REPORTSchnelles Netz für alle
Bis spätestens Ende 2010 sollen in Deutschland flächendeckend leistungsfähige Breitband-Anschlüsse verfügbar sein. So sieht es die Breitband-Strategie der Bundesregierung vor. Bis 2014 sollen außerdem bereits 75 Prozent der Haushalte über hochleistungsfähige Internet-Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde im Netz surfen können, wobei diese Highspeed-Netze möglichst bald flächendeckend verfügbar sein sollen. Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), ist zuversichtlich, dass das Ziel erreicht werden kann: „Die Entwicklung des deutschen Breitband-Marktes ist sehr positiv.“ Die Zahl der un- beziehungsweise unterversorgten Kommunen in Deutschland habe zuletzt spürbar reduziert werden können.
Fördermittel: Vergabe vereinfachen
Dass es trotzdem noch zu viele weiße Flecken auf Deutschlands Breitband-Karte gibt, liegt nach Ansicht des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) unter anderem an einer sowohl aus Sicht der Kommunen als auch der Unternehmen hochkomplizierten Fördermittelvergabe. VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner: „In der Praxis zeigt sich vielfach, dass die Vergabeverfahren nicht nur zu bürokratisch und aufwändig sind, sondern die Richtlinien auch noch von Bundesland zu Bundesland teils völlig unterschiedlich ausfallen. Das macht die Antragstellung für Unternehmen und Kommunen äußerst schwierig.“ Fördermittel würden somit vielfach nicht abgerufen – laut dem Branchendienst portel.de waren es 2009 nur rund ein Fünftel der zur Verfügung stehenden Mittel von knapp 25 Millionen Euro. „Die gut gefüllten Fördertöpfe zeigen, dass es nicht etwa am Geld, sondern an den richtigen Rahmenbedingungen mangelt“, so Jürgen Grützner. Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums und der Wirtschaftsministerkonferenz sei es daher, eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Regelungen sicherzustellen. Zudem müsse bei der Mittelvergabe auf eine technologieneutrale Förderung geachtet werden, um die Einbeziehung bisher benachteiligter Satelliten- und Funklösungen in der Vergabepraxis zu ermöglichen.
Wie viel Glasfaser ist notwendig?
Denn es herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, auf welchen Wegen die ländlichen Regionen Anschluss an die Datenautobahn erhalten sollen. Während einige Akteure – wie etwa der parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Gerd Müller – den flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes fordern, beschwören andere den Technologiemix. So ist laut Staatssekretär Bernd Pfaffenbach eine lückenlose Versorgung mit breitbandigem Internet nur durch die Einbeziehung von Funk- und Satellitenlösungen zu erreichen. Pfaffenbach: „Es ist ökonomisch nicht sinnvoll, ein Glasfaserkabel bis zur letzten Bergalm zu führen.“
Der VATM schätzt, dass der flächendeckende Ausbau des Glasfasernetzes in Deutschland unter optimalen Bedingungen 10 bis 15 Jahre dauern und dafür bis zu 50 Milliarden Euro investiert werden müssten – wobei vor allem die Kosten für Grabungsarbeiten zur Verlegung neuer Kabel ins Gewicht fallen. Einsparpotenzial bietet sich durch eine gezielte Verlegung von Leerrohren – so könnten beispielsweise Kommunen oder Energieversorger dazu verpflichtet werden, bei Tiefbauarbeiten jeweils automatisch Leerrohre für künftige Glasfaserleitungen mit zu verlegen, wie es in Baden-Württemberg bereits der Fall ist. Laut VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner ließen sich hierdurch die Investitionskosten für ein flächendeckendes Glasfasernetz um ein Drittel senken. Grützner ist jedoch auch der Meinung, dass der Fokus der Verantwortlichen in den Gemeinden und Kreisen nicht allein auf dem oftmals teuer subventionierten und unwirtschaftlichen Ausbau des Festnetzes liegen sollte.
Neue Wege ins Netz
Das Umdenken hat jedoch bereits eingesetzt: Immer mehr Städte und Gemeinden realisieren Internet-Lösungen via Funk oder Satellit als Alternative zur Glasfaser. So sollen etwa in der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Vordereifel künftig alle Haushalte drahtlos im Web surfen können – mit Datenraten zwischen 10 und 30 MBit/s. Vor dem Ausbau standen Bandbreiten von maximal 384 Kbit/s zur Verfügung. „Insgesamt erhalten 22 von 27 Gemeinden in der Vordereifel einen leistungsfähigeren Internet-Zugang“ erklärt der Bürgermeister der Verbandsgemeinde, Gerd Heilmann. Im nordrhein-westfälischen Kreis Düren hat das Unternehmen NetAachen innerhalb von acht Monaten ohne öffentliche Zuschüsse eine Funklösung aufgebaut, um rund 20.000 unterversorgten Haushalten im Kreis einen schnelleren Internet-Zugang anbieten zu können.
Auch das Land Brandenburg setzt bei der Verbesserung der Breitband-Versorgung auf einen Mix verschiedener Technologien: So kommen unter anderem Mobil- und Richtfunklösungen sowie Übertragungstechniken via Satellit zum Einsatz. Gemeinsam mit dem Unternehmen Vodafone wird beispielsweise im Kreis Uckermark ein umfassendes UMTS-Netz für den schnellen Internet-Zugang aufgebaut.
Ein gemeinsames Pilotprojekt haben die vier niedersächsischen Gemeinden Oederquart, Oberndorf, Rehlingen und Wietzendorf gestartet: Sie wollen ein Testnetz installieren, das bestehende Technologien, wie etwa bereits vorhandene DVB-T- und WLAN-Sender, neuartig einsetzt, sie verknüpft und somit internetfähig macht. Das Projekt wird vom Land finanziell unterstützt. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen sagt: „Wir erhoffen uns von dem Piloten den fundierten Nachweis auf ein praxistaugliches und auch wirtschaftlich tragfähiges Konzept, das je nach gegebenen Rahmenbedingungen landesweit übertragbar ist.“
In Baden-Württemberg schließlich testen sechs Gemeinden im Rahmen eines Pilotprojekts die Breitband-Anbindung des ländlichen Raums mithilfe von Satellitentechnik. Nach Angaben des baden-württembergischen Ministeriums für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz soll das Projekt klären, ob und inwieweit der Satellit als Übertragungsmedium für schnelles Internet von den Beteiligten angenommen wird und wo die Vor- und Nachteile dieser Technik liegen.
Positiver Schub durch Digitale Dividende
Vor Kurzem hat die Bundesnetzagentur zudem die Versteigerung von durch die Digitalisierung des Rundfunks frei gewordenen Funkfrequenzen abgeschlossen. Von der Digitalen Dividende erhofft sich die Bundesregierung einen weiteren Schub für den Breitband-Ausbau – die Rundfunkfrequenzen aus diesem Spektrum sind Basis für den Aufbau von Mobilfunknetzen der nächsten Generation nach dem LTE-Standard (Long Term Evolution), welcher mobile Internet-Geschwindigkeiten von 100 Megabit pro Sekunde ermöglicht. August-Wilhelm Scheer, Präsident des Branchenverbands BITKOM, meint: „Mit LTE wird die Vision vom überall verfügbaren Breitband-Internet Realität.“ Der Bund hat die Nutzung von Frequenzen der Digitalen Dividende in Abstimmung mit den Ländern zudem an die Auflage gebunden, dass die Telekommunikationsunternehmen vorrangig bislang unversorgte Regionen mit schnellen Internet-Verbindungen erschließen.
Dass die Digitale Dividende für den ländlichen Raum eine viel versprechende Alternative darstellt, zeigt die Zwischenbilanz eines Pilotprojekts im hessischen Hofbieber. In der Gemeinde im Kreis Fulda testen seit Oktober vergangenen Jahres 32 Haushalte und 15 Betriebe das drahtlose Surfen über die neuen Funkfrequenzen. Laut einer Umfrage des hessischen Wirtschaftsministeriums sind über 90 Prozent der Nutzer zufrieden mit der Internet-Verbindung – vor dem Modellversuch waren dies nur 32 Prozent. Die Zugriffsgeschwindigkeit auf das Web mit der Funkverbindung schätzen 83 Prozent als schnell oder sehr schnell ein. „Die große Mehrheit der Nutzer sieht ihre Erwartungen an den Modellversuch erfüllt. Sie nutzen das Internet öfter und länger und vor allem datenintensiver“, so der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch. Der Modellversuch habe zudem bestätigt, dass auch über preisgünstige Funklösungen gute Bandbreiten erzielt werden könnten. „Die funkgestützte Technik erlaubt im Gegensatz zu kabelgebundenen Technologien eine kostengünstige Anbindung und kann deshalb prinzipiell für die Schließung der Versorgungslücken genutzt werden“, zieht Dieter Posch ein vorläufiges Fazit aus dem Pilotprojekt. Nach Abschluss des Modellprojekts im Oktober 2010 sollen die Ergebnisse noch einmal intensiv geprüft werden. Posch: „Wenn sie zufriedenstellend ausfallen, wovon wir momentan ausgehen, kann die Digitale Dividende als Teil einer langfristig angelegten, leistungsstarken Infrastruktur im ländlichen Raum betrachtet werden.“
Neue Kooperationen
Damit auch die letzten weißen Flecken auf der Breitband-Karte schnell beseitigt werden, sieht Bernd Pfaffenbach vom BMWi vor allem die Städte, Kreise und Gemeinden als Treiber. Er regt an, beim Breitband-Ausbau künftig noch mehr auf Kooperationsmodelle zu setzen. Auch müssten neben Verwaltung und Telekommunikationsunternehmen neue Akteure in den Breitband-Ausbau einbezogen werden. So hat etwa das Land Rheinland-Pfalz vor Kurzem die strategische Zusammenarbeit mit dem Energieversorger RWE Rheinland Westfalen Netz bekanntgegeben– das Unternehmen will den Ausbau des schnellen Internets in elf rheinland-pfälzischen Landkreisen durch umfangreiche Investitionen in den Energie-Infrastrukturausbau unterstützen. Synergien und Kosteneinsparungen bei der Trassenverlegung sollen die Voraussetzung dafür schaffen, dass moderne Hochgeschwindigkeitsnetze in der Fläche errichtet werden können.
Solche Beispiele geben die Richtung vor für den weiteren Breitband-Ausbau in Deutschland. Denn nach Angaben von Staatssekretär Bernd Pfaffenbach sind flächendeckende Hochleistungsnetze aufgrund der hohen Investitionskosten nur dann realisierbar, wenn Synergien gehoben und bereits vorhandene Infrastrukturen mitgenutzt werden. Pfaffenbach: „Hier sehe ich den größten Handlungsbedarf. Infrastruktur-übergreifende Kooperation lautet das Gebot der Stunde.“
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