...
Gütersloh: Karriere-Website freigeschaltet
[01.07.2024] Eine neue Karriere-Website hat jetzt die Stadt Gütersloh online gestellt. Sie bündelt alle Informationen für Berufserfahrene, Berufsanfänger und Auszubildende. Interaktive Stadtkarte, Videos und Fotos sollen zum Entdecken der Berufsvielfalt einladen. mehr...
Nolis: Neue Kunden für Recruiting-Lösung
[29.05.2024] Anbieter Nolis konnte mehrere neue Kunden für seine Lösung NOLIS | Recruiting gewinnen, die damit ihr Stellenbesetzungsverfahren digitalisieren. mehr...
New Work: Büro der Zukunft
[30.04.2024] Seit Ende vergangenen Jahres testet der hessische IT-Dienstleister ekom21 in einem Pilotprojekt in Kassel mit rund 50 Mitarbeitenden eine ganz neue Arbeitswelt. Die bisherigen Erkenntnisse sind vielversprechend. mehr...
Kreis Mayen-Koblenz: Weiterbildung online
[24.04.2024] Die Kreisverwaltung Mayen-Koblenz legt einen Fokus auf Mitarbeiterförderung und möchte mit dem Online-Weiterbildungsangebot MYK-Akademie eine neue Marke als moderner Arbeitgeber etablieren. mehr...
Ludwigshafen: Zukunftskompetenzen vermitteln
[18.04.2024] Mit ihrem Projekt „Vernetzung und Kompetenzentwicklung im öffentlichen Dienst“ setzt die Stadt Ludwigshafen Maßstäbe in der Personalentwicklung. Die Stadt bietet ihren Beschäftigten bedarfsorientierte Fortbildungen, die sich an einem zuvor entwickelten Kompetenzmodell orientieren. mehr...
Personalwesen: KI hilft beim Recruiting
[11.04.2024] Die Bewältigung des Arbeitskräftemangels entscheidet über die künftige Leistungsfähigkeit der Kommunen. Mithilfe Künstlicher Intelligenz lassen sich Prozesse nicht nur mit weniger Personal abwickeln, auch das Personal-Management selbst kann optimiert werden. mehr...
Kaiserslautern: Neues Referat für die Digitalisierung
[21.03.2024] Die Stadt Kaiserslautern hat die Einrichtung eines neuen Referats für Digitalisierung und Innovation beschlossen. Das soll helfen, die Digitalisierung voranzutreiben. mehr...