Mittwoch, 8. Januar 2025

NetzwerktreffenAls Vorbild vorangehen

[11.01.2022] Von der Digitalisierung über den Fachkräftemangel bis hin zum Klimawandel stehen den Kommunen große Herausforderungen ins Haus. Beim ersten Netzwerktreffen der Jungen Bürgermeister*innen wurden eben diese Zukunftsthemen in den Blick genommen.
Junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Austausch.

Junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Austausch.

(Bildquelle: Privat)

Sie sind jung, sie sind dynamisch und sie wollen etwas verändern. Und zu tun gibt es viel: Da wäre die Digitalisierung, die in den Kommunen in vollem Gange ist und viele Einrichtungen umfasst, von der Verwaltung über die Schulen bis hin zu den städtischen Betrieben. Da wäre der Fachkräftemangel, der seinen übergroßen Schatten vorauswirft und Kommunen in echte Not bringen wird. Da wären die Superthemen Klimawandel und Klimaschutz, welche die Gemeinden ebenfalls vor erhebliche gestalterische und finanzielle Herausforderungen stellen. Und da wären die Themenfelder Bürokratieabbau, Bürgerbeteiligung und Mobilität im ländlichen Raum, die es obendrein umzusetzen und voranzubringen gilt. In Kommunen ist derzeit also Einiges im Wandel begriffen. Um dabei handlungsfähig zu bleiben und Gestaltungsspielräume zu erhalten, sind neue Ansätze gefragt.

Ein junger Blick auf kommunale Herausforderungen

Mitte November 2021 kamen rund 80 Kommunalpolitiker und Amtsleiter zum ersten Netzwerktreffen der „Jungen Bürger­meister*innen“ in Berlin zusammen, um sich über genau diese Gegenwarts- und Zukunftsthemen auszutauschen. Das Netzwerk hat sich 2019 gegründet, ihm gehören nur solche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister an, die bei ihrer letzten Wahl höchstens 39 Jahre alt gewesen sind. Bundesweit gibt es davon 640. „Wenn man Bürgermeister wird, kann man sich in die kommunalen Spitzenverbände wählen lassen, sobald es aber mehrere Bewerbungen gibt, erhält meistens der dienstälteste Kollege den Vortritt“, erklärt Michael Salomo, Oberbürgermeister der baden-württembergischen Kreisstadt Heidenheim. „Das hat zur Folge, dass junge Kolleginnen und Kollegen in den Gremien nicht vertreten sind.“ Auch aus diesem Grund hat sich das Netzwerk gebildet, das im Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) beim Innovators Club angesiedelt ist.
Die Teilnehmer verstehen sich als „Vorbilder, Wegbereiter und Mutmacher“. So steht es auf der Website des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen. Sie wollen eine „junge Sicht auf die kommunalen Dinge“ einnehmen. „Jede Generation wächst mit ihren eigenen Herausforderungen heran“, sagt Salomo, „und ich glaube schon, dass es wichtig ist, einen jungen Blick darauf zu werfen.“ Vieles gehe zu langsam voran: Seit Ende der 1980er-Jahre sind die Glasfasertechnologie und der breitbandige Internet-Zugang im Gespräch – und bis heute kaum vorangekommen. Bis 2030 fallen 750.000 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weg – und noch immer gibt es keine Lösung für die daraus resultierenden strukturellen Herausforderungen. „Solche Dinge werden von Kollegen, die fünf Jahre vor der Pensionierung stehen, vielleicht nicht mehr ganz so massiv bewegt wie von Leuten, die sich noch die nächsten 30 Jahre damit befassen müssen“, sagt der Heidenheimer OB.

Eine authentische Arbeitgebermarke entwickeln

Beim ersten Treffen des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen stellte das Beratungsunternehmen PwC die Ergebnisse einer Umfrage in Kommunen rund um die Chancen der Digitalisierung vor. Sie werden von den Befragten vor allem im Bereich Mobilität (Sharing Economy), Nahversorgung (Online-Handel) und Neue Arbeit (Homeoffice) gesehen und erhöhen insgesamt die Standortattraktivität. Auch die öffentliche Verwaltung sowie Bildung und Kultur profitieren davon, wenn bestehende Herausforderungen wie digitale Infrastrukturen, neue Kompetenzen und der demografische Wandel gemeistert werden. Angesichts des grassierenden Fachkräftemangels – der öffentliche Dienst soll mit 60 Prozent Mitarbeiterschwund bis 2040 am stärksten vom personellen Aderlass betroffen sein – warf die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) einen Blick auf das moderne Personal-Management. Einerseits gehe es darum, die interkommunale Zusammenarbeit zu stärken und bürgerschaftliches Engagement besser zu nutzen, andererseits sei Employer Branding – das Entwickeln einer authentischen Arbeitgebermarke – noch viel zu wenig im öffentlichen Sektor bekannt. Verwaltungen und Kommunen seien gut beraten, wenn sie aktiv als Arbeitgeber auftreten, die eigenen Stärken hervorheben und Zielgruppen kreativ ansprechen. So wie die westfälische Stadt Hamm, die mit dem Slogan „Highway to Hamm“ auf die Suche nach Bauingenieuren geht. Auch Themen wie Quereinstieg, neue Führungsrollen und eine auf modernen Faktoren beruhende Arbeitgeberattraktivität würden für die Personalsuche immer wichtiger.

Von Unternehmen profitieren

Bei der Modernisierung stehen den Kommunen viele Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite. So bieten Firmen wie Vialytics oder Edgital beispielsweise Systeme zur automatischen Straßenzustandserfassung an. Fotos von Schäden im Fahrbahnbelag auf Straßen und Radwegen werden hierzu von einer künstlichen Intelligenz (KI) ausgewertet, kartografiert und dem Bauamt gemeldet. Localexpert24 versteht sich als Expertennetzwerk für Tiefbau nach dem Motto: „Die Wahrheit liegt vor der Baggerschaufel“. Die Ingenieure teilen bei Tiefbauarbeiten deshalb ihre Beobachtungen auf einer Plattform und stellen sie anderen Firmen zur Verfügung. Diese können dann auf Fotografien, bereits verfügbare Gutachten, Informationen über örtliche Ansprechpartner und weitere Expertenhinweise zugreifen. Tickaroo wiederum unterstützt Kommunen im Bereich Bürgerbeteiligung und Transparenz. Das Start-up bindet einen Liveblog in die Website der Kommune ein, sodass beispielsweise Gemeinderatssitzungen in Echtzeit übertragen werden können. Bilder, Videos oder Social Media News lassen sich ohne technisches Hintergrundwissen einbinden.

Den Männerüberhang abbauen

Zum Klimawandel als drängendes Thema äußerte sich ZDF-Wetterfrau Katja Horneffer beim ersten Treffen der jungen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Sie stimmte die Kommunen auf die kommenden Klimaszenarien ein. Denn laut den Klimawirkungs- und Risikoanalysen des Umweltbundesamts wird es ab Mitte dieses Jahrhunderts zu größeren Veränderungen kommen, das heißt einer hohen Jahresmitteltemperatur, mehr heißen Tagen und tropischen Nächten sowie geringerem Niederschlag. Dabei verschieben sich die Hotspots im Zeitverlauf vom Osten der Republik in den Westen. Den Kommunen empfahl Horneffer, sich rechtzeitig damit zu beschäftigen, Klimaschutzbeauftragte zu engagieren, Hitzeschutzpläne aufzustellen, in Städten Flächen zu entsiegeln und mehr Dächer zu begrünen. Insgesamt sollte größeres Gewicht auf eine regenerative Landwirtschaft, eine klimaresistente Bepflanzung, besseren Küstenschutz und den Waldumbau gelegt werden.
Von einem weiteren Strukturproblem ist das Netzwerk Junge Bür­ger­meister*innen selbst betroffen: einem augenfälligen Männerüberhang. Auf den Podien, an den Stehtischen und in den Konferenzräumen waren mehrheitlich Männer vertreten. Bürgermeisterin Antonia Walch aus Sternenfels sagte: „Es gibt nur 95 Bürgermeisterinnen in insgesamt 1.001 Gemeinden in Baden-Württemberg, obwohl 70 Prozent der Absolventen der Verwaltungshochschule Frauen sind.“ Auch auf dieser Ebene gibt es also einigen Aufholbedarf, wofür das Netzwerk sicherlich die richtige Plattform ist.

Helmut Merschmann




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