Dienstag, 12. November 2024

StudieBaustelle Digitalisierung

[09.02.2023] Die Corona-Pandemie hat für einen Digitalisierungsschub gesorgt. Diesen Schwung gilt es zu nutzen und funktionierende Digitalstrategien flächendeckend in den Kommunen zu etablieren. Hindernisse stellen mangelnde Finanzen und die Personalnot dar.
Digitalisierung ist ein kontinuierlicher Prozess.

Digitalisierung ist ein kontinuierlicher Prozess.

(Bildquelle: Fotomanufaktur JL/stock.adobe.com)

In den Städten und Gemeinden Deutschlands hat die Digitalisierung Fahrt aufgenommen. Dennoch reichen die erzielten Ergebnisse derzeit noch nicht aus, um mit den wachsenden Anforderungen aus Gesellschaft und Wirtschaft Schritt halten zu können. Dies ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Zukunftsradar Digitale Kommune 2022“, der regelmäßig vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) in Kooperation mit dem Institut für Innovation und Technik (iit) herausgegeben wird (wir berichteten). An der dritten Auflage dieser Erhebung zum Stand der Digitalisierung in den deutschen Kommunen haben sich im vergangenen Jahr mehr als 900 Städte und Gemeinden aller Größenklassen beteiligt.
Erfreulicher Befund der dritten Auflage ist, dass ein großer Teil der Kommunen in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht hat. Mehr als 60 Prozent der teilnehmenden Kommunen schätzen das so ein. Allerdings bezeichnet nur rund ein Fünftel den eigenen Digitalisierungsgrad als gut oder sogar sehr gut, mehr als ein Viertel schätzt ihn hingegen als schlecht oder sehr schlecht ein. Interessant ist, dass die Selbsteinschätzung umso kritischer auszufallen scheint, je größer die Kommune ist. Nur rund ein Viertel der befragten Kommunen unter 10.000 Einwohnern schätzt den Grad der Digitalisierung als schlecht oder sehr schlecht ein, bei den Kommunen zwischen 10.000 und 100.000 Einwohnern liegt dieser Anteil bei 31 Prozent.

Weiterhin großer Handlungsbedarf

Insgesamt macht die Diskrepanz zwischen erzielten Fortschritten und erreichtem Digitalisierungsgrad deutlich, dass trotz des Vorankommens nach wie vor sehr großer Handlungsbedarf besteht und es den Städten und Gemeinden trotz aller Anstrengungen schwerfällt, mit dem technologischen Fortschritt, wie er etwa im Bereich der Wirtschaft zu beobachten ist, Schritt zu halten.
Den mit Abstand größten Handlungsbedarf sehen 75 Prozent der Städte und Gemeinden weiterhin bei der Digitalisierung der eigenen Verwaltung. Dabei wäre es vermessen anzunehmen, dass es in diesem Zusammenhang „nur“ um die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes geht. Vielmehr dürfte vor allem die Digitalisierung der Verwaltungsstrukturen insgesamt, also der gesamten inneren Verwaltung, gemeint sein. Echte Verwaltungsdigitalisierung bedeutet, Abläufe und Prozesse mit digitaler Technik neu aufzustellen und auch in den Köpfen der Mitarbeitenden und Nutzer ein entsprechendes Mindset zu etablieren. Das ist alles andere als einfach. In engem Zusammenhang mit dieser Frage stehen auch die von den Kommunen formulierten Herausforderungen mit Blick auf die Personalausstattung und den Finanzbedarf.
Das Thema Personal bildet die wohl größte Baustelle auf dem Weg zur kommunalen Digitalisierung. Die derzeitige Situation schätzen in dieser Frage 42 Prozent der teilnehmenden Kommunen als schlecht oder sogar sehr schlecht ein, lediglich 19 Prozent geben sie mit gut oder sogar sehr gut an. Dementsprechend sieht mehr als die Hälfte der teilnehmenden Städte und Gemeinden beim Thema Personalausstattung auch den größten Handlungsbedarf (51 Prozent).

Finanzierung des digitalen Unterbaus

Mit Blick auf den demografischen Wandel steht zu befürchten, dass sich die Situation weiter verschärfen könnte. Allerdings bietet der Umbruch eventuell auch die Chance, verstärkt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit digitalen Kompetenzen für die Kommunen zu gewinnen. Hier wird es allerdings auch eine Rolle spielen, zu welchen Konditionen neue Kräfte gewonnen werden können.
Eng verknüpft mit dieser Aufgabenstellung ist die Frage der Finanzierung des digitalen Umbaus in den Kommunen. Im Zukunftsradar 2022 schätzen 80 Prozent der teilnehmenden Kommunen den Finanzierungsbedarf in Relation zu ihrem aktuellen Haushalt als hoch oder sehr hoch ein. Diese Zahl macht deutlich, dass die Digitalisierung in Städten und Gemeinden auch eine auskömmliche Finanzierung voraussetzt. In Zeiten knapper kommunaler Kassen ist sie in vielen Fällen nicht vorhanden. Die Finanzierung von Digitalisierungsvorhaben steht vielfach in Konkurrenz zu anderen politischen Themen, wie etwa der Sanierung von Schulen, Straßen oder Sportstätten. Hier wird es darauf ankommen, dass es gezielte finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern gibt, um die Digitalisierung in Deutschland insgesamt voranzubringen.
Kein Zweifel besteht aus Sicht der Kommunen am Nutzen der Digitalisierung. Neun von zehn befragten Städten und Gemeinden schätzen den Nutzen der Digitalisierung als hoch oder sehr hoch ein. Dies war auch bereits in den vorangegangenen Umfragen in den Jahren 2018 und 2019 der Fall. Dennoch dürften die Erfahrungen der Corona-Pandemie den Stellenwert des Themas noch einmal erhöht haben. In acht von zehn Städten und Gemeinden hatte die Situation deutliche Auswirkungen auf die Arbeitsweise, rund drei Viertel bestätigten, dass die Veränderungsbereitschaft und die Akzeptanz gegenüber digitalen Lösungen deutlich gestiegen sind.

Nutzen der Digitalisierung hat sich gezeigt

Während der Pandemie hatte sich sehr eindrücklich gezeigt, dass digitale Lösungen zur Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beitragen konnten. Vielfach konnte erst durch digitale Werkzeuge sichergestellt werden, dass der Betrieb in den Rathäusern auch unter Pandemiebedingungen weiterging. Noch deutlicher dürfte sich der Nutzen der Digitalisierung dort gezeigt haben, wo digitale Werkzeuge gefehlt haben. Der nicht funktionierende Austausch zwischen den Gesundheitsbehörden oder der Bereich der digitalen Bildung können hier als Beispiele dienen. Jetzt muss es darum gehen, den durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie entstandenen Schwung zu nutzen und funktionierende Digitalstrategien flächendeckend in den Kommunen zu etablieren.
Insgesamt lässt sich aus den Ergebnissen des Zukunftsradars 2022 ablesen, dass die Digitalisierung in Städten und Gemeinden an Dynamik gewonnen hat. Dennoch bleibt der Umbau von Verwaltungen und die Vernetzung mit den anderen Subsystemen eine gewaltige Herausforderung. Was die Kommunen und den öffentlichen Sektor insgesamt besonders fordert, ist die hohe Geschwindigkeit, mit der sich der technologische und gesellschaftliche Wandel vollzieht. Vielfach können die Entscheidungsfindungsstrukturen und die Abläufe in Politik und Verwaltung mit dem rasanten Fortschritt kaum Schritt halten. Durch die rasch fortschreitende Digitalisierung wachsen auch die Anforderungen der Bevölkerung und der Wirtschaft kontinuierlich. Damit steigen auch die Bedarfe in den Kommunen und es ist klar, dass kontinuierlich wachsende Ressourcen benötigt werden, um bei der Digitalisierung wirklich voranzukommen.

Zusammenarbeit ist gefragt

Einen Schlüssel zu einer möglichen Lösung dieser Situation liefern die Ergebnisse des Zukunftsradars Digitale Kommune 2022 erfreulicherweise gleich mit: Interkommunale Zusammenarbeit und Know-how-Transfer sollten aus Sicht der Befragten in Zukunft eine stärkere Rolle bei der Konzeption einer beschleunigten digitalen Transformation einnehmen. 77 Prozent der Kommunen sprechen sich für mehr Zusammenarbeit mit anderen Kommunen aus und 66 Prozent nennen Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen als Instrument, um die Digitalisierung voranzubringen. Hier gilt es in den kommenden Jahren anzusetzen.

Dr. Gerd Landsberg ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB).


Stichwörter: Politik, DStGB, Studie


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