Samstag, 8. Februar 2025

Digitale SouveränitätAutonomie gewinnen

[03.02.2022] Für die Kommunen gewinnt das Thema digitale Souveränität enorm an Bedeutung und zieht Maßnahmen in unterschiedlichen Handlungsfeldern nach sich. Bei der Umsetzung sollte die Verwaltung mitsamt der öffentlichen IT-Dienstleister an einem Strang ziehen.
Open-Source-Lösungen stärken die digitale Souveränität.

Open-Source-Lösungen stärken die digitale Souveränität.

(Bildquelle: ijeab/stock.adobe.com)

Digitale Souveränität: Kaum ein Begriff hat es in den vergangenen zwei Jahren so rasant nach oben auf die politisch-strategische Agenda von Bund, Ländern und Kommunen geschafft. Auch im Jahr 2022 wird die digitale Souveränität ein großes Thema in der politischen Diskussion bleiben – das zeigt nicht zuletzt ein Blick in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Insbesondere das kommunale Management ist dabei gefordert, sie jetzt strategisch und operativ zu forcieren.
Den Blick darauf zu verändern, wie Souveränität heute diskutiert werden muss, heißt, den Fokus auf die Relevanz von Technologien für unser Leben, Arbeiten und Wirtschaften zu legen und zu hinterfragen, was diese für das Handeln und Entscheiden der Kommunalverwaltung bedeuten: Allen voran zu nennen sind hier Big Data, Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI), Cloud Computing sowie Plattformtechnologien. Daten entstehen in Echtzeit und sind Nährboden für neue Erkenntnisse, bessere Steuerungsmöglichkeiten sowie nutzerzentrierte Services.

Souveränität hat viele Facetten

Die zunehmende Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt trägt im Wesentlichen zu zwei Entwicklungen bei, durch welche die digitale Souveränität für Kommunen enorm an Bedeutung gewinnt: Zum einen erhalten sie neue Optionen, die kommunale Daseinsvorsorge vor Ort zu gestalten. Gleichzeitig sind sie gefordert, die Daseinsvorsorge auf das digitale Zeitalter einzustellen und entsprechende Angebote für Bürgerinnen und Bürger zu schaffen – etwa im Bereich der digitalen Bildung. Dies wiederum ist ihnen nur möglich, wenn sie beispielsweise souverän über Daten verfügen und entsprechende Steuerungs- und Gestaltungsmöglichkeiten ausschöpfen können.
Zum anderen bedeutet die digitale Abwicklung vieler Prozesse innerhalb der Verwaltung, dass das Risiko, sich in die Abhängigkeit einzelner Software-Hersteller oder Cloud-Anbieter zu begeben, weiter steigt und durch die Cloud-Strategien einiger Anbieter sogar aktiv begünstigt wird. So genannte Herstellereinschlüsse machen souveräne Entscheidungen über den Technikeinsatz unmöglich und schränken die Interoperabilität von Services teils ein.
Auf die Frage, was digitale Souveränität bedeutet, gibt es daher nicht nur eine Antwort. Vielmehr hat sie viele Facetten. Gerade für Kommunen zieht dies Maßnahmen in ganz unterschiedlichen Handlungsfeldern nach sich. Wenn sich nun allein die IT um die digitale Souveränität von Kommunen kümmert, ist das nicht ausreichend. Die Autonomie im Digitalen ist ein wesentlicher Beitrag zur dauerhaften Stärkung der Demokratie im digitalen Zeitalter. Der Zugang zu Wissen in der heutigen Informationsgesellschaft ist ähnlich elementar. Hier müssen Kommunen im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge tätig werden. Wichtige Ansatzpunkte sind eben auch und insbesondere die technologische Souveränität und die Datensouveränität.

Erfolgsfaktoren und neue Geschäftsmodelle

Die Stärkung der digitalen Souveränität für die öffentliche IT hängt von unterschiedlichen Erfolgsfaktoren ab. So braucht es mehr interkommunale Kooperationen und eine Intensivierung der Zusammenarbeit im föderalen System. Nur wenn die öffentliche Verwaltung mitsamt der öffentlichen IT-Dienstleister an einem Strang zieht, wird es möglich sein, souveräner zu agieren und zu entscheiden, indem die Abhängigkeiten von großen Software- und Cloud-Anbietern reduziert werden oder souverän steuerbar sind. Dafür braucht es Optionen: Die Verwaltung sollte im Sinne einer Multi-Supplier-Strategie möglichst auf unterschiedliche Hersteller setzen und mittels Open Source Software Alternativen fördern und schaffen. Darüber hinaus braucht es sichere digitale Infrastrukturen, die echte Alternativen sind. Daher sind Konzepte zu Cloud-Infrastrukturen, wie etwa zur Verwaltungscloud, so bedeutend.
Die genannten Erfolgsfaktoren machen deutlich: Die Gestaltung der föderalen IT-Infrastruktur muss und wird sich verändern. Damit einher gehen neue Geschäftsmodelle für IT-Dienstleister, etwa im Kontext der Nutzung unterschied­licher Cloud-Services oder der modularen Ausgestaltung von komplexen IT-Services.
Gerade Open Source Software ist ein wesentlicher Baustein zur Stärkung der digitalen Souveränität. Sie zahlt auf alle der genannten Facetten ein. Eine Open-Source-Lizenzierung bringt größtmögliche Freiheiten im Nutzen, Einsehen, Verändern und Nachnutzen des Software-Codes mit sich. Der Einsatz von Open Source Software bedeutet aber auch, dass Verwaltungsprozesse darauf eingestellt werden müssen: Von Beschaffung und Vergabe über die eigene IT-Strategie bis hin zu Fragen der Zusammenarbeit, dem Community-Engagement, finanzwirtschaftlichen Fragestellungen oder der Akzeptanz und Awareness bei Mitarbeitenden – mehr Open Source verlangt nach einer Open Source Governance und einem Management, das sich langfristig darauf einstellt.
Auch hier gilt: Zusammenarbeit ist das A und O. Gerade Kommunen können voneinander profitieren. Beispiele aus München und Dortmund (siehe auch Seite 24 und 26) zeigen dies und ermöglichen die ideelle Nachnutzung von Open-Source-Strategien und erfolgreichen Konzepten zur Förderung von Open Source Software.

Die Leitplanken sind gesetzt

Die jüngeren Beschlüsse des IT-Planungsrats weisen in eine gute Richtung. Insbesondere die Entwicklungen im Kontext der Deutschen Verwaltungscloud und des Zentrums für Digitale Souveränität – im Arbeitstitel ZenDiS genannt – bieten auch Kommunen die Chance, sich sukzessive digital souveräner aufzustellen. Denn aktuell fehlt der öffentlichen Verwaltung eine ebenenübergreifende organisatorische Einheit, welche die Stärkung der digitalen Souveränität mit der notwendigen Flexibilität und Dringlichkeit vorantreiben kann.
Das ZenDiS soll Open-Source-Lösungen für die öffentliche Verwaltung fördern. Das aktuelle Konzept sieht unter anderem die gemeinsame Priorisierung von Entwicklungsbedarfen in einer Roadmap, Guidelines sowie unterschiedliche Beratungsangebote, aber auch eine Koordinierungsfunktion im Open-­Source-Ökosystem vor. Auf einer Open-Source-Plattform werden Lösungen bereitgestellt. Dies soll in Abstimmung mit der Deutschen Verwaltungscloud-Strategie geschehen.
Zentrale Ansätze werden also wichtige Leitplanken setzen. Die Kommunen sollten aber schon jetzt damit beginnen, sukzessive und auch mit kleineren Maßnahmen ihre digitale Souveränität in unterschiedlichen Handlungsfeldern zu stärken: von mehr Awareness für das große Warum über Bildungsangebote bis hin zum Open-Source-Einsatz. Dabei können sie auf vorhandene Strukturen setzen – in den kommunalen IT-Dienstleistern haben sie dabei wichtige Partner, die zugleich Kompetenzen bündeln. Digitale Souveränität ist und bleibt aber auch eine eigene strategische Aufgabe des kommunalen Managements.

Anika Krellmann ist Referentin im Programmbereich Organisations- und Informationsmanagement der KGSt – Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement.




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