Mittwoch, 27. November 2024

Smart CitySpielregeln definieren

[14.03.2024] Digitale Lösungen für die Transformation der Kommunen hin zu Smart Cities lassen sich nicht allein aus dem öffentlichen Sektor heraus entwickeln. Vielmehr gilt es, verstärkt auf Marktlösungen zu setzen – hierfür aber klare Vorgaben zu formulieren.
Die Politik muss Spielfeld und Regeln für digitale Marktlösungen bestimmen.

Die Politik muss Spielfeld und Regeln für digitale Marktlösungen bestimmen.

(Bildquelle: Andrey Popov/stock.adobe.com)

Weitgehend Einigkeit besteht heutzutage darüber, dass Smart Cities und Smart Regions, also die Transformation von Städten, Gemeinden und Kreisen hin zu intelligent vernetzten Städten und Regionen, eine entscheidende Zukunftsfrage für Lebens- und Standortqualität sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gelingt es bisher allerdings kaum, umfassende Smart-City-Vorhaben in den Kommunen umzusetzen. Viele gute Ideen existieren bislang nur als Insellösungen, hinken der technologischen Entwicklung hinterher oder sind nicht skalierbar.
Gleichzeitig werden von Bund und Ländern immer wieder Modellprojekte in unterschiedlich großem Umfang ins Leben gerufen, die dabei helfen sollen, den notwendigen Umbauprozess in die Fläche zu bringen und ein gut nutzbares, auf die individuellen Bedürfnisse der Kommunen anpassbares Portfolio an digitalen Lösungen verfügbar zu machen. Bislang waren diese Vorhaben allesamt nicht erfolgreich. Gerade mit Blick auf die sehr hohe Geschwindigkeit, mit der technologische Lösungen am Markt entwickelt werden, wird deutlich, dass solche Konzepte zum Scheitern verurteilt sind, wenn es nicht gelingt, ein neues Verständnis der Rolle des öffentlichen Sektors zu entwickeln. Wenn Deutschland bei der Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions erfolgreich sein will, muss es gelingen, eine vollkommen andere Kultur der Zusammenarbeit mit Start-ups und Unternehmen bis hin zu den Hyperscalern zu etablieren.

Es braucht schnell einsetzbare Lösungen

Wesentlicher Kern von Smart Cities ist die datenbasierte horizontale Vernetzung bislang getrennter Bereiche (Silos) innerhalb einer Kommune, also beispielsweise des Verkehrsbereichs mit dem Gesundheitssektor. Gleichzeitig sollte es mit Blick auf die verschiedenen Herausforderungen, wie etwa den demografischen Wandel, auch um die datenbasierte Vernetzung der Kommunen untereinander gehen. Vor allem Smart Regions verfolgen das Ziel, die interkommunale Zusammenarbeit zu stärken und zu vereinfachen sowie eine gemeinsame arbeitsteilige Aufgabenerbringung (Shared Services) zu ermöglichen.
Bei großen Transformationsprojekten ist es bislang an der Tagesordnung, umfassende integrierte Konzepte oder Masterpläne zu erstellen. Darin wird festgelegt, wie sich die Entwicklung vor Ort vollziehen soll und welche konkreten Vorhaben in welcher Reihenfolge durchgeführt werden sollen. Ein derartiges Vorgehen ist aus anderen Bereichen, etwa bei Integrierten Stadtentwicklungskonzepten oder Klimaschutz-Masterplänen hinlänglich bekannt und dort durchaus erfolgreich.
Für die Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions ist eine Adaption dieser erlernten Vorgehensweise aber nicht hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv. Digitale Lösungen müssen von den Kommunen abhängig von ihrer jeweiligen Ausgangslage zur Bewältigung der drängendsten Aufgaben eingesetzt werden können, ohne dass viel Zeit für die Erstellung eines umfassenden Gesamtkonzepts verstreicht.

Marktplatz für digitale Lösungen

Um beim digitalen Umbau schnell und flexibel handeln zu können, muss digitale Technologie konsequent als Werkzeug zur Erreichung der bereits an anderer Stelle formulierten strategischen Ziele, etwa im Bereich Klimaschutz, verstanden werden. Digitalisierung ist kein Selbstzweck und erfordert nicht zwingend, dass bestehende analoge Konzeptionen über Bord geworfen werden müssen. Insofern kann es auch sinnvoll sein, zunächst mit digitalen Einzellösungen zu starten, die später mit anderen Lösungen vernetzt und zusammengefügt werden können. Gleichzeitig brauchen die Kommunen die Sicherheit, dass die von ihnen beschafften digitalen Werkzeuge skalierbar und kombinierbar sind sowie gewissen Mindestanforderungen genügen. Diese fachliche Einschätzung können allerdings gerade kleinere Kommunen häufig nur schwer selbst vornehmen, da vielfach das entsprechende Personal und Wissen in den Verwaltungen fehlt.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Gelingen von Smart Cities und Smart Regions ist daher, dass an zentraler Stelle, etwa gefördert durch den Bund, ein Marktplatz für digitale Lösungen etabliert wird, um den Städten und Gemeinden deren Auswahl und Beschaffung so einfach wie möglich zu machen. Zugang zu diesem Marktplatz sollten Lösungen nur dann erhalten, wenn sie einen Katalog von noch zu definierenden Basisanforderungen (beispielsweise Datenschutz, Datensicherheit oder offene Schnittstellen) erfüllen. Diese Basisanforderungen müssten von einem unabhängigen Fachgremium in regelmäßigen Abständen definiert und überprüft werden. Ein solches Konzept ermöglicht es den Kommunen, schnell, einfach und sicher aus den auf dem Marktplatz vorhandenen Angeboten auszuwählen, kann helfen, so genannte Lock-in-Effekte zu vermeiden, und sicherstellen, dass die beschafften Lösungen unterei­nander kompatibel sind.

Zusammenarbeit mit privaten Anbietern

Gleichzeitig ist es wichtig, dass Kommunen ein niedrigschwelliges Beratungsangebot von Bund und Ländern zur Verfügung steht, um ihre ersten Schritte hin zu Smart Cities zu unterstützen. Dazu sollten ein deutlich verbesserter Wissens- und Erfahrungsaustausch, eine direkte und persönliche Beratung und Bestandsaufnahme der Situation vor Ort oder gezielte Aus- und Weiterbildungsangebote gehören. Zudem werden Unterstützungs- und Beratungsangebote für die Ausschreibung und Vergabe benötigt. Denn vielfach stellt die Beschaffung komplexer digitaler Lösungen die kommunalen Beschaffungsstellen vor große Probleme.
Um bei der Entwicklung von Smart Cities und Smart Regions erfolgreich zu sein und den Rückstand gegenüber anderen Staaten aufzuholen, brauchen wir in Deutschland eine enge Zusammenarbeit mit privaten Anbietern. Digitale Lösungen lassen sich kaum aus dem öffentlichen Sektor heraus entwickeln. Derzeit herrscht aber vielfach noch der Glaube, der öffentliche Sektor könne souverän und ohne den Markt spezielle Angebote entwickeln und dann auch anbieten und betreiben. Das wird nicht funktionieren, da es kaum möglich ist, mit der Entwicklungs- und Innovationsgeschwindigkeit der weltweit agierenden Digitalkonzerne mitzuhalten. Wenn es nicht gelingt, auf Marktlösungen zu setzen, wird der öffentliche Sektor bei der Digitalisierung immer weiter zurückfallen.

Der Staat als Rahmensetzer

Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Regeln und Regulierungen geben soll. Der Staat muss im Gegenteil viel mehr als bisher klare Vorgaben machen, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit Marktlösungen eingesetzt werden können. Das würde es auch den Unternehmen erleichtern, sich den Spielregeln anzupassen und ihre Angebote entsprechend zu gestalten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Politik auf allen Ebenen den Weg aus der Sackgasse findet und erkennt, dass beim Thema Smart Cities sowie bei der Digitalisierung insgesamt der Staat nicht die Aufgabe eines Umsetzers, sondern die des Rahmensetzers bekleiden muss. Wie auf vielen anderen Politikfeldern ist es seine Aufgabe, für den Markt das Spielfeld und die Regeln zu definieren.

Alexander Handschuh ist Beigeordneter und Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, wo er das Dezernat für Kommunikation und Digitalisierung leitet.


Stichwörter: Smart City, DStGB


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Smart City
v.l.: Ulrich Ahle, Christine Wegner, Daniel Sieveke und Uwe Gockel halten gemeinsam eine Urkunde.

Etteln: Smarter als Hongkong

[26.11.2024] Dass auch kleinste Gemeinden im Digitalisierungswettbewerb mit Weltmetropolen mithalten können, hat Etteln bewiesen. Bei einem internationalen Smart-City-Wettbewerb belegte der Ortsteil einer nordrhein-westfälischen Gemeinde den ersten Platz, Hongkong wurde Zweiter. Ehrenamtliche Helfer, Vereine und Organisationen haben diesen Erfolg ermöglicht. mehr...

Wiesbaden_zwei Frauen auf Solarbank

Wiesbaden: Smarte Sitzbänke

[26.11.2024] Nachhaltige Energie trifft auf smarte Stadtmöbel: In Wiesbaden wurden jetzt auf dem Dern’schen Gelände zwei Solarbänke errichtet. Diese gehen auf die Idee der Jugendkonferenz zurück. mehr...

Ein Straufahrzeug, von hinten zu sehen, fährt auf einer Straße, daneben eine schneebedeckte Landschaft.

Germering: Smarter Winterdienst

[22.11.2024] Mit IoT-Sensoren und einem neuen Softwaremodul hat sich die Stadt Germering für den kommenden Winterdienst gerüstet. Die Lösung unterstützt bei der Routenplanung und Einteilung der Einsatzkräfte. Auch liefert sie Echtzeitdaten über den Straßenzustand und den Füllstand in den Salzsilos der Einsatzfahrzeuge. mehr...

Virtuelles Abbild eines Stadtzentrums, ein Baum ist im Vordergrund des Bildes zu sehen.
bericht

Kreis Hof: Stadtplanung erleben

[21.11.2024] Im Rahmen seines Modellprojekts Smart City erprobt der Landkreis Hof auch den Einsatz von Virtual-Reality-Anwendungen. Entwickelt wird unter anderem eine VR-Simulation zur Stadtplanung; zudem soll virtuelle Realität im Digitalen Zwilling zum Einsatz kommen.  mehr...

Screenshot der Veranstaltungswebsite zur 18. Regionalkonferenz, der im Header das Fridericianum in Kassel zeigt.

18. Regionalkonferenz: Barrieren abbauen in der Smart City

[18.11.2024] Um digitale Angebote, die Menschen mit Behinderungen das Leben erleichtern, geht es bei der 18. Regionalkonferenz der Modellprojekte Smart Cities am 5. Dezember in Kassel. Eingeladen sind Kommunen, die sich zum Thema informieren oder Erfahrungen austauschen möchten. mehr...

Blick von schräg oben auf den Lübecker Holstentorplatz und Umgebung, im Zentrum das backsteinerne Holstentor mit Kupferdach.

Lübeck: Neue Ära der Mobilität

[15.11.2024] Das nun startende Förderprojekt VIAA (Lübecks Verkehrsmanagement ,intelligent, analytisch und agil) soll es ermöglichen, den städtischen Verkehr datenbasiert, effizient und umweltfreundlich zu steuern. Ein Verkehrsrechnersystem sowie Sensornetz und Datenmanagement zählen zu den Herzstücken. mehr...

Gruppenbild mit 27 Männern und Frauen

Augsburg: Digitalrat startet in zweite Amtszeit

[14.11.2024] Der Digitalrat der Stadt Augsburg geht in seine zweite Amtszeit. Als wichtigste Aufgabe hat sich der Beirat die Fortschreibung der „Bürger Experience“ auf die Fahnen geschrieben. mehr...

Ahaus: Auszeichnung als smarte Kommune

[12.11.2024] Die Stadt Ahaus ist jetzt im Wettbewerb Digitale Orte 2024 als smarte Kommune geehrt worden. Die Auszeichnung würdigt das umfangreiche digitale Angebot der Stadt, das den ländlichen Raum zukunftsfähig gestalten soll. mehr...

Holzminden: Einführung eines LoRaWAN

[11.11.2024] Die Stadt Holzminden führt jetzt ein flächendeckendes LoRaWAN ein. Es soll eine effiziente und wartungsarme Datenerfassung über große Entfernungen ermöglichen und ist für Bürgerinnen und Bürger kostenfrei nutzbar. mehr...

Studie: Kooperationen für Smart Cities

[07.11.2024] Mit Kooperationen zur Umsetzung von Smart-City-Projekten befasst sich eine jetzt veröffentlichte Studie. Im Fokus stehen die Vor- und Nachteile von unterschiedlichen Kooperationsmodellen sowie deren Praxistauglichkeit. mehr...

Ein Mann bewässert mit einem Gartenschlauch einen Straßenbaum

Hannover: KI für die Pflege von Grünflächen

[31.10.2024] Mit dem Projekt „BlueGreenCity-KI“ bewirbt sich die Stadt Hannover um Fördermittel des Bundesumweltministeriums zum Thema „KI-Leuchttürme für den Natürlichen Klimaschutz“. Im Rahmen des Projekts soll ein KI-Tool für eine nachhaltige Bewässerung, Pflege und Verwaltung der städtischen grünen Infrastruktur entwickelt werden. mehr...

Thermometer steckt im Schnee und zeigt Minusgrade.

Neckarsulm: Bauhof startet intelligenten Winterdienst

[30.10.2024] Der Bauhof der Stadt Neckarsulm plant, mit einer vernetzten Funktechnologie den Winterdienst und die Bewässerung künftig effizienter zu gestalten. Ein neues LoRaWAN soll Wetter- und Bodenfeuchtedaten erheben und so gezielte Einsätze ermöglichen, um Material und Personal ressourcenschonend einzusetzen. mehr...

Thermometer vor blauem Hintergrund zeigt fast 40 Grad Außentemperatur

Ismaning: Reallabor zur Hitzewarnung

[30.10.2024] In einem gemeinsamen Projekt haben die Firma msg und die Gemeinde Ismaning ein Smart-City-Reallabor eingerichtet, in dem digitale Technologien zur Klimavorsorge getestet werden. Ein erster Schritt ist die Erstellung einer Hitzekarte. mehr...

Bogenlampe (Straßenlaterne) aus der Untersicht gegen bewölkten Himmel fotografiert, neben dem Leuchtkörper sind zwei kleine Kästchen montiert.

Fulda: Straßenbeleuchtung sammelt Daten

[29.10.2024] Die Stadt Fulda nutzt ihre Straßenbeleuchtung, um vielfältige Daten zum Verkehrsfluss und zur Parkplatzbelegung zu erheben. Perspektivisch sollen auf dieser Basis gezielte Klimaschutzanpassungen erfolgen, auch die Entwicklung eines Parkleitsystems ist denkbar. mehr...

Duisburg: Masterplan für die Digitalisierung

[29.10.2024] In Duisburg sind bereits zahlreiche Dienstleistungen der Stadt online verfügbar. Ab Januar soll die MeinDuisburgApp um einen Mängelmelder erweitert werden. Zudem arbeitet die Stadt an der Fortsetzung ihres Masterplans Digitales Duisburg. mehr...