Mittwoch, 9. Oktober 2024

Digitale BarrierefreiheitVon Anfang an mitdenken

[07.12.2023] Im IT-Systemhaus der Bundesagentur für Arbeit (ITSYS) wurde eine Gesamtstrategie entwickelt, um die BA und all ihre IT-Dienstleistungen barrierefrei auszurichten. Das Thema soll bei der Software-Entwicklung stets von Anfang an mitgedacht werden.
IT-Systeme der BA sollen für alle Nutzergruppen zugänglich sein.

IT-Systeme der BA sollen für alle Nutzergruppen zugänglich sein.

(Bildquelle: Михаил Решетников/stock.adobe.com)

Als größte Dienstleisterin am deutschen Arbeitsmarkt sowie große Arbeitgeberin gestaltet die Bundesagentur für Arbeit (BA) den Prozess der Inklusion aktiv mit und trägt somit zur Verwirklichung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland bei. Das Ziel lautet, eine attraktive Arbeitgeberin für Menschen mit Behinderungen zu sein, bei der alle IT-Dienstleistungen uneingeschränkt für alle nutzbar sind.
Das IT-Systemhaus der BA (ITSYS) stellt als interner Dienstleister IT- und Kommunikationslösungen für Fachanwendungen zur Verfügung, beispielsweise für die Auszahlung des Arbeitslosengelds I, der Grundsicherung und des Kindergelds. Das ITSYS entwickelt und betreibt die Software der BA. Auf über 20.000 Servern und 180.000 vernetzten PCs laufen mehr als 100 eigene Software-Verfahren. Innerhalb des ITSYS wurde 2021 ein eigener Kompetenzbereich für die digitale Barrierefreiheit gegründet, um das Begutachtungsvorgehen auf die Anforderungen der BITV 2.0 (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) umzustellen. Zusätzlich wurden die Rahmenbedingungen neu definiert, damit die umsetzenden Einheiten des ITSYS eine bessere Orientierung hinsichtlich der Anforderungen an die Barrierefreiheit sowie einen kompetenten Ansprechpartner bei Fragen haben.

Richtlinie erarbeitet

Sowohl die im ITSYS selbst entwickelten Software-Verfahren als auch eingekaufte Lösungen unterliegen den rechtlichen Grundlagen für öffentliche Stellen. In Zusammenarbeit mit dem Digital-Dienstleister Telekom-MMS hat der Kompetenzbereich digitale Barrierefreiheit des ITSYS deshalb eine Richtlinie, die so genannte Barrierefreie UIE, erarbeitet und über die Website der Bundesüberwachungsstelle für Barrierefreiheit in der IT (BFIT) veröffentlicht. Ziel war es, die Kluft zwischen den gesetzlichen Anforderungen, Richtlinien, Normen und bestehenden Design Guides oder Styleguides zu schließen. Dieses BA-externe Engagement war enorm hilfreich, um eine bessere Vernetzung innerhalb der öffentlichen Stellen zu erzielen und über den Schulterschluss mit anderen öffentlichen Stellen die Durchsetzung der eigenen Anforderungen – insbesondere im Hinblick auf Software-Hersteller – zu erhöhen.

Alle relevanten Stakeholder einbinden

Damit digitale Teilhabe gelingt, ist es erforderlich, die relevanten Stakeholder einzubinden. Im Fall des ITSYS ist das zum Beispiel die Inklusionsbeauftragte des Hauses, Birgit Eiber. Sie hat mit ihrer Einheit über den so genannten Aktionsplan eine Gesamtstrategie entwickelt, um die BA und ihre Dienstleistungen barrierefrei auszurichten. Gemeinsam mit ihr versucht das ITSYS, die richtigen Impulse für die Organisation zu geben, insbesondere beim Thema Awareness. Auch die Entscheider, also zum Beispiel die Ebene CIO und CEO – in der BA in Personalunion durch Stefan Latuski vertreten –, verpflichten sich dem Thema und geben Rückendeckung, wenn es zum Beispiel um Eskalationen mit Herstellern geht. Darüber hinaus ist ein enger Austausch mit den Gremienvertretern der BA, also mit der Schwerbehindertenvertretung und Vertretern des Hauptpersonalrats, wertvoll.
Das Thema digitale Barrierefreiheit ist bedauerlicherweise bei weiten Teilen der Stakeholder und Umsetzer von IKT-Systemen noch immer negativ belegt. Das resultiert zum Teil daraus, dass in der Vergangenheit gute Umsetzungsideen nicht realisiert wurden, um die Vorgaben an die Barrierefreiheit einzuhalten. Zum anderen stieß man bei der Umsetzung schnell auf Unklarheiten, da bestehende Vorgaben viel Interpretationsspielraum ließen. Diese Unstimmigkeiten führten oft zu unterschiedlichen Auslegungen der bestehenden Vorgaben und spätestens bei der Abnahme von Artefakten oder ganzen IKT-Systemen zu Verärgerung – bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen.

Nicht zu spät an Barrierefreiheit denken

Mit Umsetzung und öffentlicher Verfügbarkeit der Richtlinie Barrierefreie UIE ist es nun gelungen, einige Lücken in den Veröffentlichungen zur Barrierefreiheit zu schließen. So sind in der EN 301 549 im Kapitel 11 die Anforderungen an Software nur ganz allgemein beschrieben und es bleibt unklar, wie UI-Elemente – das sind Elemente der grafischen Benutzeroberfläche, wie Schalter, Kontrollkästchen, Textfelder oder Fenster – konkret umgesetzt werden müssen, um den Anforderungen zu genügen. Dies ist nun exakt definiert. Darüber hinaus liegt mit KoliBri von ITZBund eine frei verfügbare Komponenten-Bibliothek für die Barrierefreiheit vor, die mit einfachen Mitteln an die eigenen Design-Vorgaben angepasst und sofort eingesetzt werden kann. Das spart Zeit und Geld, verbessert die Planbarkeit und vermeidet Pro­bleme am Ende von Projekten, wenn normalerweise erst damit begonnen wird, sich mit dem Thema digitale Barrierefreiheit zu befassen.
Das war auch eine der großen Erkenntnisse im Kompetenzbereich des ITSYS: An die Barrierefreiheit wird sehr häufig zu spät gedacht. Daraufhin wurde die Herangehensweise umgestellt, und der Kompetenzbereich digitale Barrierefreiheit versucht heute, die Entwicklungseinheiten des ITSYS möglichst von Anfang an zu beraten und zu coachen. Dazu wurde eine neue Rolle definiert und pilotiert, die so genannte Entwicklungsbegleitung. Dabei handelt es sich um eine Person mit ausgewiesenem Expertenwissen zur Barrierefreiheit. Die Rolle ist direkt in den agilen Entwicklungsteams angesiedelt und berät bei Architekturentscheidungen, testet einzelne Artefakte oder Module während der Entwicklungsphase auf die Anforderungen an die Barrierefreiheit und berichtet dem Management zum Status der Barrierefreiheit der jeweiligen IT-Systeme. Noch wird die Rolle hauptsächlich von externen Dienstleistern ausgeübt. Aktuell wird jedoch eine Qualifizierungsmaßnahme entwickelt, um darüber ab Mitte 2024 internes Personal schulen zu können und dann künftig die Entwicklungsbegleitung mit eigenen Fachleuten zu besetzen.

Nicht zu verachtender Wettbewerbsvorteil

Als wirkungsvoll hat sich der umgestellte Begutachtungsprozess mit dem so genannten Maßnahmenplan erwiesen. Dieser wird zwischen den Entwicklungsteams der IT-Systeme und dem Kompetenzbereich der digitalen Barrierefreiheit abgestimmt, wenn die Begutachtung nach BITV 2.0 Auffälligkeiten, also leichte Verstöße gegen die Anforderungen an die Barrierefreiheit ergeben hat. Darin werden alle Auffälligkeiten festgehalten, priorisiert und mit einem festen Umsetzungsdatum versehen. Ist dieses erreicht, wird automatisch eine Bearbeitungsaufforderung generiert und die Kolleginnen und Kollegen der digitalen Barrierefreiheit können bezüglich des Umsetzungsstatus der jeweiligen Maßnahme nachfragen.
Digitale Barrierefreiheit verbunden mit Gebrauchstauglichkeit sind eindeutige Qualitätskennzeichen für gute Software und erleichtern allen Nutzergruppen, mit und ohne Einschränkungen, den Zugang zu den IT-Systemen. In Zeiten eines wachsenden Fachkräftemangels ist das ein nicht zu verachtender Wettbewerbsvorteil, wenn man bedenkt, dass mehr als zehn Prozent aller Bundesbürger eine Schwerbehinderung haben.

Markus Brand ist Leiter des Kompetenzbereichs Digitale Barrierefreiheit beim IT-Systemhaus der Bundesagentur für Arbeit.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: CMS | Portale
Screenshot der Website von OWL-IT

OWL-IT: Neuer Internetauftritt

[04.10.2024] Der ostwestfälische Zweckverband OWL-IT, der sich am Jahresanfang aus drei bestehenden IT-Dienstleistern konstituiert hat, verfügt nun auch über einen neuen Internetauftritt. Dieser präsentiert nicht nur die Produkte und Services von OWL-IT, sondern bietet auch Kundensupport und Karriereinformationen. mehr...

Als digitaler Alltagsbegleiter zeigt die smarT:app der Stadt Troisdorf unter anderem alle Mobilitätsangebote auf einen Blick an.

Troisdorf: Guter Start für die smarT:app

[09.09.2024] Mit der smarT:app stellt Troisdorf den Bürgerinnen und Bürgern einen digitalen Alltagsbegleiter zur Verfügung. Vom Mängelmelder über das Beteiligungsportal bis hin zum KI-Chatbot, Abfallkalender oder der integrierten Mobilitätskarte sind viele Funktionen integriert, weshalb sie bei den Bürgern gut ankommt. mehr...

Die neue offizielle Stadt-App soll Einbeck und die umliegenden Ortschaften näher zusammenbringen.

EinbeckGO: App für die Stadt und alle Ortschaften

[04.09.2024] Eine neue offizielle Stadt-App bietet jetzt Einbeck an. EinbeckGO gewährt nicht nur Zutritt zum digitalen Rathaus. Als zentrale Kommunikationsplattform informiert die App auch über Veranstaltungstermine und lokale Nachrichten und soll die Stadt und die umliegenden Ortschaften näher zusammenbringen. mehr...

Die Stadt Wiesbaden hat jetzt die Kita-App KidsFox eingeführt.

Wiesbaden: Neue Kita-App eingeführt

[04.09.2024] In der Stadt Wiesbaden soll mit der neuen Kita-App KidsFox die Kommunikation zwischen Eltern und Erziehern effizienter und barrierefreier gestaltet werden. Die App ermöglicht nicht nur die Verwaltung von Terminen und Ankündigungen, sondern auch eine automatische Übersetzung in 27 Sprachen. mehr...

Neues Portal UNITED.nrw des Kreises Unna bündelt Themen und Angebote rund um die Berufsorientierung.

Kreis Unna: Portal zur Berufsorientierung

[30.08.2024] Mit UNITED.nrw ist im Kreis Unna zu Beginn des neuen Schuljahres ein neues Portal zur Berufsorientierung freigeschaltet worden. Das Portal bündelt nach Angaben der Kreisverwaltung Infos, die zuvor an vielen verschiedenen Stellen zu finden waren.  mehr...

Über die Orts-App bleiben Gemeinde

Kollig: Orts-App verbindet

[30.08.2024] Als zentrale Kommunikationsplattform verbindet die Orts-App in Kollig Gemeinde, Bürger, Vereine und ehrenamtlich Engagierte. Mit ihr können sich auch jene Bürgerinnen und Bürger identifizieren, die Social Media fernbleiben. Entsprechend groß ist die Reichweite der App vor Ort. mehr...

Die neue White-Label-App FRED soll Kommunen bei der digitalen Transformation unterstützen.

Fabrik19/Chamaeleon: Neue App vorgestellt

[28.08.2024] Die neue White-Label-App FRED, entwickelt von der Fabrik19 und Chamaeleon, soll Kommunen bei der digitalen Transformation unterstützen. Die flexibel anpassbare App bietet eine Vielzahl an Funktionen und ist ab sofort erhältlich. mehr...

Die in Schleswig-Holstein gelegene Gemeinde Brodersby-Goltoft nutzt eine eigens entwickelte Bürger-App

Brodersby-Goltoft: Bürger-App löst Infrastrukturproblem

[27.08.2024] In Brodersby-Goltoft spielt eine neu entwickelte Bürger-App eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Infrastrukturproblemen. Nachdem eine neu eingeführte Fähre aufgrund eines Planungsfehlers nicht einsatzbereit war, half die App dabei, die Gemeinde zu organisieren und die alte Fähre wieder in Betrieb zu nehmen. mehr...

Die Mobilitätsplattform KL Navi ist am 14. August in die Testphase gestartet und lädt die Bevölkerung von Kaiserslautern ein

Kaiserslautern: Testphase für KL Navi gestartet

[20.08.2024] Die neue Mobilitätsplattform KL Navi befindet sich ab sofort in der Testphase und bietet den Bürgerinnen und Bürgern von Kaiserslautern die Möglichkeit, ihre Routen individuell und barrierefrei zu planen. Die Entwickler rufen zur aktiven Teilnahme und zum Feedback auf, um die Plattform weiter zu verbessern. mehr...

Die St. Bonifatius Kirche in Wiesbaden ist als kühler Ort zugänglich außerhalb von Gottesdienstzeiten.

Wiesbaden: Karte zeigt kühle Orte

[15.08.2024] Eine neue elektronische Karte zeigt die kühlen Orte in Wiesbaden, an denen sich die Bevölkerung während Hitzewellen Abkühlung verschaffen kann. Die interaktive Karte enthält zahlreiche Details und wird regelmäßig aktualisiert. mehr...

Screenshot der Startseite von augsburg.de: Die Navigation

Augsburg: Besserer Zugang zur Stadtwebsite

[07.08.2024] Das städtische Onlineportal augsburg.de ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und bietet auf mehr als 10.000 Unterseiten unzählige Informationen und Serviceleistungen. Jetzt wurde die Website vollständig überarbeitet, um den Zugang zu erleichtern. mehr...

Testen die Seite des städtischen Kommunalportals: Manuela Köhler (vorne)

Meckenheim: Kommunalportal hochgefahren

[30.07.2024] Einen einfachen Zugang zu kommunalen Dienstleistungen bietet jetzt das neue Kommunalportal der Stadt Meckenheim. mehr...

KatHelfer-PRO wird erstmals in der Praxis erprobt.

Katastrophenhilfe: Plattform im Praxistest

[26.07.2024] Die von einem Konsortium zahlreicher Partner entwickelte Plattform KatHelfer-PRO soll künftig im Katastrophenschutz Hilfesuchende und Freiwillige zusammenbringen. Im Praxistest konnten jetzt Erkenntnisse für die Weiterentwicklung gewonnen werden. mehr...

Anliegenkarte im neuen Mängelmelder der Stadt Donauwörth.

Donauwörth: Mängelmelder am Start

[25.07.2024] Über den neuen Mängelmelder der Stadt Donauwörth kann die Verwaltung nun auch von unterwegs aus auf Schlaglöcher, Müll oder defekte Spielgeräte aufmerksam gemacht werden. mehr...

Niedersächsische Kreise puzzeln gemeinsam an der Umsetzung des OZG.

Niedersachsen: OZG gemeinsam umsetzen

[22.07.2024] Die interkommunale Zusammenarbeit bietet bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes große Potenziale, ist aber auch mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Das zeigen die Erfahrungen der Landkreise Celle, Diepholz, Harburg, Osnabrück und Wolfenbüttel. mehr...