Freitag, 10. Januar 2025

REPORTAusfälle beim neuen Ausweis

[10.01.2011] Hoher Zeitdruck und eine überforderte Bundesdruckerei: Die Einführung des neuen Personalausweises steht unter keinem guten Stern. Fehlerhafte Software, defekte Terminals und lange Wartezeiten für Bürger kennzeichnen das ambitionierte IT-Projekt des Bundes.

Für Thomas de Maizière gibt es keinen Zweifel: „Dieser kleine Ausweis ist hundert Mal sicherer als alle anderen Verfahren, mit denen man Geschäfte im Internet abschließen kann.“ Dies sagte der Bundesinnenminister in einem Video-Podcast, in dem er Anfang Dezember vergangenen Jahres Fragen von Bürgern zum neuen Personalausweis (nPA) beantwortete. de Maizière versuchte insbesondere Zweifel an der Sicherheit des RFID-Chips zu entkräften: „Der Chip kann unberechtigt nicht ausgelesen werden.“ Der Bürger bestimme selbst, welche Daten freigegeben werden. Bei Online-Geschäften müssten nur die dafür notwendigen Informationen weitergegeben werden. Außerdem seien die Anbieter von entsprechenden Diensten von staatlicher Seite zertifiziert.

AusweisApp nur für Windows

Dass die Funktionen des neuen Personalausweises sicherer sind als bisher übliche PIN/TAN-Verfahren steht außer Zweifel. Allerdings macht der kleine Ausweis an anderer Stelle große Probleme. Der Chaos Computer Club hatte noch vor der Einführung des nPA herausgefunden, dass bei Verwendung einfacher Lesegeräte die persönliche Geheimnummer (PIN) mittels Spionage-Software ausgespäht werden kann. Mitte November 2010 wurde das nächste Leck bekannt. Ein Mitglied der Piratenpartei Deutschland entdeckte, dass es möglich war, im Rahmen eines Updates der Software zur Nutzung der Online-Ausweisfunktion des nPA (AusweisApp) Schadprogramme auf den Computer des Nutzers einzuschleusen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stoppte daraufhin den Download der AusweisApp und beauftragte die beteiligten Firmen OpenLimit SignCubes und Siemens IT Solutions and Services die Sicherheitslücke zu schließen. Dies dauerte erstaunlich lange. Erst seit Anfang Januar des neuen Jahres steht die AusweisApp wieder zum Download zur Verfügung. Allerdings nur für Windows-Betriebssysteme. Bürger, deren Rechner unter Linux oder Mac OS laufen, können bis dato die Online-Funktionen nicht nutzen.

Kommunale nPA-Erfahrungen

Für die Kommunen war die Einführung des neuen Personalausweises nicht nur organisatorisch eine Herausforderung. Auch technisch gab es vielerorts Probleme: Die von der Bundesdruckerei gestellten Änderungsterminals funktionierten nicht. An den Geräten werden die digitalen Inhalte auf dem Chip der Ausweiskarte geprüft und die elektronischen Funktionen freigeschaltet. In vielen Städten wurden deshalb die fertigen Ausweise nicht ausgegeben. In Bochum beispielsweise konnten die Bürger den Ausweis zwar schon mal anfassen, aber nicht mitnehmen. „Wir mussten die Leute wieder wegschicken“, sagte Barbara Gottschlich, die Sprecherin der Stadt, laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung. In Hagen fielen alle Terminals aus, gleiches meldete die Stadt Würzburg, die deshalb mehrere Tage lang gar keine neuen Ausweise mehr ausgab. In Oldenburg hatte das Bürgerbüro Schwierigkeiten, die Antragsformulare mit den vom Bund vorgeschriebenen Scannern einzulesen – die Geräte waren nicht kompatibel mit der Rathaus-Software. Als dieses Problem gelöst war, machten ebenfalls die Änderungsterminals schlapp. In Hamburg traten in allen sieben Bezirken Schwierigkeiten auf. „Wir haben Verzögerungen und Ausfälle beim Ausstellen der Ausweise, die sich mit normalen Programmfehlern nicht erklären lassen“, sagt Petra Schulz vom Bezirksamt Harburg dem Hamburger Abendblatt.

Ärgernis von Anfang an

Auch in Regensburg funktionierte zeitweise nicht einmal die Hälfte der 25 Terminals. Hans Schaidinger, Oberbürgermeister der Stadt und Vorsitzender des Bayerischen Städtetags, platzte daraufhin der Kragen: Die Einführung des neuen Personalausweises sei von Anfang an ein Ärgernis gewesen. Schaidinger: „Zuerst wollte der Bund die Kosten auf die Kommunen abwälzen, dann lief die Organisation holprig und jetzt macht die Aushändigung der Ausweise Probleme.“ Ärgerlich seien im Vorfeld des Projektes beispielsweise häufige Terminverschiebungen und unkoordinierte Informationen von Bund und Bundesdruckerei gewesen. Zudem seien die erforderlichen Geräte zu spät und fehlerhaft an die Kommunen ausgeliefert worden. „Die Pfuscherei des Bundes geht nun zulasten der Bürger. Sie können nicht nachvollziehen, dass die Passämter ihren Ausweis nicht aushändigen können, weil ein Gerät nicht funktioniert“, machte der Regensburger OB seinem Unmut Luft.

Hessisches Sonderproblem

Ein ganz anderes Problem trat in Hessen auf: In über 100 Kommunen waren neue Personalausweise, die in der Zeit vom 1. bis zum 16. November 2010 beantragt wurden, falsch ausgestellt. Auf den Ausweisen fehlte der Name der ausstellenden Behörde. Wie der für hessische Kommunen zuständige IT-Dienstleister ekom21 mitteilte, spielten für die Panne mehrere Faktoren eine Rolle. So seien beispielsweise nicht in allen Kommunen Testausweise produziert worden. Hinzu gekommen sei, dass von rund 200 Behörden, die Testausweise angefordert hatten, lediglich 44 einen solchen von der Bundesdruckerei erhalten hätten. Wären sämtliche Testdokumente an die Kommunen versandt worden, so ekom21, wäre der Fehler frühzeitig aufgefallen und hätte noch behoben werden können. ekom21-Geschäftsführer Bertram Huke verwies auf die ohnehin mit Schwierigkeiten und hohem Termindruck verbundene Einführungsphase des nPA: „An manchen Tagen gab es mehrere Programm-Updates und Rundschreiben von der Bundesdruckerei. Der Zeitdruck war für alle Beteiligten enorm.“

Weitere Kinderkrankheiten

Ein anderes Problem stellt sich bundesweit: Die Briefe mit der PIN, mit welcher der Ausweis freigeschaltet werden kann, kommen bei den Bürgern zum Teil früher an als der Personalausweis im Einwohnermeldeamt. Deshalb empfehlen vorausschauende Bürgerämter ihren Kunden, erst anzurufen und nachzufragen, ob der Ausweis auch vorliegt. Zudem gibt es immer noch Lieferengpässe bei der Bundesdruckerei: Viele Bürger warten noch heute auf die Ausweise, die sie Anfang November beantragt haben.
Die Bundesdruckerei bestätigte Verzögerungen bei der Auslieferung. Die Produktion des neuen Personalausweises sei Anfang November mit einer komplett neuen Fertigungsstraße gestartet worden. „Es ist durchaus normal, dass es bei solchen komplexen Prozessen in der Startphase zu Schwierigkeiten kommt“, sagte eine Sprecherin der Bundesdruckerei dem Westdeutschen Rundfunk. Es sei bedauerlich, dass die Menschen, die den neuen Ausweis früh beantragt hätten, länger warten müssten als andere. Anfangs seien die technischen Probleme noch größer gewesen. Nach Angaben der Bundesdruckerei sind die Probleme mit den Änderungsterminals der heterogenen IT-Landschaft in den Kommunen geschuldet. Offenbar arbeiten nicht alle Melde-Programme mit der Software der Bundesdruckerei zusammen. Immerhin hat die Bundesdruckerei nun einen Support mit über 100 Mitarbeitern eingerichtet, die technische Probleme vor Ort lösen und Fragen telefonisch beantworten.

Abschaffung des Rufnamens?

Für eine der wenigen positiven Nachrichten rund um den nPA sorgte einer der Hersteller von Melde-Software: Das Unternehmen HSH, Anbieter der Lösung MESO, bezeichnete die Einführung des neuen Personalausweises bei seinen Kunden als gelungen. Trotz der umfangreichen Software-Anpassung sei der elektronische Beantragungsprozess störungsfrei und ohne Probleme verlaufen.
Solche Schlagzeilen blieben jedoch die Ausnahme. Nochmals für große Aufregung sorgte ein Bericht des ARD-Magazins Monitor. Weil in der maschinenlesbaren Zone des neuen Ausweises nur noch der erste Name aus der Geburtsurkunde genannt werde, hätte ein Bürger mit anderem Rufnamen bereits Probleme mit seiner Bank bekommen, ergaben Recherchen des Polit-Magazins. Das angeschriebene Bundesinnenministerium antwortete dem Bürger lapidar: Im rechtlichen Sinne gebe es keine Rufnamen, alle in einer Geburtsurkunde eingetragenen Namen seien gleichberechtigt. Der Bundesinnenminister höchstpersönlich nahm sich des Problems in seinem Video-Podcast an. Wie kann uns der Staat den Rufnamen streichen?, lautete eine der Fragen. Thomas de Maizière beruhigte die Bürger: „Das tut er natürlich nicht. Alle Vornamen werden auf den nPA vermerkt, auch in der maschinenlesbaren Zeile. Kein Rufname wird gestrichen.“

„Es läuft“

Thomas de Maizière besitzt übrigens schon einen neuen Personalausweis. Anfang Dezember nahm er das Dokument im Rathaus Schöneberg in Berlin in Empfang. Dabei erkundigte sich der Bundesinnenminister bei den Mitarbeitern der Meldebehörde zu ihren Erfahrungen bei der Beantragung und Ausgabe des neuen Personalausweises. Welche Antwort er erhalten hat, ist in der entsprechenden Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern nicht überliefert. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der den Innenminister bei seinem Behördengang begleitete, soll jedoch gesagt haben: „Allen Unkenrufen zum Trotz: Es läuft.“





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