WittenbergAmt aus dem Koffer
Mehrere Monate lang hat die Stadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr den Bürgerkoffer der Bundesdruckerei getestet. Dieser beinhaltet den kompletten Arbeitsplatz eines Bürgeramts. Die Mitarbeiter der Stadt Wittenberg haben ihn in dezentralen Bürgerbüros aufgestellt und mit seiner Hilfe beispielsweise die notwendigen Daten zur Beantragung von Ausweisdokumenten erfasst. Die Resonanz bei den Bürgern war durchweg positiv. Mobile Bürgerdienste sind ein entscheidendes Signal in Zeiten sinkender Bevölkerungszahlen. Gerade in den östlichen Bundesländern ist der demografische Wandel bereits deutlich zu spüren. Nach einer Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) nimmt das Durchschnittsalter der Bevölkerung bis zum Jahr 2030 von derzeit 43 Jahre auf über 47 Jahre zu, in weiten Teilen Ostdeutschlands sogar auf über 50 Jahre. Die Zahl der über 80-Jährigen wird bis 2030 um rund 60 Prozent steigen. Und während Städte wie München oder Berlin sich über Zuwachs und Neubürger freuen, wird die Lage in ländlichen Kreisen immer prekärer. Nach Ansicht der Bevölkerungsforscher werden die Einwohnerzahlen dort um mehr als ein Fünftel sinken. Das hat zur Folge, dass Außenstellen von Bürgerämtern geschlossen werden müssen. Für Menschen, die weniger mobil sind, hat dies gravierende Auswirkungen. Anfahrtswege werden länger und Behördengänge zeitaufwendiger. Hinzu kommt, dass Kommunen angesichts angespannter Haushaltslagen zu Einsparungen gezwungen sind. In vielen Regionen erhöht sich somit der Druck, Bürgerbüros zu schließen.
Transportfreundliches Bürgerbüro
Hier setzt der Bürgerkoffer als serviceorientierte Alternative an. Genau das hat die Stadt Wittenberg überzeugt, gemeinsam mit der Bundesdruckerei das Pilotprojekt „Mobile Bürgerdienste“ durchzuführen. In Kooperation mit dem für Wittenberg tätigen Rechenzentrum wurde die mobile Lösung entwickelt, die Installation des Fachverfahrens für den Bürgerkoffer abgestimmt und die Sicherheit der Daten an die hohen Standards der Bundesdruckerei angepasst. Der Koffer kann im Grunde alles, was ein Bürgerbüro kann. Er ist leicht zu bedienen und der Inhalt ist einfach aufzubauen. Der Koffer kann einen Laptop, einen Drucker, einen Scanner, ein EC-Kartenlesegerät, ein Unterschriften-Pad, einen Fingerabdruck-Scanner und ein Änderungsterminal aufnehmen. Mit dieser Ausrüstung können die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung vor Ort Dokumente erstellen und beantragen. Mit seinen handlichen Maßen und einem Gewicht von rund 15 Kilogramm in der Standardausstattung erfüllt der Koffer die arbeitsrechtlichen Vorschriften und lässt sich gut transportieren. Neben anderen Dienstleistungen einer Behörde lassen sich mit der Lösung alle Funktionen rund um die Beantragung von Pass, Personalausweis oder Aufenthaltstitel durchführen: Die Daten des Bürgers werden aufgerufen und verarbeitet. Mit der installierten Kamera können direkt vor Ort biometrische Fotos gemacht werden. Zudem können Fingerabdrücke und Unterschrift erfasst werden. Auch die Sicherheit steht der im Bürgerbüro in nichts nach: Die Daten werden über ein geschütztes VPN-Netz direkt zum Rechenzentrum der Stadt Wittenberg weitergeleitet. Der Koffer selbst speichert keinerlei Daten. Die integrierte Technik dient lediglich zur Anzeige der Benutzeroberfläche, zur Datenaufnahme und -weitergabe.
Koffer kommt an
Bis September 2013, dem Ende der Pilotphase, wurde der Koffer in den Ortsteilen Wittenbergs in insgesamt 55 Bürgersprechstunden eingesetzt. Die städtischen Mitarbeiter arbeiteten gerne damit und waren besonders von einer Sache beeindruckt: Der Koffer ist mit wenigen Handgriffen schnell einsatzbereit. Die einzelnen Komponenten sind fest verbaut, sodass der Behördenmitarbeiter selbst keine Installationen vorzunehmen braucht. Außerdem ist durch die deutlich schnellere LTE-Internet-Verbindung und das neue Unterschriften-Pad ein noch zügigeres Arbeiten möglich. Bei den Bürgern kamen die mobilen Bürgerdienste ebenfalls ausgesprochen gut an. Mit dem Bürgerkoffer der Bundesdruckerei kann aber nicht nur das Angebot in ländlichen Regionen abgedeckt werden. Auch in Universitätsstädten bietet sich der Einsatz an, wenn Studenten sich zu Semesterbeginn ummelden müssen oder einen Zweitwohnsitz beantragen. Denn dann geraten die Bürgerbüros häufig an ihre Kapazitätsgrenzen. Eine Verlagerung hin zu mobilen Diensten, sprich: ein Bürgerkoffer in der Uni-Bibliothek, wäre eine wirksame Entlastung. Ohnehin sind öffentliche Räume wie Bibliotheken, Altersheime oder Begegnungsstätten ideale Orte, an denen sich der Koffer schnell und unkompliziert aufbauen lässt. Auch in Großstädten und Metropolregionen können Bürgerbüros und Verwaltungskunden auf diesem Weg entlastet werden. Nicht zuletzt ist auch ein Einsatz beim Bürger zu Hause machbar. Mehr Bürgernähe geht dann fast nicht.
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