Serie GovTech Start-upsKI liegt in der Luft
Der Wirkmacht und den Verheißungen der Künstlichen Intelligenz (KI) kann sich auch der Public Sector nicht entziehen. Eine Technologie, die derart tiefgreifend Verwaltungstätigkeiten unterstützen, automatisieren oder ersetzen kann, kommt in Zeiten des Fachkräftemangels und demografischen Wandels gerade recht. Es wundert also kaum, dass nicht nur die großen IT-Konzerne, sondern auch kleine Start-ups auf KI setzen. Laut einer aktuellen Erhebung des Branchenverbands Bitkom nutzen 76 Prozent aller Start-ups Künstliche Intelligenz, während es in der Gesamtwirtschaft nur 13 Prozent sind. Das unterstreicht den agilen Vorreitercharakter der Jungfirmen. 80 Prozent von ihnen erkennt in KI die Zukunftstechnologie schlechthin, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass Start-ups, die KI in ihre Produkte und Dienste integrieren, momentan leichter eine Finanzierung erhalten. Den AI Act der Europäischen Union, der im Mai dieses Jahres vorgestellt wurde und eine einheitliche KI-Regulierung für Europa vorsieht, betrachtet ein Drittel von ihnen jedoch als Wettbewerbsnachteil. Mit ihm sind Auflagen im Datenschutz und Risikomanagement verbunden sowie Einschränkungen bei der Datenverwendung.
Zwei bekannte Jungfirmen
Nichtsdestotrotz gibt es einige vielversprechende Start-ups, die für den öffentlichen Sektor entwickeln und sich dabei der neuesten Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz bedienen. Schwerlich noch als Start-up bezeichnen möchte man dabei den Heidelberger Branchenprimus Aleph Alpha. Für die Landesverwaltung Baden-Württemberg hat das Unternehmen das auf KI basierende Text-Assistenz-System F13 entwickelt, das die Verwaltung beim Verarbeiten und Erstellen von Schriftvorgängen unterstützt. Das große KI-Sprachmodell namens Luminous von Aleph Alpha erfüllt die Transparenzpflichten der europäischen KI-Verordnung und setzt auf Datensicherheit, Technologietransparenz und die Transparenz von Ergebnissen. Das Motto lautet: Souveränität in der KI-Ära. Zu den inzwischen bekannteren KI-Start-ups zählt zudem das Berliner GovTech-Unternehmen Polyteia, dessen Plattform die vielfältigen Daten einer Verwaltung analysiert, strukturiert und visualisiert. Das Software-as-a-Service-System weist Schnittstellen zu den unterschiedlichsten Fachverfahren auf. Bürgermeister, Kämmerer und Ratsmitglieder können so auf einen Blick die Zahlen einer Gemeinde erfassen – von den Kita-Kapazitäten über das Personalwesen bis zur Demografie. Die Datenplattform zeigt tagesaktuelle Visualisierungen und erstellt mithilfe von KI strukturierte Berichte, um Anfragen aus den Fachbereichen, der Politik oder Öffentlichkeit zu begegnen. Auch für die strategische Planung sind smart aufbereitete Daten ein wichtiges Steuerungsinstrument.
Übersetzung und Transkription
In München ist das GovTech Start-up Summ.AI ansässig. Es bietet seit 2022 ein Übersetzungstool für Leichte Sprache, das auf einem speziell trainierten Natural-Language-Processing(NLP)-Modell basiert. Leichte Sprache gehört zu den Anforderungen von Barrierefreiheit auf den Webseiten der öffentlichen Verwaltung. Diese müssen grundlegende Informationen für die etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland, die komplizierte Texte – Stichwort: Amtsdeutsch – nicht verstehen, auf leicht erfassbare Weise anbieten. Das KI-Tool von Summ.AI automatisiert diese Übersetzungsarbeit auf Knopfdruck: Es wandelt regelbasiert Schachtelsätze in Hauptsätze um, vermeidet Fach- und Fremdwörter, Passivkonstruktionen, verzichtet auf den Genitiv und räumt mit Buzzwords auf. Die Software kann auch als API-Schnittstelle in das Redaktionssystem einer Verwaltung eingebunden werden und erzeugt dann automatisch eine Unterseite in Leichter Sprache.
Ebenfalls auf Textgenerierung versteht sich das Düsseldorfer Start-up Straiqr mit seinem Transkriptionstool Scriba. Die Lösung fertigt Protokolle aus Aufzeichnungen an, erkennt die Sprechenden automatisch und erstellt in Sekundenschnelle Zusammenfassungen von beispielsweise Sitzungsprotokollen. Scriba ist eine On-Premise-Lösung, das heißt, sie wird auf den jeweiligen Verwaltungsservern installiert, sodass auch sensible Daten und geheime Inhalte stets dort verbleiben.
Chatbot und Straßenmanagement
Auch im Bereich der Chatbots, die von vielen Verwaltungen eingesetzt werden, um wiederkehrende Fragen und Anliegen unkompliziert abzuarbeiten, kommt zunehmend KI zum Einsatz. Chatbots werden mitunter von verwaltungsinternen IT-Dienstleistern entwickelt, wie beim ITZBund, das hierzu eine Kooperation mit dem Linzer Start-up Ubitec eingegangen ist und einen vierjährigen Rahmenvertrag abgeschlossen hat. Der von Ubitec entwickelte Chatbot hört auf den Namen Fred und ist bereits im österreichischen Bundesministerium für Finanzen im Einsatz. Das Start-up Viind aus Würzburg hat sich ebenfalls auf den öffentlichen Sektor spezialisiert und kann seinen KI-basierten und datenschutzkonformen Chatbot nicht nur auf der Website einer Kommune einbinden, sondern lässt ihn auch per WhatsApp, Facebook und in weiteren sozialen Medien schnattern. Speziallösungen wie der vielsprachige City-Registrierungsassistent Airelo helfen in Städten wie Berlin bei der An- und Ummeldung.
Seit 2017 setzt das Stuttgarter GovTech Vialytics Künstliche Intelligenz im Straßenmanagement ein – gehört doch der Erhalt der Straßeninfrastruktur zu den hoheitlichen kommunalen Aufgaben. Vialytics hat eine Lösung entwickelt, bei der an Gemeindefahrzeugen angebrachte Smartphones Videos der jeweils befahrenen Straße aufnehmen. Die Bilder werden von einer KI hinsichtlich Fahrbahndeffekte, Risse oder Schlaglöcher analysiert und die Mängel grafisch in unterschiedlichen Schadenskategorien angezeigt. So können Kommunen rechtzeitig reagieren und vorausschauend sanieren.
Intelligente Prozessautomatisierung
Zu guter Letzt sei noch auf das Thema Prozessautomatisierung hingewiesen. In diesem Bereich wird derzeit intensiv entwickelt, da sich hier – vor allem in Verbindung mit KI – große Effizienzvorteile ergeben. Ein Beispiel ist das KI-Tool Emma von Wianco Ott Robotics aus Darmstadt, das auf spezifische Verwaltungsabläufe – zum Beispiel die automatische Antragverarbeitung, Vollständigkeitsprüfung oder digitale Dokumentenverwaltung – trainiert werden kann. Das KI-Tool soll in der Lage sein, „jeden Prozess – unabhängig von seiner Komplexität – zu automatisieren“, heißt es seitens des Unternehmens.
Das klingt schon mehr als vielversprechend, und Verwaltungen tun sicherlich gut daran, solche Lösungen einmal auszuprobieren und den innovativen GovTech Start-ups die Möglichkeit einzuräumen, zu zeigen, was sie können.
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