Freitag, 27. Dezember 2024

Digitale IdentitätVertrauen aufbauen

[30.08.2023] Bei der Digitalisierung der Verwaltung spielt der Online-Ausweis eine Schlüsselrolle. Mit ihm können Bürgerinnen und Bürger medienbruchfrei Anträge stellen, rechtsverbindlich unterschreiben und so ihre Behördengänge von jedem Ort aus erledigen.
Mit der Online-Ausweisfunktion können Behördengänge überall erledigt werden.

Mit der Online-Ausweisfunktion können Behördengänge überall erledigt werden.

(Bildquelle: istock)

Im Jahr 2020 gaben 86 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher an, Opfer von Identitätsdiebstahl und damit verbundenem Kredit- und Debitkartenbetrug oder einer Datenschutzverletzung geworden zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, das Vertrauen in digitale Identitäten langfristig aufzubauen und zu festigen. Die Dienstleistung Identitätsmanagement als Aufgabe des Staates lässt sich die Gesellschaft auch etwas kosten, denn ein sicheres Identitätsmanagement hat seinen Preis. Je höherwertiger der resultierende Identitätsnachweis ist, desto teurer ist in der Regel auch das Identitätsmanagement.
Die Idee hinter der Einführung der Online-Ausweisfunktion – oft auch als eID-Funktion bezeichnet – war es, ein staatliches eID-System ins Internet zu bringen. Die Online-Ausweisfunktion wird seit dem 1. November 2010 auf dem Personalausweis, seit 2011 auf dem elektronischen Aufenthaltstitel und seit 2021 auf der neuen eID-Karte für Unionsbürgerinnen und -bürger ausgestellt. Mit der Online-Ausweisfunktion wurde eine komplette Infrastruktur eingeführt. Sie sollte sicherstellen, dass nur vom Staat ausdrücklich autorisierte Organisationen und Unternehmen die Daten auf dem Chip des Ausweises auslesen können. Darüber hinaus sollte eine Software sowohl auf­seiten der Nutzerinnen und Nutzer als auch aufseiten der auslesenden Organisationen und Unternehmen eine sichere Datenübertragung gewährleisten.

Potenzial ist den Bürgern oft unbekannt

Manches am neuen Ausweis war auf den ersten Blick als neu erkennbar, wie etwa das Scheckkartenformat. Anderes war auf den ersten Blick nicht sofort ersichtlich. So war nur wenigen bekannt, dass das aufgedruckte grün-blaue Kreissymbol für die neue Online-Ausweisfunktion steht. Auch dass die Ausweise nun Chips mit auslesbaren Daten enthalten, war vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht bewusst. Eine breit angelegte Medienkampagne blieb leider aus, sodass sehr viele Menschen entweder nicht wussten, welcher Mehrwert in ihrer Geldbörse schlummert oder im Zweifelsfall keine Verwendungsmöglichkeit sahen. Vertrauen konnte so nicht aufgebaut werden. Anfangs war die Nutzung des Online-Ausweises zudem mit einigen Komplikationen verbunden, wie zum Beispiel der Notwendigkeit, ein externes Kartenlesegerät zu verwenden. Diese Zusatzaufwände sind inzwischen nicht mehr erforderlich. Wer schon einmal erfolgreich eine Kreditkarte auf seinem Smartphone eingerichtet hat, sollte mit dem Online-Ausweis keine Probleme haben.
Im Zusammenhang mit dem Online-Ausweis spielen die Nutzerkonten – perspektivisch für Privatpersonen einheitlich die BundID – eine wichtige Rolle. Die Nutzung des Online-Ausweises ermöglicht aufgrund des hohen Vertrauens- und Sicherheitsniveaus den Ersatz der Schriftform nach § 3a Verwaltungsverfahrensgesetz. Im Hinblick auf die Digitalisierung der Verwaltung können Bürgerinnen und Bürger damit medienbruchfrei Anträge stellen, rechtsverbindlich unterschreiben und so ihre Behördengänge bequem von jedem Ort aus erledigen.

Private Sector sollte mitwirken

Gleichzeitig können im Rahmen der Registermodernisierung notwendige Einwilligungen erteilt werden. Nach dem Once-Only-Prinzip können mit der Einwilligung bereits in der Verwaltung vorhandene Daten und Nachweise abgerufen werden. Auch diese Zustimmungen gelten als Willenserklärung, die mit dem Online-Ausweis und entsprechend verknüpften und gesiegelten Antragsdaten schnell, einfach und sicher erledigt werden können. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das eine deutliche Verbesserung der Nutzererfahrung. Bisher mussten sie sich Dokumente, Daten und Nachweise selbst beschaffen, um sie dann einer anderen Behörde wieder zur Verfügung zu stellen.
Ein wesentlicher Kritikpunkt an der aktuellen eIDAS-Verordnung ist, dass durch die Beschränkung auf den Public Sector nicht das volle Potenzial des Online-Ausweises ausgeschöpft wird. Zwar schließt die aktuelle Version der eIDAS-Verordnung die Nutzung im ­Private Sector nicht aus, stellt es den EU-Mitgliedstaaten aber frei, diese auf den Public Sector zu beschränken. Eine Nutzung im Private Sector erfordert derzeit diverse Einzelvereinbarungen und verhindert damit trotz einheitlicher technischer Voraussetzungen eine stärkere Verbreitung der Online-Ausweisfunktion.
Die Rahmenbedingungen rund um die Digital Identity Wallet der EU stellen die Nutzerinnen und Nutzer in den Mittelpunkt. Sie sollen entscheiden können, welcher Anbieter ihre Identitäten und weitere Attribute verwenden darf. Um eine solche Entscheidung treffen zu können, sind weitreichende Maßnahmen erforderlich, wie sie beispielsweise im eID-System mit Online-Ausweisfunktion bereits umgesetzt sind. Eine Schlüsselfunktion kommt hier beispielsweise der gegenseitigen Authentisierung zu. Sie sorgt dafür, dass die Nutzenden sicher sein können, an wen sie ihre Daten weitergeben.

Digital Identity Wallet in der Diskussion

Nutzende und Services profitieren von einer starken staatlichen Identität. Eine staatlich herausgegebene eID ist sowohl in der Interaktion zwischen privatwirtschaftlichen Diensten und ihren Nutzenden als auch zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Behörden von Vorteil, da sie den Zugang zu digitalen Diensten auf einem hohen Sicherheitsniveau ermöglicht. Eines der wichtigsten Argumente für eine staatliche Identität ist, dass der Staat damit keine Gewinnabsichten verfolgt. Die Bereitstellung einer sicheren hoheitlichen Identität gehört ebenso zu den Infrastrukturleistungen wie das Bildungssystem, das Gesundheitswesen oder das Straßennetz.
Aufbauend auf einer sicheren hoheitlichen digitalen Identität können Mehrwertdienste durch den Private Sector entstehen. Gerade hier eröffnet die Digital Identity Wallet die Möglichkeit, mit weiteren Attributen Mehrwertdienste zu schaffen, die eine alltagsrelevante Nutzung nicht nur ermöglichen, sondern sehr wahrscheinlich machen. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat mit dem Diskussionspapier Beyond EU Digital Identity Wallet zu einem öffentlichen Diskurs eingeladen. Ziel ist es, die Bedürfnisse von Bürgerinnen und Bürgern, staatlichen und privatwirtschaftlichen Organisationen beim Aufbau einer Infrastruktur für digitale Identitäten in Deutschland zu berücksichtigen. Bis Ende Juni dieses Jahres konnten entsprechende Positionspapiere eingereicht werden. Bis Mitte Juli gab sich das BMI Zeit, diese auszuwerten und dann der Öffentlichkeit vorzustellen. Anschließend sollen die Positionspapiere mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Interessengruppen im Rahmen von Workshops zum Thema digitale ID-Brieftasche aufbereitet werden. Eine Präsentation der Ergebnisse ist für Ende November 2023 geplant.

Hartje Bruns ist verantwortlicher Director Products bei der Governikus GmbH & Co. KG.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Digitale Identität

Schwerin: Nutzerkonto wird auf BundID umgestellt

[22.11.2024] Da die MV-Nutzerkonten Ende Januar 2025 deaktiviert werden, sind Schwerinerinnen und Schweriner aufgerufen, eine Neuanmeldung mit der BundID vorzunehmen. mehr...

Rathaus Stadt Wiesbaden

Wiesbaden: Videoident stößt auf positives Echo

[31.10.2024] Wer sich in Wiesbaden an- oder ummelden will, kann dazu seit etwa einem Jahr ein Videoident-Verfahren nutzen. Der neue Service ist bereits in der Pilotphase auf großes Interesse gestoßen. mehr...

Darmstadt: Pilotprojekt zum digitalen Schülerausweis

[05.08.2024] Am Berufsschulzentrum Nord in Darmstadt wird im Rahmen eines einjährigen Pilotprojekts ein digitaler Schülerausweis auf dem Smartphone getestet. mehr...

Claus Hartherz

Interview: eID einfach und sicher prüfen

[22.07.2024] Zur Überprüfung digitaler Identitäten steht seit Kurzem die Open Digital Identity Solution (ODIS) des IT-Dienstleisters adesso zur Verfügung. Was die Lösung auszeichnet, erklärt Claus Hartherz, Business Development Executive Digitale Identitäten bei adesso, im Interview mit Kommune21. mehr...

eGovernment Monitor 2024 ermittelt im Vergleich zum Vorjahr einen substanziellen Anstieg an eID-Nutzenden.

eGovernment Monitor 2024: Immer mehr Menschen nutzen eID

[12.07.2024] In allen Bevölkerungsgruppen nutzen immer mehr Menschen die eID des Personalausweises. Das geht aus einer Vorabveröffentlichung des eGovernment Monitors 2024 hervor, bei der insbesondere die Nutzung und Akzeptanz staatlicher digitaler Identitäten ermittelt wurden. 
 mehr...

Aachen: Umstellung auf BundID

[01.07.2024] In Nordrhein-Westfalen tritt die vom Bundesinnenministerium betriebene BundID an Stelle des bisherigen landesspezifischen Nutzerkontos Servicekonto.NRW. Davon sind auch Kommunen betroffen. Aachen hat bereits umgestellt. mehr...

Mit der EUDI-Wallet digitale Dienste bequem nutzen.

eIDAS 2.0: Digitale Brieftasche

[24.06.2024] Mit der Novellierung der eIDAS-Verordnung treibt die EU die Digitalisierung weiter voran: Eine digitale Brieftasche, welche die elektronische Identität der Bürgerinnen und Bürger trägt, soll ab 2026 verfügbar sein. mehr...

Ceyoniq: Siegeln und Signieren mit FP Sign

[13.06.2024] Elektronisches Siegeln und Signieren soll bald auch mit der Informationsplattform Ceyoniq nscale möglich sein. Dazu will der Software-Anbieter den Technologie-Stack von FP Digital in seine Informationsplattform einbinden. mehr...

Willingen erprobte die eID-basierte digitale Kur- und Gästekarte.

Willingen: Innovation im Tourismus

[11.06.2024] In der Gemeinde Willingen im Sauerland wurde eine eID-basierte digitale Kur- und Gästekarte implementiert. Davon profitierten Gäste, Beherbergungsbetriebe und die Kommune selbst. mehr...

Behördliche Insignien wie Stempel und Klebesiegel gehören ins Bürokratiemuseum.

Kommentar: Mit Stempel und Siegel

[10.06.2024] Im Zentrum der Verwaltungsdigitalisierung muss der Online-Ausweis stehen, als Dreh- und Angelpunkt der Bürger-Behörden-Kommunikation. Seit 13 Jahren wird die Bedeutung des digitalen Dokuments heruntergespielt und seine Handhabung regelrecht konterkariert. mehr...

EUDI-Wallet: Smartphone wird zum Ausweis.

Digitale Identität: EUDI-Wallet und BundID

[05.06.2024] Die Integration von BundID und EUDI-Wallet kann für effiziente Verwaltungsprozesse sorgen. Die EUDI-Wallet wird aber nicht nur im behördlichen Bereich, sondern auch in anderen Sektoren an Bedeutung gewinnen. Eine Harmonisierung von eIDAS 2.0 und OZG 2.0 würde dieser Entwicklung Rechnung tragen und weitere Vorteile bieten. mehr...

Möglichkeiten für den selbstbestimmten

ekom21: Wie gelingt eine einfache Online-Anmeldung?

[03.06.2024] In einem BMWK-geförderten Projekt haben zahlreiche Beteiligte Anwendungen für mobiles digitales ID-Management erprobt. Der IT-Dienstleister ekom21 leitete das Teilprojekt rund um den Bereich kommunales Government. mehr...

Essen: Serviceportal nutzt BundID

[27.05.2024] Wer Online-Leistungen im Serviceportal der Stadt Essen nutzen möchte, muss sich dazu nun bei der BundID registrieren. mehr...

Die Einführung von Videoident-Verfahren soll Kölner Bürgerinnen und Bürgern bald einige Amtsbesuche ersparen.

Köln: Videoident statt Amtsbesuch

[25.04.2024] Die Stadt Köln hat den Einsatz eines videogestützten Identifikationsverfahrens zur Anmeldung von Eheschließungen sowie An- und Ummeldungen beschlossen. Vorbild für die Entscheidung war die Stadt Wiesbaden, die ein Videoidentifkationsverfahren erfolgreich nutzt. mehr...

In Bielefeld pilotiert nextgov iT die Umstellung des Verwaltungsportals auf die BundID.

Bielefeld: Umstellung auf BundID

[22.04.2024] In Nordrhein-Westfalen soll zur sicheren Identifizierung bei der Nutzung von Online-Diensten das vom Land betriebene Servicekonto.NRW noch in diesem Jahr von der BundID des BMI abgelöst werden. Nun vollzieht die Stadt Bielefeld bei ihrem Verwaltungsportal die Umstellung. mehr...