Dienstag, 11. März 2025

StuttgartAusgereiftes Angebot

[18.06.2013] In Stuttgart wird seit fast einem Jahrzehnt am Aufbau von E-Government gearbeitet. Im zweiten Teil unseres Reports geht es um die seitdem erstellten digitalen Bürgerservices, wie beispielsweise ein ausgereiftes Beschwerde-Management.

Stuttgart hat im Bereich E-Government im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnete Erfahrungen gesammelt. Das sagt Ralf Armbruster, Leiter der Abteilung eGovernment und IT-Strategie, mit Blick auf das städtische Angebot digitaler Bürgerservices. Von der Suche nach einer Kindertagesstätte über die Beantragung einer Feinstaubplakette bis hin zur Störungsmeldung profitieren die Bürger vom umfassenden Web-Angebot der Stadt. „Ein Highlight war die Stuttgarter Online-Dienstleistung zur Beantragung einer Feinstaubplakette“, sagt Armbruster. „Hierbei handelt es sich um das erste kommunale Verfahren, das auch bundesweit genutzt worden ist.“ Um eine Feinstaubplakette zu beantragen, müssen die Bürger lediglich das Kfz-Kennzeichen angeben. Die Bezahlung erfolgt online. In der Regel geht dem Bürger die Plakette dann nach drei bis vier Tagen zu. Mehr als 80.000 Plaketten hat Stuttgart mittlerweile bundesweit ausgegeben. Jetzt soll die Anwendung für die mobile Nutzung erweitert werden. „Wenn etwa ein ausländischer Handwerker mit seinem Fahrzeug nach Stuttgart kommt, weiß er möglicherweise nichts von Umweltzonen und wie er einem Fahrverbot entgehen kann. Damit er ad hoc reagieren kann, soll es möglich werden, die Plakette via Smartphone zu beantragen und natürlich auch zu bezahlen. Dank eines Nachweises, beispielsweise in Form eines QR-Codes, soll der Fahrer, der ohne Plakette nach Stuttgart kam, dann trotzdem in die Stadt fahren können und so die Tage überbrücken, bis er die Plakette zugeschickt bekommt“, erläutert Stuttgarts CIO.

Intelligentes Beschwerde-Management

Jederzeit und mobil können die Bürger die Stuttgarter Verwaltung mithilfe des Störungsmelders auf die unterschiedlichsten Mängel in ihrer Umgebung aufmerksam machen. Dahinter steht ein Beschwerde-Management, bei dem der Prozess von der Meldung bis zur Erledigung automatisiert unterstützt wird. Wird eine Störung gemeldet, wird unverzüglich die für das jeweilige Thema zuständige Abteilung informiert. Je nach Störungsart kann das Problem innerhalb von Stunden abschließend bearbeitet werden. „Morgens auf dem Weg zur Arbeit habe ich eine defekte Treppe mit dem Smartphone fotografiert und gemeldet“, erzählt Klaus Fanz, Mitarbeiter der Abteilung eGovernment und IT-Strategie. „Eine halbe Stunde später habe ich eine E-Mail erhalten: ‚Vielen Dank für die Mitteilung. Wir kümmern uns darum.‘ Abends auf dem Rückweg war die Treppe bereits instand gesetzt.“ Eine geplante Erweiterung sieht vor, dass aufgrund der Geokoordinaten die Gemarkung und damit die zuständige Stelle für die Schadensbeseitigung ermittelt werden soll.

Kooperationsplattform sorgt für Service

Ein umfangreiches Informationsangebot rund um das Stadtleben bei minimalem eigenem Pflegeaufwand wird durch die Kooperationsplattform MeinServiceStuttgart sichergestellt, die kürzlich mit dem dbb Innovationspreis ausgezeichnet wurde (wir berichteten). Sie ermöglicht Vertretern von Firmen, Non-Profit-Organisationen, Vereinen oder anderen Institutionen die Abwicklung von Behördengängen auf elektronischem Weg und die Pflege ihrer Daten und entlastet so die Verwaltung. Um Zugang zu erhalten, sind die Registrierung und die Zuweisung von Rechten notwendig. Auf dieser Basis können dann Informationen in die gemeinsame Datenbank der Plattform eingepflegt werden. Das für den jeweiligen Themenbereich zuständige Amt gibt neu eingegebene Daten frei. Dank der dezentralen Eingabe und Aktualisierung der Informationen ergibt sich ein aktueller Datenbestand auf den Stuttgarter Internet-Seiten – etwa im Sport- oder Kulturwegweiser.

Kitas finden

Über die Kooperationsplattform werden auch die Daten für den Stuttgarter Kindertagesstättenfinder gepflegt. In diesem sind alle 560 Kindertageseinrichtungen und ihre Angebote erfasst. Dass sich tatsächlich alle – auch nicht kommunale – Einrichtungen für diese Plattform entschieden haben, ist darauf zurückzuführen, dass nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Kitas Vorteile aus der Anwendung ziehen, indem sie etwa auf der kommunalen Website repräsentiert und in ihren Statistikpflichten unterstützt werden. Bürger können mithilfe des Finders die Kita-Suche an ihre Interessenlage anpassen. Die Ergebnisse können von der Umkreissuche über das Alter des Kindes bis hin zum gewünschten Betreuungsangebot gefiltert werden. Künftig sollen Eltern über den Kita-Finder einen Platz bei einer oder mehreren Einrichtungen vormerken können. Wird ein vorgemerkter Platz an ein Kind vergeben, wird es von anderen Wartelisten automatisch entfernt. Die Kitas müssen dank des Systems weder ihre Wartelisten aktualisieren, noch Absagen schreiben. Mit dem Vormerker wird der Kindertagesstättenfinder außerdem zu einem Steuerungsinstrument für die Verwaltung, da die Mitarbeiter eine Übersicht über Mehrfachanmeldungen sowie über den tatsächlichen Anmeldebedarf haben. Mit Blick in die Zukunft sei es denkbar, Module aus dem Stuttgarter Kindertagesstättenfinder auf vergleichbare Fragestellungen zu übertragen, meint Ralf Armbruster. „Angesichts des demografischen Wandels wird die Suche nach Plätzen in der Altenpflege zunehmend an Bedeutung gewinnen. Stuttgart kann darauf reagieren: Mit dem
Kita-Finder sind die entsprechenden Module vorhanden, die lediglich an eine neue Situation angepasst werden müssen.“

E-Government vielfach ausgezeichnet

Dass sich die Arbeit der Abteilung eGovernment und IT-Strategie auszahlt, zeigt sich nicht zuletzt an der Vielzahl von Auszeichnungen, welche die Stadt Stuttgart für ihre E-Government-Aktivitäten erhalten hat. „Wir lehnen uns über unseren Erfolgen aber nicht zurück, sondern kümmern uns um die kontinuierliche Weiterentwicklung der Anwendungen“, sagt Klaus Fanz. Auch im Jahr 2013 sind viele Maßnahmen geplant, um den digitalen Bürgerservice voranzubringen. So soll nicht nur das E-Government-Framework erweitert, sondern auch das Thema Mobile Government vorangebracht werden. „Wir gehen davon aus, dass wir in den kommenden Monaten das Angebot machen können, gebührenpflichtige Anwendungen via Smartphone abzuwickeln“, so Fanz. Darüber hinaus ist etwa ein Online-Verfahren zur Sondernutzung des Straßenraums geplant. Neu gestartet ist bereits eine Web-Plattform für Baugemeinschaften in Stuttgart. Je nach Interessenlage sollen mithilfe des Portals Bürger zueinander finden, um beispielsweise ein Blockheizkraftwerk im Wohngebiet zu errichten. Fanz: „Mithilfe einer ähnlichen Plattform könnte das Zusammenleben von Jung und Alt organisiert werden – etwa was die Betreuung von Kindern berufstätiger Eltern anbelangt.“

Modell nicht einfach übertragbar

Trotz seines Erfolgs lässt sich das Stuttgarter Modell nicht so leicht auf andere Kommunen übertragen. „Da, wo wir jetzt stehen, sind wir über Jahre in vielen Schritten hingekommen“, meint Ralf Armbruster. „Andere Kommunen müssten hingegen erst ein solches Framework entwickeln, mit dem wir bereits seit Jahren arbeiten.“ Ab welcher Größe sich der Aufbau eines eigenen Systems für eine Kommune lohnen würde, will der Stuttgarter CIO nicht abschließend beantworten. „Ein eigenes CMS, wie wir es in Stuttgart haben, muss laufend weiterentwickelt und modernisiert werden, was auch Investitionen erforderlich macht. Andere Kommunen haben vor diesem Hintergrund nach ein paar Jahren einen Schnitt gemacht, eine Vielzahl eigener Daten und Lösungen über Bord geworfen und das Ganze komplett neu aufgesetzt. Das hat den Vorteil, dass man ausmisten kann – aber eben auch den Nachteil, dass Daten und Lösungen verloren gehen. Es ist an dieser Stelle offen, welcher der bessere Weg ist. Für Stuttgart jedenfalls kann ich sagen, dass wir mit unserem Vorgehen bislang recht gut gefahren sind.“

Verena Barth




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