Bad OeynhausenDigitaler Kollege Colon
Erreichbarkeit rund um die Uhr, Steigerung der Servicequalität für die Bürgerinnen und Bürger, Entlastung der Mitarbeitenden und das Sammeln von Erfahrungen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) – all das waren Ziele der Stadt Bad Oeynhausen, die mit der Einführung eines KI-basierten Chatbots erreicht werden sollten. Mitte vergangenen Jahres haben sich die beiden Projektleitungen, Patrick Höwener und Julia Kleinert, intensiver mit den Themen KI und Chatbot beschäftigt. So wurde nach möglichen Anbietern recherchiert, Kriterien für die Vergabe festgelegt und ein Anbietervergleich durchgeführt. Im Herbst 2022 hat sich die Stadt unter anderem aufgrund der übersichtlichen und intuitiven Benutzeroberfläche im Back End für die Firma assono aus Schleswig-Holstein entschieden.
Für die beiden Projekt-Manager war schnell klar, dass als Pilotbereiche das Bürgerbüro und das Standesamt mit von der Partie sein sollten. Da Patrick Höwener im Sachgebiet Steuern im Bereich Finanzen tätig ist und als digitaler Lotse für diesen Bereich fungiert, sollte auch das Team Steuern von Anfang an eingebunden werden. Die Stadt hat daraufhin ein Projekt-Team gebildet, das neben den beiden Leitungen aus einem Kollegen des Bürgerbüros, einem Kollegen aus der IT und einer Kollegin aus dem Personalrat bestand. Im Dezember fand der erste gemeinsame Workshop des Projekt-Teams mit dem Team von assono statt, in dessen Rahmen die Beteiligten einen ersten groben Fahrplan entworfen und technische Voraussetzungen besprochen haben. Auch zum Avatar, also dem Aussehen des Chatbots, seiner Persönlichkeit und seinem Verhalten gegenüber den Nutzenden wurden bereits Ideen gesammelt.
Historische Figur aus der Stadtgeschichte
Das Design des Chat-Fensters sowie des Avatars wurde gemeinsam mit Bürgermeister Lars Bökenkröger festgelegt. Passend zum 175-jährigen Jubiläum von Bad Oeynhausen wurde eine historische Figur aus der Stadtgeschichte ausgewählt: Colon Sültemeyer, laut Gründungsmythos der Entdecker der ersten Solequelle der Stadt. Parallel wurden die häufigsten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger aus den drei Pilotbereichen gesammelt, aufbereitet und in das Dashboard des Chatbots eingepflegt. Durch die wöchentlichen Follow-ups, in denen sich das Team mit assono zum Beispiel über Fragen zum Training des Chatbots ausgetauscht hat, konnte das Projekt rasch umgesetzt werden. Seit dem 3. Mai 2023 (wir berichteten) können sich die Bürgerinnen und Bürger ihre Fragen in insgesamt 24 Sprachen von Colon beantworten lassen.
Formularfunktion und Serviceportal
Neben den bekannten Funktionen eines Chatbots bietet Colon auch eine Formularfunktion. Die Übertragung der Formulare erfolgt im Gegensatz zu einer E-Mail vollständig verschlüsselt und ist somit sicher. Wenn der Chatbot nicht direkt weiterhelfen kann, kann der Antragstellende das Anliegen im Formular erfassen und an die Verwaltung übermitteln. Eine Sachbearbeiterin oder ein Sachbearbeiter meldet sich dann zeitnah zurück. Diese so genannte Fallback-Funktion war dem Projekt-Team besonders wichtig. „Die Bürger sollen nur einmal die Initiative ergreifen müssen, um ihre Anliegen bei der Stadt zu adressieren“, sagt Patrick Höwener. Dadurch wird der Chatbot neben Telefon und E-Mail zu einem weiteren, vollwertigen Kontaktkanal zur Verwaltung.
Auch in das Serviceportal der Stadt, über das viele Dienstleistungen online erledigt werden können, ist der Chatbot eingebunden. Wenn eine Bürgerin oder ein Bürger beispielsweise den Service zur Änderung der Zahlweise der Grundsteuer nutzen möchte, öffnet sich unmittelbar der Colon mit dem entsprechenden Anliegen, die Daten können in das Formular eingegeben und übermittelt werden. Durch QR-Codes in diversen städtischen Schreiben oder Bescheiden macht die Verwaltung ebenfalls auf den neuen digitalen Kollegen aufmerksam.
Erweiterungen geplant
Dass Bad Oeynhausen mit der Einführung des Chatbots einen Nerv getroffen hat, zeigt sich nicht zuletzt in den Nutzerzahlen: In den ersten drei Monaten nach dem Go-live haben mehr als 2.200 Gespräche mit etwa 4.930 versandten Nachrichten stattgefunden. Neben der Hundesteueranmeldung wurde besonders oft nach der Terminvereinbarung und den Kosten einzelner Dienstleistungen gefragt. Für das Projekt-Team steht daher fest, dass möglichst schnell weitere Bereiche an den Colon angebunden werden sollen. Interessenten gibt es genug: Ordnungsamt, Stadtkasse und Wirtschaftsförderung haben bereits Bedarf signalisiert und stehen in den Startlöchern. Weitere Formulare für einfache Anträge sollen ebenfalls folgen.
Für 2024 plant das Team die Einführung einer KI-Suche. Wenn der Chatbot in den trainierten Anliegen keine Antwort auf die im Chat gestellte Frage findet, durchsucht er weitere Seiten, wie die Homepage der Stadt, der Stadtwerke oder auch des Kreises Minden-Lübbecke nach passenden Antworten und Informationen. Im Training war dem Team aufgefallen, dass Nutzende häufig Fragen zu Themengebieten stellen, für die die Stadtverwaltung nicht zuständig ist. Dazu zählen beispielsweise Fragen rund um die Müllentsorgung oder die Zulassung von Kraftfahrzeugen. Durch die KI-Suche soll der Bevölkerung schnell und einfach weitergeholfen werden, ganz gleich, welche Behörde oder Institution zuständig ist.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November 2023 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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