Mittwoch, 8. Januar 2025

Projekt-ManagementAgil zu besseren Ergebnissen

[14.05.2019] Agile Arbeitsweisen sind auch für deutsche Amtsstuben geeignet. Bei der Scrum-Methode etwa werden Lösungen in kleinen Schritten entwickelt. Der künftige Nutzer kann also frühzeitig funktionierende Teilprodukte testen, wodurch Fehler rechtzeitig erkannt werden.
Agile Arbeitsweisen wie die Scrum-Methode eignen sich auch für Behörden.

Agile Arbeitsweisen wie die Scrum-Methode eignen sich auch für Behörden.

(Bildquelle: comzeal/Fotolia.com)

Agilität ist ein Wort mit vielfältigen Definitionen. Oft wird es mit Äußerungen abgetan wie: „Agil – das ist doch nur etwas für Unternehmen, aber nichts für die öffentliche Hand.“ Agile Arbeitsweisen sind in deutschen Amtsstuben also leider immer noch ein Fremdkörper, egal auf welcher Verwaltungsebene. Zudem hält sich das Vorurteil, dass es agiler Arbeit an Struktur und einem konkreten Plan fehlt.
Der öffentliche Bereich braucht neue Arbeitsmethoden. Er kann so sowohl für junge Menschen, die einen sicheren Arbeitsplatz suchen, als auch für diejenigen, die gestalten wollen, zur interessanten beruflichen Option werden. Insbesondere die kommunale Ebene kann agile Arbeitsweisen und -methoden als Chance verstehen, um junge Bewerber an sich zu binden. Der Bezirksregierung Arnsberg beispielsweise ist dies gelungen. Junge IT-ler konnten dort bereits einige kreative Prozesse unter Nutzung digitaler Möglichkeiten in der Verwaltung anstoßen und umsetzen.
Bisher wird in Verwaltungen vor allem die Wasserfallmethode praktiziert. Sie folgt dem System streng aufeinanderfolgender Phasen mit jeweils vordefinierten Start- und Endpunkten. Diese Vorgehensweise verlangt von den Beteiligten meist viel Zeit und Geduld aufseiten der Nutzer, die nicht selten nach der aufwendigen Anforderungsbeschreibung mehr als ein Jahr auf deren Implementierung warten. Fehlerhafte Produktbeschreibungen zu Beginn des Prozesses werden erst ganz am Ende erkannt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind aber bereits enorme Entwicklungskosten entstanden, außerdem ist die Produkt­anpassung am Prozessende sehr aufwendig.

In kleinen Schritten zum Ziel

Eine alternative Vorgehensweise bietet die Scrum-Methode. Sie wird nicht nur bei Software-Projekten eingesetzt, sondern auch in Schulen, Regierungs- und Marketingprojekten, zur Verwaltung von Organisationen und der Entwicklung von fast allem, was wir in unserem täglichen Leben als Einzelpersonen und Gesellschaften verwenden. Bei Scrum nähert man sich einem gewünschten Ziel in kleinen, iterativen Schritten. Der Kunde bekommt dabei frühzeitig funktionierende Teilprodukte zu sehen und zu testen, sodass er Einfluss auf den weiteren Entwicklungsprozess nehmen kann. Es ist auch nicht notwendig, gleich zu Beginn sämtliche Nutzerwünsche zu definieren und alle möglichen Eventualitäten einzuplanen. Die Nutzerwünsche an das Programm werden stattdessen über das Scrum-Team auf zweiwöchige Sprints verteilt und dann von den Entwicklern innerhalb dieser Zeit umgesetzt. Das Programm wächst dadurch nach und nach in kurzen Bearbeitungszyklen. Nach jedem Sprint liegt ein funktionsfähiges Produkt vor. Voraussetzung für das agile Arbeiten mit Scrum ist ein gemeinsames Werteverständnis. Die Werte sind nach dem offiziellen Scrum Guide Selbstverpflichtung, Mut, Fokus, Offenheit und Respekt. Aus diesen Werten ergeben sich die Prinzipien, Techniken und Methoden wie Scrum-Ereignisse, Rollen und Artefakte. Um die Werte tatsächlich zu leben, sollten sie im Team bereits vor Projektstart intensiv besprochen und ein gemeinsames Verständnis über Prioritäten und Nachrangigkeiten erarbeitet werden.

Intrinsische Motivation

Jedes Mitglied im Scrum-Team ist sich bewusst, Teil einer gemeinsamen Sache zu sein, wobei jeder aus seiner individuellen Position heraus in ein und dieselbe Richtung drängt. Das Team handelt selbstorganisiert, ohne dass jemand die Führungsrolle innehat. Das schafft Raum für die intrinsische Motivation jedes Einzelnen, der eigenverantwortlich mit seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Verbesserung des Produkts beiträgt. Je länger und intensiver die Beteiligten an der Produktweiterentwicklung arbeiten, umso besser werden die Arbeitsatmosphäre und die Qualität des Produkts. Je gemischter und vielfältiger das Projekt-Team zusammengesetzt ist, umso stärker sind die Synergien, die sich wiederum in Qualität und Schnelligkeit des Prozesses zeigen.
Um die anfänglich bestehende Begeisterung und Freude über die schnell sichtbaren Ergebnisse unmittelbaren Gestaltens aufrechtzuerhalten, sind bestimmte Rituale wie die Retrospektiven im Scrum-Prozess vorgesehen. Retrospektiven dienen dazu, die Arbeitsprozesse und technischen Fähigkeiten des Projekt-Teams ständig auszubauen und zu verfeinern. Über die Technik Lessons Learned hinaus bietet es dem Team die Gelegenheit, sich selbst, die beteiligten Personen und die Beziehungen untereinander zu überprüfen sowie Verbesserungen des Prozesses und der Werkzeuge offen anzusprechen.

Projektstruktur sorgsam wählen

Auch mit Scrum bleibt die tägliche Arbeit nicht konfliktfrei. Eine Herausforderung können zum Beispiel Konflikte zwischen den Beschäftigten der Linienaufgaben und der Projekte darstellen. Eine zu starke Trennung dieser beiden Bereiche ist deshalb nicht zu empfehlen. Die im Projekt Eingebundenen beklagen in einem solchen Fall oft, dass Führungskräfte in der Linie Mitarbeiter aus dem Projekt kurzfristig abziehen und das Tagesgeschäft der Linie Vorrang hat. Die Linie beklagt hingegen, dass Projektverantwortliche sich in das Tagesgeschäft einmischen und stets über neue Entwicklungen informiert werden wollen, welches für die Linie zu Mehrarbeit führt. Optimal für eine agile Produktentwicklung ist es, Akzeptanz zwischen Linien- und Projektverantwortlichen zu schaffen. Insbesondere durch die Einbindung ganz unterschiedlicher Stakeholder, die alle das Ziel eint, ein lauffähiges Produkt zu entwickeln, kann dies gelingen. Dies ist erstens durch eine klare Definition der Projektorganisation und zweitens mit klaren Regeln zu den übertragenen Aufgaben zu schaffen. Projektmitglieder sollten daher für einen bestimmten Teil ihrer Arbeitszeit mit Projektaufgaben betraut werden. Dies sollte transparent für alle Kollegen des Amts erfolgen.
Projektarbeitsgruppen entstehen häufig dann, wenn Aktivitäten in der Vergangenheit nicht optimal gelaufen sind oder gänzlich neue Herausforderungen schnelle Lösungen erfordern. Dann sind meistens verdienstvolle und bereits vielfältig eingebundene Mitarbeiter gefragt, die im Grunde mit den Linienaufgaben allein ihr Arbeitspensum erfüllt haben. Die Projektstruktur sollte deshalb gleich zu Beginn sorgsam gewählt werden. Auch sollten schon zu Beginn entsprechende Rahmenbedingungen in personeller wie zeitlicher Hinsicht geschaffen werden.

Regierungsdirektorin Peggy Liebscher ist stellvertretende Referatsleiterin Strategische Vorausschau; Politische Planung im Bundeskanzleramt.




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