Mittwoch, 27. November 2024

Virtuelle RealitätDie Zukunft beginnt jetzt

[27.11.2024] Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) eröffnen auch für Verwaltungen völlig neue Möglichkeiten. Erste Denkanstöße für potenzielle Einsatzgebiete in Kommunen will nun eine Arbeitsgruppe der KGSt erstellen.
Ein Mann mit VR-Brille hantiert mit ihn umgebenden Lichtwellen.

VR und AR könnten den Alltag in der Verwaltung verändern.

(Bildquelle: Big/stock.adobe.com)

Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Papierakten, postalischer Schriftverkehr und der Gang zum Amt die Norm in der kommunalen Verwaltung. Mit dem Aufkommen von Internet, PCs, Laptops und Smartphones hat sich vieles gewandelt. Prozesse wurden digitalisiert, Papier und persönlicher Kontakt zunehmend ersetzt. Doch die digitale Transformation hat erst begonnen. Wir befinden uns inmitten der vierten industriellen Revolution, in der Künstliche Intelligenz (KI) und Spatial-Computing-Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) völlig neue Möglichkeiten eröffnen. 

Mag man manchen Berichten in den Medien Glauben schenken, so werden wir schon in ein paar Jahren nicht mehr vor unserem PC, Laptop oder Monitor sitzen. Digitale, mit KI versehene Assistenten werden uns über so genannte Smart Glasses durch Freizeit und Arbeitswelt begleiten und uns bei allen täglichen Dingen unterstützen. Sie werden unsere Umgebung analysieren, uns den Weg weisen und virtuelle Objekte und Informationen direkt in unsere reale Welt integrieren – bereit zur Interaktion. AR und VR spielen in dieser Entwicklung eine zentrale Rolle. Während bei AR virtuelle Objekte in die reale Umgebung integriert werden, überblendet VR die tatsächliche Umgebung vollständig mit einer virtuellen. Beide Technologien schaffen eine flüssigere und intuitivere Arbeitsweise und werden so auch den Alltag in der Verwaltung grundlegend verändern. Es ist also angezeigt, sich mit diesen Technologien auseinanderzusetzen und ihre Auswirkungen auf die Verwaltung zu identifizieren.

Komplexe Sachverhalte werden anschaulich

Internet und Smartphone hätten es nicht zur heutigen Dominanz in unserem Alltag geschafft, wenn sie nicht entscheidende Mehrwerte generiert hätten. AR und VR bieten ebenfalls ein Mehrwertpotenzial und schaffen einen digitalen Raum, in dem physische Grenzen überwunden werden und die Interaktion und Zusammenarbeit auf eine neue Ebene gehoben werden können.  Ein zentrales Merkmal dieser Technologien ist ihre Immersivität – die Fähigkeit, virtuelle Objekte so real erscheinen zu lassen, dass sie bei Nutzenden ähnliche Reaktionen auslösen wie physische Objekte. AR- und VR-Technologien ermöglichen es, vollständig in virtuelle Umgebungen einzutauchen und sich darin frei zu bewegen. Die Nutzung des gesamten Raums und damit auch der Räumlichkeit schafft eine neue Qualität der Visualisierung komplexer Themen sowie eine flexible und intuitive Interaktion mit digitalen Inhalten. In einer AR- oder VR-Umgebung können Objekte beliebig platziert, verändert oder entfernt werden, wobei der gesamte Raum als Projektionsfläche dient. Die Erkennung von realen Objekten schafft eine neue Möglichkeit der Informationsgewinnung und -verbreitung. Die Immersivität verändert aber auch den Impact von bisher nur zweidimensionalen digitalen Interaktionen. 

Für die kommunale Verwaltung bedeutet dies, dass komplexe Sachverhalte – wie etwa Bauvorhaben oder Stadtentwicklungspläne – auf eine Weise visualisiert und erlebbar gemacht werden können, die Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Vorstellung und ein tieferes Verständnis vermitteln. Das fördert Transparenz in Entscheidungsprozessen und Bürgernähe, indem die Bevölkerung aktiv und verständlich in Projekte einbezogen wird. Bei der Planung städtischer Projekte können beispielsweise digitale 3D-Modelle in ihrer realen Umgebung betrachten werden – alles bequem von zu Hause oder unterwegs aus. 

Standardisierung und Zusammenarbeit

Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von AR zur Instandhaltung kommunaler Infrastruktur. Mit AR-Brillen (so genannten Head Mounted Displays) können Mitarbeitende vor Ort direkt auf digitale Informationen zugreifen, Kollegen in Echtzeit zuschalten und die „Situation teilen“. Probleme lassen sich so sofort erkennen und besprechen, was Reparaturen effizienter und schneller koordiniert, indem es Zeit und Ressourcen spart.

Auch in der internen Weiterbildung oder im Onboarding neuer Mitarbeitender bieten VR und AR erhebliche Vorteile. Verwaltungsmitarbeitende könnten in VR- oder AR-Seminaren geschult werden, die durch interaktive und realitätsnahe Simulationen praxisnaher sind als klassische Schulungen und nachweislich höhere Lerneffekte erzielen.

Interkommunale Zusammenarbeit wird eine Schlüsselrolle bei der Einführung von AR und VR spielen. Durch den Austausch von Erfahrungen und Best Practices können Synergien geschaffen und Standards etabliert werden, die sicherstellen, dass alle Kommunen von den Vorteilen neuer Technologien profitieren. Gemeinsam können Kommunen Inhalte entwickeln, die nach dem Prinzip Einer für Alle (EfA) zur Verfügung gestellt werden, und Pilotprojekte starten, um die Machbarkeit und den Nutzen dieser Technologien zu erproben. Durch das Teilen von Ressourcen und Erfahrungen lassen sich Kosten senken und die Einführung beschleunigen.

Standardisierung und Zusammenarbeit helfen zudem, Fehler aus der Vergangenheit – wie etwa inkompatible Insellösungen – zu vermeiden. Stattdessen ergibt sich die Möglichkeit, durch interkommunale Kooperation gemeinsam zu agieren im Hinblick auf die Entwicklung von Angeboten und Inhalten, und so den Kompetenzaufbau, die Standardisierung und Interoperabilität zu forcieren.

Arbeitsgruppe will erste Impulse liefern

Low-Code- und No-Code-Plattformen könnten eine Grundlage für die Entwicklung kommunaler Inhalte bieten. Das schont Ressourcen und steigert die Effizienz. Interkommunal nutzbare Baukastenlösungen ermöglichen es Kommunen, auch ohne umfangreiche eigene Ressourcen, Anwendungen zu nutzen, die an das eigene Branding angepasst und wiederverwendet werden können. Gleichzeitig können gemeinsame Datenschutzrichtlinien erarbeitet werden. So entstehen Synergien, die den Verwaltungsaufwand reduzieren und die Digitalisierung in allen beteiligten Kommunen vorantreiben.  

VR und AR haben das Potenzial, die Kommunalverwaltung nachhaltig zu transformieren. Obwohl die konkrete Ausgestaltung der Technologien noch offen ist, können Pilotprojekte und interkommunale Kooperationen bereits jetzt den Weg in eine virtuelle Zukunft bereiten. Diese Initiativen ermöglichen es, Technologien praktisch zu erproben und die Digitalisierung in der Verwaltung voranzutreiben. Um das Potenzial auszuschöpfen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kommunen, eine schrittweise Einführung der Technologien und der Aufbau von Fachwissen unerlässlich.

Eine Arbeitsgruppe der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) widmet sich aktuell den Grundlagen, Herausforderungen und möglichen Einsatzgebieten sowie dem Potenzial interkommunaler Zusammenarbeit bei VR/AR. Ziel ist es, Kommunen erste Denkanstöße zu liefern und ein Zukunftsbild zu entwerfen, das Orientierung bietet.

Rena Wißmeier und Markus Böling sind Referenten bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) und leiten die KGSt-Arbeitsgruppe zum Thema AR/VR.




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