Round TableKI als Game Changer
Mit welchen Projekten haben Sie am Innovationspreis teilgenommen und was wollten Sie erreichen?
Harald Rappitsch (Klagenfurt): Für den Innovationspreis haben wir zwei Projekte eingereicht. Zum einen ging es um das Thema Webkasse, also bargeldloses Bezahlen, zum anderen um die Automatisierung der Verwaltung beziehungsweise der automatischen Jobsteuerung.
Michael Stark (Klagenfurt): Bei unserem Projekt zur Automatisierung der Verwaltung ging es zunächst um die Verarbeitung von Bankbelegen. Diese werden mit einer anderen Software abgeholt und dann mit der Axians-Infoma-Lösung weiterverarbeitet. Der Grund für das Projekt war, dass wir verhindern wollten, dass die Belege manipuliert werden können. Genau das haben wir mit der automatisierten Jobverarbeitung erreicht. So konnten wir Sicherheitsrisiken minimieren, die Effizienz der Abläufe steigern und die Prozesse automatisieren.
Simon Pointner (Klagenfurt): Mit dem Projekt Webkasse wollten wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Klagenfurt eine bessere Oberfläche bieten, die benutzerfreundlich gestaltet und einfach zu bedienen ist. Außerdem sollten die Zahlungsvorgänge besser dokumentiert und nachvollzogen werden können.
Miriam Mikus (Detmold): Wir wollen in Detmold eine nachhaltige Finanzsteuerung erreichen, die sich an den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen orientiert. Denn in Zeiten knapper Kassen wird es immer wichtiger, gute Steuerungsinstrumente zu haben, um die Ziele zu erreichen, die wir uns gesetzt haben. Und die sind in Detmold vor allem in unserer Nachhaltigkeitsstrategie formuliert, welche der Umsetzung der Ziele der Vereinten Nationen auf lokaler Ebene dient.
Jette Cuypers (Detmold): Im Projekt haben wir unseren klassischen Produkthaushalt mit den Themenfeldern aus unserer Nachhaltigkeitsstrategie verknüpft. Es gibt jetzt sogar zwei verschiedene Versionen des Detmolder Nachhaltigkeitshaushalts. Die erste Version bleibt bei einer Produktzuordnung eins-zu-eins und damit bei der klassischen Fachbereichsstruktur. Die Produkte wurden mit den Themenfeldern unserer Nachhaltigkeitsstrategie und den dazugehörigen SDGs verknüpft. In der zweiten Version haben wir dann die klassische Fachbereichsstruktur verlassen und haben eine kontenscharfe Zuordnung zu den Themenfeldern unserer Nachhaltigkeitsstrategie vorgenommen. Daraus ergeben sich Budgets, die aus unterschiedlichsten Anteilen von Produkten aus verschiedenen Fachbereichen zusammengesetzt sind. Diese Globalbudgets ermöglichen uns eine sehr viel genauere Budgetbetrachtung bezogen auf unsere Nachhaltigkeitsthemen.
Jessica Müller (Monheim): In unserem Projekt ging es um die Optimierung der Abgleichquote von Bankbelegen. Wir wollten die Trefferquote bei der Zuordnung des Verwendungszwecks erhöhen und damit den manuellen Nachbearbeitungsaufwand reduzieren.
Andreas Nolte (Monheim): Ich möchte noch ergänzen, dass die Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Fragen des Datenschutzes viel Zeit in Anspruch genommen haben.
Herr Wiertelak, Sie haben das Projekt in Detmold begleitet. Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere daran?
Thomas Wiertelak (IKVS): Das Besondere an dem Projekt ist, dass die Stadt Detmold als erste Kommune bundesweit den kompletten Haushalt den Nachhaltigkeitszielen zugeordnet hat. In diesem Umfang – dass sowohl Kostenträger als auch Einzelkonten den SDGs zugeordnet wurden – hat das noch keine Kommune bundesweit gemacht. Rein technisch bedeutet das Thema Nachhaltigkeit nur eine zusätzliche Sicht auf die Finanzdaten neben der normalen Produktsicht. Durch den Einsatz von KI können wir bei IKVS eine Automatisierung der Zuordnung erreichen, sodass die Finanzdaten automatisch den Nachhaltigkeitsbereichen zugeordnet werden.
Herr Professor Weiß, wie hat sich das Thema digitaler Wandel aus Ihrer Sicht entwickelt?
Jens Weiß (Hochschule Harz): Ich sehe auf jeden Fall Fortschritte. Ich glaube, dass die Phase, in der wir uns jetzt befinden, von den Erfahrungen der Pandemie geprägt ist. Corona hat in den meisten Kommunen einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Videokonferenzen sind selbstverständlich geworden, viele Gemeinden haben ihre Gemeinderatssitzungen online abgehalten, und natürlich hat man gemerkt, dass es möglich ist, von zu Hause aus zu arbeiten. Und ich glaube auch, dass es insgesamt einen Impuls gegeben hat für die Frage, wie man Digitalisierung sieht. Man hat verstanden, dass es nicht reicht, Schnittstellen zu den Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen und dann Formulare auszudrucken und durch das Rathaus zu tragen. Die erzwungene Digitalisierung in der Pandemie hat aber auch gezeigt, dass kleinere Kommunen erheblich größere Probleme haben, einfach weil sie kaum oder gar nicht über Personal mit entsprechendem Fachwissen verfügen.
Herr Schmelzeisen, Herr Schanz, wie ist Ihr Blick auf den digitalen Wandel, kommen wir voran?
Holger Schmelzeisen (Axians Infoma): Wir sehen ein deutlich gestiegenes Interesse der Kommunen an Themen wie digitale Akte, Rechnungs- und Bestell-Workflow oder digitale Freigabeprozesse. Unsere Kernkompetenz sind die finanznahen Prozesse. Wir versuchen derzeit, diese Prozesse nicht nur in Silos zu denken, sondern von Anfang bis Ende. Professor Weiß hat gerade gesagt, dass oft noch Papier ausgedruckt wird. Unser Anspruch ist, die gesamte Prozesskette zu digitalisieren, etwa den Prozess Hundesteuer – von der Online-Anmeldung des Hundes durch den Bürger über die Veranlagung der Hundesteuer in der Verwaltung bis hin zur Online-Bescheidzustellung. Vervollständigt wird der Prozess durch Online-Bezahlmöglichkeiten durch den Bürger.
Steffen Schanz (Axians Infoma): Ich kann nur bestätigen, dass die Pandemie einen enormen Schub in Richtung Digitalisierung gegeben hat. Früher ging es in den Projekten oft um Transparenz, um Finanzprognosen für die Steuerung. Heute beschäftigen wir uns verstärkt mit den Arbeitsabläufen, es geht viel mehr um Prozesseffizienz. Ein gutes Beispiel ist das Projekt der Stadt Monheim. Hier werden Kontoauszüge importiert und wenn der Verwendungszweck richtig ist, liegt die Trefferquote bei 80 Prozent. Es bleibt also ein Rest von 20 Prozent, der manuell bearbeitet werden muss. Und genau diese Lücke haben wir jetzt geschlossen. Durch den Einsatz von KI-basierten, selbstlernenden Systemen wurde die Zuordnung von Woche zu Woche besser. Die manuelle Bearbeitung wurde entsprechend reduziert. In vielen Projekten geht es heute also um Arbeitseffizienz. Jetzt kommen KI-Systeme dazu, das wird der Game Changer sein.
Herr Sarnitz, Österreich ist Deutschland etwas voraus bei der Verwaltungsdigitalisierung. Wo liegen die Unterschiede, ist Österreich besser?
Gerd Sarnitz (Axians Infoma): In Österreich gibt es verschiedenste Verwaltungsportale, die allesamt zentralen Registerzugriff und einfache Anmeldemöglichkeiten bieten, weil das Thema digitale Identität von Anfang an mitgedacht wurde. Heute steht mit der ID Austria jedem Österreicher ein einheitliches System zur Verfügung. Damit kann man sich bei Portalen anmelden, die alle miteinander kompatibel sind. Darüber hinaus gibt es in Österreich ein Melderegister, ein Personenstandsregister und ein Firmenbuch mit zentraler Datenhaltung. Jede österreichische Gemeinde greift auf diese Daten zu und aktualisiert sie automatisch. Das heißt, wir haben eine höhere Datenqualität. Das ist ein unschätzbarer Vorteil.
Das Thema Registermodernisierung wird bei uns ja auch angegangen. Experten schätzen, dass es im Jahr 2038 soweit sein wird. Kann KI hier helfen?
Weiß (Hochschule Harz): Der Einsatz von KI zur Registermodernisierung scheint mir noch etwas voraussetzungsvoll. Aber wenn man sich die Standardaufgaben einer Kommune anschaut, kann man sich natürlich schon vorstellen, dass KI hier den Aufwand massiv reduzieren kann. Die Frage ist nur, wie lange wir brauchen, bis es soweit ist. Man sieht jetzt wieder, dass sich knapp 5.500 Kommunen auf den Weg machen und sich jede ihren eigenen Chatbot bauen lässt. Dann haben wir das gleiche Problem, das wir eigentlich schon seit 15 Jahren beobachten. Sinnvoller wäre eine gewisse Zentralisierung bei solchen Projekten. Bisher war es aber so, dass man einfach vor den föderalen Strukturen kapituliert hat. Dabei sind die Kommunen mittlerweile durchaus für standardisierte Lösungen zu gewinnen.
Herr Schanz, welche Rolle spielt KI in den Lösungen von Axians Infoma?
Schanz (Axians Infoma): Wir sehen immer noch eine gewisse Zurückhaltung der Kunden beim Thema KI. Hier muss noch Aufklärungsarbeit geleistet werden. In unserer Software nutzen wir Funktionen des maschinellen Lernens, also KI, die im täglichen Arbeiten großen Nutzen stiften. Konkret setzen wir KI in der Rechnungsbearbeitung ein. Bei wiederkehrenden Rechnungen möchte man nicht jeden Monat das Gleiche buchen. Jetzt werden wir das Tempo etwas erhöhen. Die generischen KI-Modelle werden auch Teil unserer Software werden. Da geht es dann um die Analyse und automatische Prüfung von Jahresabschlüssen.
Ich würde gerne die Diskussion über KI in Richtung der kommunalen Seite öffnen. Haben Sie große Erwartungen oder sehen Sie eher Gefahren?
Nolte (Monheim): Wir haben den digitalen Rechnungsworkflow von Axians Infoma im Einsatz und ich kann mir schon vorstellen, dass eine KI-Lösung bei der Zuordnung von Belegen hilfreich sein kann. Man muss aber immer prüfen, ob alles korrekt ist. Gerade von ChatGPT hört man die tollsten Dinge.
Müller (Monheim): Ich sehe es als Chance, weil es letztlich die menschliche Arbeitskraft unterstützen kann. Man muss natürlich vorsichtig sein, aber grundsätzlich sehe ich es positiv, wenn KI hilft, unsere Prozesse zu verbessern.
Mikus (Detmold): Ich sehe KI auch als Chance. Natürlich gibt es vor dem Einsatz von KI aber auch bei uns, wie in vielen Kommunen, noch einiges zu tun. Ich denke, wir brauchen zunächst ein konsequentes Daten-Management, bevor wir die Vorteile einer KI-Lösung voll ausschöpfen können. Detmold ist als Modellkommune im Rahmen der Smart-Cities-Förderung dabei, ein solches Daten-Management aufzubauen. Wir haben hier ein großes Potenzial für KI, zum Beispiel bei der Analyse von Verkehrsdaten und bei den daran anknüpfenden Lösungen. Ich glaube nicht, dass KI den Menschen ersetzen wird, und das ist auch gut so. In bestimmten Bereichen sollte KI nicht eingesetzt werden. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass wir einen Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin durch einen Roboter ersetzen.
Rappitsch (Klagenfurt): Wir haben ebenfalls einen optimistischen Ansatz und sehen KI definitiv als Chance. Denn wir sind nicht nur Anwendungsbetreuer, sondern programmieren auch. Der Einsatz von KI in der Programmierung hat einen großen Nutzen. Außerdem haben wir auch den erwähnten Rechnungsworkflow von Axians Infoma im Einsatz, und der ist sehr lernfähig. Aber man muss natürlich aufpassen. Für mich steht der Mensch definitiv über der KI und der Mensch wird nicht durch die KI ersetzt.
Stark (Klagenfurt): Ich kann bestätigen, dass der Einsatz von KI in der Anwendungsprogrammierung sehr viel Potenzial hat. Hier besteht sogar die Gefahr, dass bestimmte Arbeitsbereiche definitiv durch KI ersetzt werden und wegfallen.
Zurück zu den Projekten. Wie ist es gelungen, alle Beteiligten, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überzeugen, dabei zu sein?
Rappitsch (Klagenfurt): Wir mussten vor allem die Mitarbeiter der Gebührenabrechnung und der Kasse selbst mit ins Boot holen. Wobei wir den Vorteil haben, dass wir sehr engagierte Mitarbeiter haben. Die sind auf uns zugekommen und haben gesagt, was sie sich wünschen, wo es Verbesserungsvorschläge gibt.
Mikus (Detmold): Uns kommt zugute, dass wir bereits ein Kern-Team für die Strategieentwicklung etabliert haben. Im Kern-Team ist aus jedem Fachbereich ein Mitarbeiter vertreten und das Kern-Team ist auch Teil der Steuerungsgruppe, mit der wir unsere Strategie entwickelt haben und fortschreiben. Ergänzend haben wir viele Gespräche geführt, sind durchgegangen, was für die Fachbereiche relevant ist, welche Rolle sie bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie spielen, insbesondere im Rahmen der Haushaltsgespräche. Bis alle Kolleginnen und Kollegen wirklich mitgenommen sind, müssen wir aber noch einiges tun.
Frau Müller, welche Erfahrungen haben Sie in Monheim gemacht? Gibt es noch die klassischen Bremser?
Müller (Monheim): Die Bremser gibt es noch. Aber nicht in unserem Projekt. Wir konnten das Vorhaben gut erklären, die Leute mitnehmen und sagen, was kommt als Output hinten raus und was ist überhaupt der Input, den wir leisten müssen? Die Leute haben gesehen, dass es gar nicht so viel Input ist und sehr viel Output. So wurde klar, dass mit relativ wenig Aufwand sehr viel Zeit gespart werden kann.
Was passiert als nächstes, welche Projekte haben Sie in der Pipeline?
Rappitsch (Klagenfurt): Wir in Klagenfurt wollen bürgernäher werden. Wir planen die Einführung eines Bürgerportals. Ziel ist es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger dort alle wesentlichen Informationen, die sie betreffen, abholen können. Wir werden auch unsere duale Zustellung ausbauen, um die Bürgerinnen und Bürger elektronisch besser erreichen zu können.
Müller (Monheim): Wir haben seit Jahren den kreditorischen Rechnungsworkflow von Axians Infoma im Einsatz und wollen diesen nun auf den debitorischen Rechnungsworkflow ausweiten. Alle Abteilungen, die tatsächlich noch Papierrechnungen erstellen, sollen eingebunden werden. Wir wollen weg von Excel-Tabellen und irgendwelchen Vorlagen und die Arbeit intelligenter und insgesamt integrativer gestalten.
Nolte (Monheim): In der Zusammenarbeit mit Axians Infoma haben wir noch einige neuere Dinge in der Pipeline. Wir waren zum Beispiel Vorreiter bei der Digitalisierung des Bauhofs und wollen daran anknüpfen und die Auftragsvergabe an den Bauhof digitalisieren. Da sind wir schon in der Testphase. Aufträge können dann mit der App am Tablet vergeben werden, Papierformulare werden überflüssig.
Herr Professor Weiß, wie geht es weiter mit der Verwaltungsdigitalisierung?
Weiß (Hochschule Harz): Wir sollten in Deutschland von dem negativen Diskurs wegkommen. Wir haben rund 5.500 eigenständige Verwaltungen und die sind oft sehr klein. Die meisten Kommunen haben mittlerweile verstanden, dass sie ohne Kooperation mit anderen und ohne Zusammenarbeit mit leistungsfähigen kommunalen IT-Dienstleistern nicht weiterkommen. Bund und Länder müssen jetzt sinnvolle Standards definieren. Und die Kommunen müssen ihre IT-Infrastruktur konsolidieren und diese Standards dann für die Digitalisierung nutzen.
Herr Schmelzeisen, wie sieht Ihre Sicht auf die Verwaltung der Zukunft aus?
Schmelzeisen (Axians Infoma): Die Digitalisierung und Automatisierung wird auch in den Kommunen stets an Bedeutung gewinnen. Allein der Fachkräftemangel in den Kommunen wird dazu führen. Wir müssen mit unseren Software-Lösungen dafür sorgen, dass die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter von Routinetätigkeiten weitestgehend entlastet werden, gerne auch mit Unterstützung von KI.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Februar 2024 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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