BremerhavenGanz oder gar nicht
Die Stadt Bremerhaven hat ihre 87 Organisationseinheiten – inklusive Schulen, Mitbestimmungsgremien und der Ortspolizeibehörde – an die elektronische Rechnungsbearbeitung angeschlossen. Derzeit sind 520 der über 4.500 Mitarbeitenden mit der Bearbeitung von E-Rechnungen betraut. Anstoß zum Projekt war die EU-Richtlinie 2014/55/EU, die öffentliche Auftraggeber dazu verpflichtet, seit November 2019 Rechnungen elektronisch zu empfangen und zu verarbeiten. Bremerhaven, eine kreisfreie Stadt mit 115.468 Einwohnenden, richtete für die Umsetzung der Richtlinie eine organisationseinheitenübergreifende Projektgruppe ein. Dieser gehörten die Stadtkämmerei, die Magistratskanzlei sowie die Stadtkasse, das Rechnungsprüfungsamt, der Betrieb für Informationstechnologie und sechs weitere Ämter an. Zunächst wurden die damaligen Organisationsprozesse erfasst. Mittels Fragebogen erfolgte in den beteiligten Ämtern eine Ist-Aufnahme. Dabei zeigte sich, dass Rechnungen überwiegend in Papierform eingingen und manuell bearbeitet wurden. Einen standardisierten Ablauf dazu gab es nicht – die einzelnen Organisationseinheiten arbeiteten sehr unterschiedlich. Eine EDV-unterstützte Rechnungsbearbeitung erforderte zunächst die Standardisierung und Reduzierung der Prozessschritte. Auf Grundlage der Erstanalyse und weiterer Arbeitsergebnisse der Projektgruppe wurden Anforderungen für einen Workflow zur Bearbeitung von E-Rechnungen definiert und ein Ablaufschema erstellt.
Schnittstelle zwischen DMS und Finanzsoftware
Bereits seit Ende der 1990er-Jahre nutzt die Stadt Bremerhaven das Dokumentenmanagementsystem (DMS) enaio der Firma Optimal Systems. Damit wurden bereits die Akten der Bußgeldstelle und des Sozialamts digitalisiert. Nach sorgfältiger Prüfung sollte das Produkt auch bei der Bearbeitung von E-Rechnungen zum Einsatz kommen. In enger Absprache mit der Firma konnte der zuvor definierte Workflow problemlos in die vorhandene Software integriert werden. So war bereits im November 2018 die Annahme von E-Rechnungen möglich. Mittels der eigens geschaffenen zentralen Rechnungseingangsplattform (zERIKA) können die Rechnungssteller über verschiedene Eingangskanäle Rechnungen im Format XRechnung übermitteln – und zwar passgenau an die richtige Stelle. Zum Einsatz kommt dabei die elektronische Adressierung Leitweg-ID. Nach einer Prüfung werden eingehende Rechnungen an die Rechnungsempfänger im Land Bremen weitergeleitet. Die Stadt Bremerhaven strebte immer eine medienbruchfreie Rechnungsbearbeitung an, inklusive aller notwendigen Schritte – getreu der Redewendung: Ganz oder gar nicht. Ende 2018 erfolgte daher die Auftragserteilung zur Entwicklung eines umfassenden Workflow-Moduls zur Rechnungsbearbeitung an Optimal Systems. Da die bei der Stadt eingesetzte Finanzsoftware kein Modul zur Verarbeitung von E-Rechnungen besitzt, musste eine Schnittstelle zwischen dem DMS enaio und der Finanzsoftware erstellt werden.
Optimierter Informationsfluss in den Organisationseinheiten
Im zweiten Quartal 2020 begonnen erste Tests, im Oktober 2021 der Produktivbetrieb. So wurde zwischen Ende 2020 und Oktober 2021 eine vollständig elektronische Rechnungsbearbeitung implementiert. Nachdem die Rechnungen über zERIKA bei der Stadt Bremerhaven eingehen, gelangen sie in den Eingangskorb der zuständigen Mitarbeitenden und der Workflow kann beginnen. Von hier aus können die E-Rechnungen kontiert, geprüft und in den nächsten Bearbeitungsschritt der Anordnung weitergeleitet werden. Hier wird nach dem Vier-Augen-Prinzip durch eine weitere Person erneut geprüft und schließlich angeordnet. Die Prüfung erfolgt also vollständig digital. Die Rechnungen werden elektronisch abgelegt, archiviert und der Aussonderungsprozess nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist zentral angestoßen. Über eine Schnittstelle werden die bearbeiteten Rechnungen an das HKR-Verfahren übergeben, über welches die Auszahlung erfolgt. Die vollständig elektronische Rechnungsbearbeitung bietet zahlreiche Vorteile. So haben nicht nur die unmittelbar mit der Rechnungsbearbeitung befassten Mitarbeitenden Zugriff auf Rechnungen, sondern auch andere Kolleginnen und Kollegen können Rechnungen einsehen und über Sachverhalte in Kenntnis gesetzt werden. Das verbessert den Informationsfluss in den einzelnen Organisationseinheiten. Jede eingehende Rechnung ist in einem eigenen Vorgang abgelegt, der auch die rechnungsbegründender Unterlagen enthält.
Papierrechnung als auslaufendes Modell
Die Stadt hat inzwischen alle 87 Organisationseinheiten an die elektronische Rechnungsbearbeitung angeschlossen. Insgesamt sind bisher rund 53.000 elektronische Rechnungen bei der Stadt eingegangen – Tendenz deutlich steigend. In einigen Bereichen der Stadtverwaltung gehen die Rechnungen schon heute zu 95 Prozent digital ein. Damit gehört die Papierrechnung in Bremerhaven wohl bald der Vergangenheit an.
https://www.bremerhaven.de
https://www.optimal-systems.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September 2024 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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