PersonalwesenQuerwechseln leicht gemacht
Die Verwaltung wird von außen oft als eigene Welt wahrgenommen. Selten bestehen Kontakte zu Wirtschaft oder Zivilgesellschaft, noch seltener wird mit ihnen zusammengearbeitet. In der Regel wissen die einzelnen Sektoren nicht viel voneinander. In den vergangenen Jahren wurde das zunehmend als Problem empfunden, zumal die Wirtschaft insbesondere im Bereich der Digitalisierung einen scheinbar uneinholbaren Vorsprung gewonnen hat. Die Idee, Expertenwissen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft für die Verwaltung fruchtbar zu machen, liegt deshalb nahe.
Das gemeinnützige Unternehmen Lokalprojekte aus dem niedersächsischen Hatten verfolgt diese Idee und tritt als Vermittlungsinstanz auf. „Wir finden Menschen aus der Privatwirtschaft oder Zivilgesellschaft und schicken sie für ein halbes Jahr in Kommunen, um dort vor Ort ein Problem zu lösen“, erklärt Geschäftsführerin Christine Prokop. „In der Regel geschieht das in Form eines Projekts, das sie mit ihrem Expertenwissen unterstützen. Wenn das Problem zufriedenstellend gelöst ist, ist das Projekt zu Ende.“
Hackathon als Initialzündung
Die Idee zur Gründung von Lokalprojekte entstand während der Corona-Pandemie im März 2021, als die Bundesregierung unter dem Motto „Update Deutschland“ einen Hackathon veranstaltete. 330 Teams mit 4.400 Teilnehmenden aus ganz Deutschland arbeiteten vier Monate lang mit Bund, Ländern und Kommunen zusammen und entwickelten digitale Lösungen für die Gesellschaft – darunter waren auch die Gründerinnen von Lokalprojekte. Die Erfahrungen aus dem Hackathon werden als Open Social Innovation beschrieben. Im Abschlussbericht heißt es: „Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen – wie die Corona- oder die Klimakrise – führen uns deutlich vor Augen, dass die bestehenden Strukturen und Prozesse in der öffentlichen Verwaltung und in anderen gesellschaftlichen Sektoren unzureichend sind, um dringliche gesellschaftliche Probleme zu lösen.“
Und die gibt es zuhauf. Beispiel: Integration. Hier beteiligt sich Lokalprojekte an einem Förderschwerpunkt der Robert Bosch Stiftung, der sich mit Einwanderung befasst. Beim Projekt „Integrationsmacher:innen“ werden Experten in fünf Kommunen geschickt, um an sozial und digital innovativen Projekten im Bereich Integration mitzuwirken. So entsteht etwa in der Hansestadt Stralsund eine interaktive Stadtkarte zur Integration, die Menschen mit Migrationshintergrund bei Beratungsangelegenheiten zur Verfügung steht. In Kalletal (Nordrhein-Westfalen) wird eine Onboarding-App entwickelt, die Migranten und Geflüchteten mit geringen deutschen Sprachkenntnissen bei Behördengängen hilft. Im Burgenlandkreis entsteht ebenfalls eine Onboarding-App, die alle an der Integrationsarbeit beteiligten Stakeholder im Kreis vernetzt. Die Stadt Torgau in Sachsen hat ihre Website im Bereich Integration mehrsprachig und barrierefrei umgewandelt. Und im baden-württembergischen Pforzheim wird am Aufbau eines Prozess- und Dokumenten-Management-Systems sowie an der Prozessoptimierung in der Abteilung Migration und Flüchtlinge gearbeitet.
Nicht nur Qualifikation
„Wir schauen uns erst zusammen mit der Kommune das Problem an und besprechen dann, wie die Lösung genau aussehen soll und welche Wirkungsziele erreicht werden sollen“, sagt Christine Prokop. Auf dieser Basis entsteht ein Kompetenzprofil, das sich häufig deutlich von den Rekrutierungsmaßnahmen im öffentlichen Dienst unterscheidet. Während dort meist rein auf Qualifikation gesetzt wird, sind für Lokalprojekte ebenso Methodenwissen und Soft Skills wichtig. Beim Welcome-Portal für Geflüchtete in Kalletal stand beispielsweise die Nutzerzufriedenheit im Vordergrund. Es sollte eine Anwendung entstehen, die von den betroffenen Menschen wirklich angenommen und angewendet wird. Insofern lag der Fokus auf User Experience, wofür eine junge UX-Designerin gefunden wurde, die gerade ihre Ausbildung beendet hatte und mit den neuesten Design-Sprint-Methoden vertraut war.
Ein weiteres Beispiel: Als in der hessischen Kreisstadt Eschwege die elektronische Akte eingeführt werden sollte, hatte sich der Gemeinderat bereits für eine gängige Marktlösung entschieden. Als Lokalprojekte dann eine Programmiererin mit 25-jähriger Berufserfahrung in die Gemeinde schickte, hatte diese zunächst den Ist-Zustand in den Blick genommen und sich sowohl mit den anderen Software-Programmen als auch den Schnittstellen vertraut gemacht. Am Ende entschied man sich für ein ganz anderes Produkt, dessen Anpassung an die bestehende IT viel einfacher war. Der Clou: Die Gemeinde beschloss zudem, die Software-Spezialistin als Digitalisierungsbeauftragte fest einzustellen.
Bei der Expertenakquise greift Lokalprojekte auf eigene Netzwerke, Talentpools, Stellenanzeigen, die Direktansprache und Berufsnetzwerke wie Xing und LinkedIn zurück. Bisweilen werden Menschen angesprochen und involviert, die am Ende ihres Berufslebens stehen, bald in Rente gehen und Wert darauf legen, eine sinnstiftende und gemeinnützige Rolle zu übernehmen. Den Expertinnen und Experten wird in den Kommunen jeweils ein Pate an die Seite gestellt, der mit den Abläufen in der jeweiligen Verwaltung vertraut ist und alle Dienstwege und Abkürzungen kennt, sodass die Projekte möglichst reibungslos vorankommen.
Paten helfen beim Onboarding
Ein Patensystem spielt auch bei einem weiteren Aktionsbereich von Lokalprojekte eine Rolle, dem Onboarding. Verwaltungen werden darin unterstützt, neuen und verwaltungsfremden Mitarbeitenden bei ihrem Einstieg behilflich zu sein. In Kommunalverwaltungen sind viele Menschen beschäftigt, die keine Verwaltungsausbildung absolviert haben, sondern eine Fachausbildung, beispielsweise Beschäftigte im sozialen Bereich, Ingenieure im Baudezernat oder die Mitarbeiter im Gebäude-Management. Um sie mit den Gepflogenheiten einer Verwaltung vertraut zu machen, hat Lokalprojekte ein strukturiertes Onboarding-Programm organisiert. Dabei werden die neuen Querwechsler parallel zu ihrer Tätigkeit darin unterstützt, sich in den verzweigten Strukturen einer Verwaltung zurechtzufinden. „Die neuen Mitarbeitenden müssen das bürokratische System erst verstehen lernen, um sich darin effektiv bewegen zu können“, erläutert Christine Prokop. „Wenn kein vernünftiges Onboarding stattfindet, entstehen schnell Reibungsverluste und Innovationspotenzial geht verloren.“
Kommunalverwaltungen sind meist eng mit der politischen Ebene verknüpft und die neuen Mitarbeitenden müssen erst die Art und Weise verstehen, wie mit politischen Entscheidungsträgern kommuniziert wird. Dabei stehen ihnen die „alten Hasen“ mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung zur Seite. „Gutes Onboarding ist ein starkes Signal von Kommunen, um neue Mitarbeiter zu finden und zu binden“, sagt Christine Prokop. „Denn Netzwerke und soziale Bindung sind enorm wichtig, um neue Mitarbeiter auch zu halten. Zugleich positioniert sich die Kommune als attraktiver Arbeitgeber.“
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar 2024 von Kommune21 im Schwerpunkt Personalwesen erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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