Serie115 bleibt zeitgemäß
Herr Vitt, die einheitliche Behördenrufnummer 115 begann im Jahr 2009 als Pilotprojekt und läuft seit 2011 im Regelbetrieb. Was spricht in Zeiten der Digitalisierung für telefonische Serviceangebote der öffentlichen Verwaltung?
Eine Menge: Befragungen der Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Erfahrungen in den Verwaltungen und ganz besonders bei der 115 zeigen, dass das Telefon noch immer ein wichtiges Kommunikationsmittel im Kontakt mit den Behörden ist. Die Anrufer haben sich aber häufig vorab im Internet über Angebote und Leistungen der Verwaltung informiert, weshalb die Anliegen konkreter und die Fragestellung meist komplexer sind. Daraus resultieren längere Gespräche, wie die Statistikdaten der 115 zeigen. Auch künftig müssen Online-Angebote Hilfestellungen für die Nutzer bereithalten. Dies umfasst den telefonischen Support, aber auch andere Angebote wie Kontaktformular, Chat und perspektivisch Co-Browsing. Genau dafür haben wir mit der 115 eine Service-Infrastruktur, auf der wir bei der Weiterentwicklung unserer Portale aufsetzen können.
Worauf basiert die 115?
Sie setzt auf die Kompetenz der Kommunen beim Aufbau und Betrieb von Service-Centern. Um 115-Anrufe in die Service-Center zu steuern und dort möglichst abschließend bearbeiten zu können, setzen wir zentrale Lösungen ein, die der Bund und die an der 115 beteiligten Länder gemeinsam finanzieren. Primär sind dies die 115-Netzplattform und die 115-Software-Plattform. Mithilfe der Netzplattform werden die Anrufe auf das räumlich zuständige Service-Center verteilt. Die 115-Software-Plattform stellt den Service-Centern derzeit rund 120.000 Leistungsinformationen aller teilnehmenden Behörden aus Bund, Ländern und Kommunen standardisiert und schnell zur Verfügung.
Wo steht die 115 heute?
Über 31 Millionen Bürger können die 115 bereits nutzen. Das ermöglichen rund 500 kommunale Teilnehmer – darunter vor allem die Großstädte, die weit überwiegend bei der 115 mitmachen. Daneben nehmen der Bund mit rund 80 Behörden sowie zwölf Länder teil.
Was müssen Kommunen tun, um ihren Bürgern den Service anzubieten?
Zuerst gilt es, ein Bewusstsein zu schaffen, dass ein guter Bürger- und Unternehmensservice nicht nur das Image einer Verwaltung, sondern auch die verwaltungsinternen Abläufe verbessern kann. Die 115 kann im Einzelfall recht schnell realisiert werden. Beispielsweise kann ein bestehendes 115-Service-Center mit der Übernahme der 115-Anrufe beauftragt werden, sodass auch kleinere Gemeinden ohne eigenes Service-Center die einheitliche Behördenrufnummer als lokalen Service anbieten können. Auch Kooperationen, beispielsweise der Kommunen eines Kreises oder mehrerer Kreise gemeinsam mit der Kreisverwaltung, können sich lohnen. Vor allem dann, wenn gleichzeitig die verschiedenen Zugangskanäle zur Verwaltung in den Blick genommen und auch Fachverfahren im Service-Center bearbeitet werden. Das für die Auskunftserteilung über die 115 erforderliche Wissen pflegen bereits heute viele Kommunen in ihren Landesredaktionssystemen, die über Schnittstellen mit dem 115-Wissensmanagement verbunden sind. Besonders erfolgreich wird die 115, wenn sie als Teil eines zugangskanalübergreifenden Bürger- und Unternehmensservice umgesetzt wird. Kommunen identifizieren dafür bestehende lokale Servicestrukturen einschließlich der Telefonzentrale und Verfahren, die teilweise oder vollständig in einem modernen Front End der Verwaltung, dem Service-Center, gebündelt werden könnten.
„Übergreifende, nutzerorientierte Ansätze wie die 115 oder der Portalverbund sind unabdingbar.“
Wann wird die 115 bundesweit und flächendeckend erreichbar sein?
Die Teilnahme an der 115 erfolgt weiterhin auf freiwilliger Basis. Die fehlende deutschlandweite Erreichbarkeit begrenzt jedoch die Möglichkeiten der Teilnehmer. Sie wollen die 115 stärker nutzen und bewerben, können dies jedoch nur schwer vertreten, wenn im Nachbarort kein Anschluss an die Behördennummer gegeben ist. Deshalb haben wir uns im vergangenen Jahr darauf verständigt, die 115 in den kommenden beiden Jahren im Rahmen eines Piloten bundesweit freizuschalten. Damit können Fragen zu den teilnehmenden Behörden bundesweit gestellt und beantwortet werden. Auskünfte zu Leistungen nicht teilnehmender Verwaltungen sind dadurch jedoch nicht möglich.
Das Projekt 115 ist ein Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Was kann daraus für andere E-Government-Projekte abgeleitet werden?
Wir sollten nicht vergessen – und das ist vielleicht die wichtigste Lehre aus der 115 – für wen wir die vielen Projekte zur Digitalisierung der Verwaltung planen und umsetzen. Ziel ist heute wie damals, in den Anfangszeiten der 115, eine moderne Verwaltung, die zeitgemäße, effiziente und serviceorientierte Angebote über alle Zugangskanäle bietet. Und diese Verwaltung endet aus Sicht der Bürger und Unternehmen ebenso wie deren Anliegen häufig nicht an den Grenzen einer Organisation. Übergreifende, nutzerzentrierte Ansätze wie die 115 oder auch der Portalverbund sind daher unabdingbar.
Das Projekt ist gewissermaßen ein Kind des Nationalen IT-Gipfels der Bundesregierung, der in diesem Jahr erstmals als Digital-Gipfel firmierte. Erwarten Sie als Vorsitzender der Gipfel-Plattform „Digitale Verwaltung und öffentliche IT“ für den gemeinsamen Portalverbund von Bund und Ländern einen ähnlichen Erfolg?
Davon bin ich überzeugt. Die 115 ist unsere lebenspraktische Antwort auf den konkreten Bedarf nach Informationen. Mit dem Anruf ist das eigentliche Anliegen aber noch nicht erledigt. Mit dem Portalverbund wird die Brücke zur konkreten Dienstleistung gebaut.
Was entgegnen Sie den Kritikern des Portalverbunds?
Deutschland steht seit Jahr und Tag im internationalen E-Government-Vergleich bei Weitem nicht auf einem Spitzenplatz. Viel Zeit, um hier endlich aufzuholen, bleibt uns nicht mehr. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann kommen wir zu langsam voran. Es gibt bereits viele gute digitale Lösungen auf allen Verwaltungsebenen. Dies sind bislang aber fast immer nur Insellösungen. Wir müssen diese vielen guten Insellösungen in die Fläche bekommen. Ich bin überzeugt, dass der Ansatz des Portalverbunds hier der richtige ist, weil er flächendeckende Services unter Wahrung der Sichtbarkeit aller Beteiligten ermöglicht. Denn die Bereitstellung und der Betrieb der Fachverfahren verbleiben weiterhin in der jeweiligen Zuständigkeit des Bundes, der Länder und der Kommunen. Bestehende Fachverfahren werden nicht infrage gestellt. Aber alle Behörden, die Online-Dienste anbieten, sollten sich künftig stärker an den vorhandenen guten Lösungen orientieren und diese einfacher nachnutzen können.
Dieser Beitrag ist in der Juli-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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