Donnerstag, 5. Dezember 2024

IT-InnovatorenAm Zweck bemessen

[02.05.2016] Der Einsatz moderner Technik kann sinnvoll sein, muss er aber nicht. Bei Ursula Keck, Oberbürgermeisterin der Stadt Kornwestheim, kommen deshalb nur solche E-Government- und IT-Lösungen zum Einsatz, die tatsächlich entlasten.
Oberbürgermeisterin Ursula Keck bringt Bücher und IT zusammen.

Oberbürgermeisterin Ursula Keck bringt Bücher und IT zusammen.

v.l.: OB Ursula Keck; Sabine Stemmler, derzeitige Leiterin der Stadtbücherei; Alexandra Frisch, künftige Leiterin der Stadtbücherei

Ohne IT funktioniert Verwaltung nicht mehr, weiß Ursula Keck, Oberbürgermeisterin der Stadt Kornwestheim. Als sie im Jahr 1984 ihre Ausbildung an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Stuttgart aufnahm, war das noch nicht abzusehen. Damals hatte man ihr sogar gesagt, dass sie das Schreibmaschinenschreiben nicht zu lernen braucht – schließlich werde immer eine Sekretärin für Schreibaufgaben zur Verfügung stehen. Als Aufbauhelferin im Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung kam sie dann zum ersten Mal mit Computern in Berührung und in Kirchheim unter Teck, wo sie von 1994 bis 1999 Ortsvorsteherin war, weckten die digitalen Neuerungen endgültig ihr Interesse: „Als die Stadt die E-Mail einführte, war ich fasziniert davon, dass versandte Nachrichten nur wenige Augenblicke später in Amerika ankommen. Mir wurde klar, dass diese Lösung das Büroleben komplett verändern wird und habe daraufhin sofort das Schreibmaschinenschreiben gelernt.“ Im Jahr 2007 wurde Ursula Keck dann Oberbürgermeisterin der baden-württembergischen Stadt Kornwestheim. Gegenüber dem Thema E-Government ist sie aufgeschlossener denn je. Dabei ist IT für Keck überall dort sinnvoll, wo sie entlastet. E-Government erfülle deshalb nur dann seinen Zweck, wenn dadurch Arbeitsabläufe verbessert, Kosten reduziert und mehr Bürgerorientierung erreicht werden. „Ich hinterfrage immer, was eine solche Lösung den Verwaltungsmitarbeitern auf der einen und den Bürgern auf der anderen Seite bringt. Schließlich müssen sich die hohen Kostenblöcke der IT im Arbeitsprozess amortisieren“, erklärt die OB.

Im IT-Einsatz auf der sicheren Seite sein

Im Ordnungswidrigkeitsverfahren beispielsweise erfüllt die Technik diese Effizienzanforderungen und Kornwestheim kann dessen Abläufe ohne manuelle Formulare abwickeln. Bei der Gremienarbeit erfüllt die IT ebenfalls ihren Zweck. Die Stadt bietet deshalb ein vernetztes System für Gemeinderäte an. „Das Ratsinformationssystem wird gerne zu Recherchezwecken genutzt“, erklärt die Oberbürgermeisterin. „Aktuelle Vorlagen aber drucken wir noch aus – nicht zuletzt, weil sich einzelne Gemeinderäte mit der digitalen Vorgehensweise schwer tun. Und auch für umfangreiche Vorlagen wird Papier bevorzugt.“ Um beim IT-Einsatz auf der sicheren Seite zu sein, hat sich Kornwestheim der Kommunalen Datenverarbeitung und dem Rechenzentrum der Region Stuttgart (KDRS/RZRS) angeschlossen. „Das ist wirtschaftlich ein großer Vorteil und die Stadt wird um die Aufgaben rund um den Server entlastet“, sagt Keck. Auch mit Blick auf die IT-Sicherheit sei es die bessere Lösung. „Vor drei Jahren gab es im Rathaus einen Wasserschaden“, erinnert sich die Oberbürgermeisterin. „Der Rathausturm, in dem sich damals noch die ganze Technik befand, wurde überflutet. Wir hatten keinen Strom mehr und die IT wurde komplett abgestellt. Glück war, dass der Wasseranstieg zwei Zentimeter unterhalb des Servers gestoppt werden konnte. Mit diesem Ereignis wurde mir erst bewusst, was ein Stromausfall bedeutet und wie schnell es dazu kommen kann.“

Oberbürgermeisterin mit Facebook-Profil

Bei der Kommunikation nach außen spielt IT ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Bürger treten nicht mehr nur über den klassischen Postweg oder beim persönlichen Besuch mit der Verwaltung in Kontakt. Das Internet hat sich als ebenso wichtige Zugangsmöglichkeit etabliert. Ganz digitalisieren ließe sich die Bürgerkommunikation aber nicht. „Zwar nutzen die Bürger das Internet gerne, aber den persönlichen Kontakt zum Rathaus werden wir dadurch nie ersetzen können“, sagt Ursula Keck. Als wichtiger Teil der Bürgerkommunikation hat sich die Social-Media-Anwendung Facebook in Kornwestheim durchgesetzt. „87 Prozent der Deutschen sind heute Internet-Nutzer“, erklärt die Oberbürgermeisterin. „Und jeder vierte davon nutzt Facebook. Aufgrund dieser Breitenwirkung hat sich Kornwestheim für die Facebook-Nutzung entschieden.“ Für die Facebook-Seite Kornwestheims ist die Stabsstelle Gremien und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Als Oberbürgermeisterin pflegt Ursula Keck außerdem ein eigenes Facebook-Profil. „Durch diese Trennung zwischen Stadt und Oberbürgermeisterin werden auch deren jeweilige Aufgaben deutlich“, begründet sie die Unterscheidung. Und die Bürger nehmen das an: Wollen sie via Facebook mit der Stadt kommunizieren, nutzen sie in der Regel auch den städtischen Auftritt in dem sozialen Netzwerk. Wollen sie hingegen mit der Oberbürgermeisterin in Kontakt treten, senden sie die Nachricht über die OB-Seite. Zum ersten Mal am Tag ruft Ursula Keck ihr Facebook-Profil auf, wenn sie am Morgen die Zeitungen gelesen hat. Tagsüber ist sie selten aktiv, aber abends, wenn sie zum letzten Mal ihre E-Mails durchgeht, klickt sie sich auch noch einmal durch das soziale Netzwerk. Dieser Account sei für sie rein dienstlich. Für die private Kommunikation nutzt sie ihn nicht. „Ich habe kein privates Profil auf Facebook“, sagt Keck. Wie aktiv die Oberbürgermeisterin in dem Netzwerk ist, hängt nicht zuletzt von der Zahl der Anlässe ab. „Auf Veranstaltungen mache ich beispielsweise ein Foto, schreibe etwas Text dazu und stelle dies nach der Veranstaltung online.“

Kein Technik-Freak, aber Nutzerin

Keck erwartet, dass die Verwaltung durch die IT einst komplett vernetzt sein wird. Das wird für eine hohe Effizienz und Transparenz in den Arbeitsprozessen sorgen. „Der Bürger findet dann ein Bürgerbüro vor, das ihn an einer Stelle zu allen Anliegen berät.“ Bei allen Vorteilen verliert Ursula Keck aber nicht die Gefahren aus dem Blick, die mit der Digitalisierung einhergehen – beispielsweise durch die via Internet gesammelten Daten. „Behörden reden viel über Datenschutz“, hält sie fest. „Wenn man dem gegenüber stellt, wie großzügig die Menschen privat mit ihren Daten umgehen, bekomme ich den Eindruck, dass wir eine Diskussion führen, die an der Realität vorbeigeht: Die Behörden als akribische Datenschützer auf der einen Seite, während auf der anderen Seite eine Datenvernetzung stattfindet, die nicht mehr aufzuhalten ist.“
Für die Oberbürgermeisterin ist klar, dass sie immer wieder mit technischen Neuerungen konfrontiert sein wird. „Auch wenn ich nicht mehr im Amt bin, werden sie mich beruflich und privat begleiten. Beispielsweise kann ich dank der neuen Technologien den Kontakt zu meinem Enkel in Barcelona besser halten.“ Allerdings findet auch in ihrem Privatleben nicht jede moderne Lösung Eingang in den Alltag. Beispielsweise liest Ursula Keck leidenschaftlich gerne. „Aber keine E-Books“, wie sie betont. „Wenn ich lese, dann möchte ich ein richtiges Buch in der Hand halten. Das ist ein ganz anderes Leseerlebnis.“ An anderer Stelle aber erfüllt die moderne Technik in der Bücherwelt ihren Zweck: In der im Jahr 2013 eröffneten neuen Bücherei in Kornwestheim sorgen RFID-Chips für optimierte Abläufe, indem bei der Ausleihe und bei der Rückgabe elektronisch verbucht wird. „Die Büchereimitarbeiterinnen haben mir vor der Einführung prognostiziert, dass die Leser das Angebot nicht annehmen werden, da sie den Kontakt zur Informationsstelle in der Bücherei suchen“, sagt Oberbürgermeisterin Keck. „Fakt ist nun aber, dass 95 Prozent der Verbuchungen über das System laufen. Die Bürger profitieren dabei von einem 24-Stunden-Service und die Mitarbeiterinnen haben mehr Zeit für die Beratung.“ Wenn sie vor allem Vorteile bringt, wird IT akzeptiert, weiß OB Keck und räumt ein: „Ich selbst bin auch kein Technik-Freak, sondern lediglich Nutzerin. Und als Nutzerin erwarte ich nicht nur, dass die Technik läuft, sondern auch, dass sie den Alltag erleichtert. Daran bemesse ich sowohl im Berufsleben als auch privat, ob eine IT-Lösung sinnvoll ist und Zukunft hat.“

Verena Barth




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