Sonntag, 23. Februar 2025

OnlinezugangsgesetzBeschönigt das BMI den Fortschritt?

[06.04.2022] Das Bundesinnenministerium gibt in seinen Berichten zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ein positiv verzerrtes Bild ab. Der tatsächliche Programmfortschritt sei weit von den gesteckten Zielen entfernt. Diesen Vorwurf hat jetzt der Bundesrechnungshof erhoben.
Den Fortschritt bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes stellt das BMI laut Bundesrechnungshof zu positiv dar.

Den Fortschritt bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes stellt das BMI laut Bundesrechnungshof zu positiv dar.

(Bildquelle: cherriesjd/123rf.com)

In Ergänzung zu seinen im November vergangenen Jahres veröffentlichten „Bemerkungen 2021 zur Haushalts- und Wirtschaftslage des Bundes“ (wir berichteten) hat der Bundesrechnungshof jetzt einen Band mit insgesamt 17 aktuellen Beiträgen veröffentlicht. Der Bundesrechungshof listet darin Fälle auf, in denen der Bund seine Haushaltsmittel nicht zielgerichtet, effizient und wirksam eingesetzt hat. Ein Thema: das Onlinezugangsgesetz (OZG). Bund, Länder und Kommunen haben sich darauf verständigt, bis Ende dieses Jahres 575 OZG-Leistungen priorisiert umzusetzen, 115 dieser Services entfallen auf das Digitalisierungsprogramm Bund.
Der Bundesrechnungshof wirft dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) nun vor, in seinen Berichten an die Gremien der IT-Steuerung des Bundes und auf seinem Internet-Auftritt den Stand der Umsetzung beschönigt zu haben, um auf einen effizienten Programmfortschritt schließen zu lassen.

Positiv verzerrtes Bild

Der Bundesrechnungshof hat nach eigenen Angaben ab dem Jahr 2020 die Umsetzung des OZG im Digitalisierungsprogramm Bund geprüft. Dieses umfasst 1.532 Verwaltungsleistungen, die in 115 priorisierten OZG-Leistungen gebündelt sind. Das Berichtswesen des BMI zum Programmfortschritt sei dabei in zweierlei Hinsicht durch Unschärfen gekennzeichnet. Zum einen unterschied das BMI laut Bundesrechnungshof nicht zwischen OZG-Leistungen mit Reifegrad 2 und 3. Reifegrad 2 ist erfüllt, wenn Verwaltungsleistungen beispielsweise über ein elektronisches Formular beantragt werden können, Reifegrad 3 setzt voraus, dass das Antragsverfahren vollständig digital abgewickelt werden kann.
Das BMI habe jedoch auch solche OZG-Leistungen als „online verfügbar“ bezeichnet, die erst den Reifegrad 2 erreicht hatten und damit noch nicht OZG-konform umgesetzt waren. Des Weiteren bestimmte diejenige Verwaltungsleistung mit dem höchsten Reifegrad den Reifegrad der gesamten OZG-Leistung. So schrieb das BMI einer OZG-Leistung den Reifegrad 3 und somit OZG-Konformität zu, sobald nur eine der darin gebündelten Verwaltungsleistungen diesen Reifegrad erreicht hatte.
Wie es vonseiten des Bundesrechnungshofes heißt, vermittelt das BMI in seinen Berichten demnach ein positiv verzerrtes Bild des Digitalisierungsfortschritts. So seien nach Darstellung des BMI bereits knapp 74 Prozent der OZG-Leistungen mindestens online verfügbar. Tatsächlich seien aber lediglich 20,4 Prozent der Verwaltungsleistungen im Digitalisierungsprogramm Bund mindestens online verfügbar, wobei nur 3,8 Prozent tatsächlich OZG-konform umgesetzt sind.
In seinen Empfehlungen an das BMI zur realistischeren Darstellung des Fortschritts bei der OZG-Umsetzung hat der Bundesrechnungshof auch das OZG-Dashboard zum Digitalisierungsprogramm Föderal (wir berichteten) als ungeeignet bewertet. Denn dort gilt eine OZG-Leistung bereits dann als „online verfügbar“, wenn eine gebündelte Verwaltungsleistung in nur einer Kommune „online verfügbar“ war – der Service also noch gar nicht flächendeckend für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen nutzbar ist.

Stellungnahme des BMI

Das BMI hat die Vorwürfe des Bundesrechnungshofs in einer schriftlichen Stellungnahme zurückgewiesen. Das OZG-Dashboard bilde den Programmfortschritt „nutzerfreundlich“ ab, was zwangsläufig zu einer Reduktion auf das Wesentliche führe. Auch entspreche die Darstellung des Bundesrechnungshofs, wonach erst knapp vier Prozent der priorisierten Verwaltungsleistungen OZG-konform umgesetzt seien, nicht dem tatsächlichen Fortschritt. Die einzelnen Projekte enthielten zum Teil eine Vielzahl an zu digitalisierenden Verwaltungsleistungen. Erst mit Abschluss des gesamten Projekts werde der Reifegrad der betroffenen Verwaltungsleistungen in den Berichten aktualisiert. Der Programmfortschritt könne somit nur sprunghaft dargestellt werden.

Enorme Restaufwände zu leisten

Mit seiner Berichterstattung verfolge das BMI offensichtlich das Ziel, die 115 priorisierten OZG-Leistungen des Bundes bis Ende 2022 als online verfügbar melden zu können, spekulieren die Prüfer des Bundesrechnungshofes abschließend zu den Beweggründen des Ministeriums. Für Entscheidungsträger sei aus den Berichten des BMI nicht zu erkennen, welche enormen Restaufwände bis Ende dieses Jahres noch zu leisten seien. Ihnen fehle eine valide Grundlage, um die Umsetzung des OZG zielgerichtet zu steuern und angemessen mit personellen Ressourcen auszustatten.
Die Abweichungen zwischen dem realen und dem vom BMI berichteten Programmfortschritt sieht der Bundesrechnungshof daher weiterhin kritisch. Das Argument des BMI, dass der Programmfortschritt auf Ebene der Verwaltungsleistungen nur verzerrt dargestellt werden könnte, sei nicht überzeugend.Der Bundesrechnungshof hält daher ein differenziertes Berichtswesen für notwendig.





Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
muenchen_neues_rathaus

München: Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie

[13.02.2025] Der Münchner Stadtrat hat die fünfte Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie der bayerischen Landeshauptstadt beschlossen. Sie beinhaltet unter anderem den Aufbau eines Kompetenzschwerpunkts für User Experience sowie eine neue Formulierung des strategischen Prinzips der nutzerzentrierten Gestaltung. mehr...

OZG: „Aufenthalt“ erreicht alle Milestones

[07.02.2025] Das maßgeblich vom Land Brandenburg vorangetriebene OZG-Projekt „Aufenthalt“ hat alle Vorgaben des OZG-Verwaltungsabkommens erfüllt. Inzwischen nutzen über 270 Ausländerbehörden die digitalen Dienste, weitere 170 befinden sich im Roll-out. Die Weiterentwicklung läuft kontinuierlich. mehr...

Porträt Dr. Daniela Dylakiewicz

Sachsen: Neue CIO für den Freistaat

[07.02.2025] Daniela Dylakiewicz ist neue CIO des Freistaats Sachsen. Um die digitale Verwaltungstransformation voranzutreiben, strebt sie eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen des Landes an. mehr...

Diagramm zur räumlichen, fachlichen und funktionalen Bündelung von Verwaltungsaufgaben.

Deutscher Landkreistag: Aufgabenbündelung ja, Verfassungsänderung nein

[06.02.2025] Der vom Normenkontrollrat vorgebrachte Vorschlag einer stärkeren Bündelung staatlicher Aufgaben wird vom Deutschen Landkreistag unterstützt. Der kommunale Spitzenverband warnt aber auch vor zentralistischen Strukturen und lehnt vorgeschlagene Verfassungsänderungen ab. mehr...

Screenshot der Startseite von smartvest.ruhr.

Kreis Recklinghausen: Info-Plattform zum Smart-City-Ansatz

[03.02.2025] Eine Informationsplattform zur regionalen Digitalisierungsstrategie haben der Kreis Recklinghausen und die zehn kreisangehörigen Städte online geschaltet. Das Portal stellt die fünf Handlungsfelder und unterschiedlichen Projekte rund um den Smart-City-Ansatz vor und listet Neuigkeiten und Veranstaltungshinweise auf. mehr...

bayern-Flaggen

Bayern: Einheitlicher kommunaler IT-Dienstleister geplant

[28.01.2025] Im Frühjahr startet die neue Umsetzungsphase der Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0. Unter den Maßnahmen ist auch die Einführung eines einheitlichen kommunalen IT-Dienstleisters bis Ende 2025. mehr...

Blick über die Spree aufs Bundeskanzleramt

Vitako: 10-Punkte-Plan zur Digitalisierung

[24.01.2025] Vitako fordert in einem 10-Punkte-Plan klare Prioritäten, Investitionen und Kooperation aller Ebenen, um die Digitalisierung voranzutreiben und Krisen zu kontern. Dabei gehe es um die Sicherung kommunaler Handlungsfähigkeit ebenso wie um die nationale Koordination und die Berücksichtigung EU-weiter Strategien. mehr...

Eine Person blättert in einer Broschüre zur neuen Hamburger Digitalstrategie

Hamburg: Neue Digitalstrategie vorgestellt

[22.01.2025] Hamburg hat seine neue Digitalstrategie präsentiert. In den kommenden Jahren soll das digitale Angebot konsequent ausgebaut werden, um den Kontakt mit den Behörden so einfach und effizient wie möglich zu gestalten. Wo es möglich ist, setzt die Freie und Hansestadt dabei auch auf Automatisierung und Künstliche Intelligenz. mehr...

Vektorgrafik eines Organigramms.

Wolfsburg: Neuer smarter Geschäftsbereich

[20.01.2025] Mit organisatorischen Änderungen ist die Wolfsburger Stadtverwaltung in das neue Jahr gestartet. Unter anderem wurden die Bereiche Informationstechnologie und Smart City im Geschäftsbereich Smart City und IT-Services zusammengeführt. mehr...

Porträt von Elena Yorgova-Ramanauskas, Staatssekretärin und Landes-CIO im Saarland

Saarland: Digitalisierungsoffensive für Kommunen wird konkreter

[20.01.2025] Die 2021 auf den Weg gebrachte Digitalisierungsoffensive für Kommunen im Saarland nimmt Gestalt an: 17 Millionen Euro aus dem Sondervermögen Pandemie wurden an konkrete Projekte gebunden, darunter KI-gestützte Chatbots, Verkehrsdatenerfassung und Straßenmanagementsysteme. mehr...

Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus und die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände des Landes präsentieren die Kooperationsurkunden.

Hessen: Kommunale Verwaltungsdigitalisierung wird gestärkt

[15.01.2025] Das Land Hessen und die kommunalen Spitzenverbände wollen die kommunale Verwaltungsdigitalisierung weiter unterstützen. Die bisherige Koordinierungsstelle OZG-Kommunal wird zur Kompetenzstelle erweitert, die Digitalisierungsplattform civento wird weiter finanziert. mehr...

Porträt von Ina-Maria-Ulbrich

IT-Planungsrat: Kommunen im Fokus

[13.01.2025] Im Jahr 2025 führt Mecklenburg-Vorpommern den IT-Planungsrat. Im Fokus sollen die Föderale Digitalstrategie und eine stärkere Einbindung der Kommunen stehen. Geplant ist auch eine Stärkung und Weiterentwicklung der FITKO. mehr...

Glaskugel vor einem magentafarben beleuchteten, unscharfen Hintergrund.
bericht

Digitalisierung: Blick in die Glaskugel

[07.01.2025] Agil, bürokratiearm und Ende-zu-Ende digitalisiert – so sollen die Kommunalverwaltungen im Jahr 2030 aussehen. Im Moment sind sie davon aber oft noch weit entfernt. Sind die gesetzten Ziele realistisch? mehr...

Außenansicht des Ministeriums des Innern und für Kommunales in Potsdam, ein weißes, klassizistisches Gebäude

Brandenburg: OZG-Umsetzung auf Kurs

[19.12.2024] In seiner OZG-Bilanz meldet Brandenburg für 2024 deutliche Fortschritte: 100 neue digitale Verwaltungsdienste wurden eingeführt, insgesamt sind nun 650 verfügbar. Fördermittel und Kampagnen unterstützen Kommunen bei der Digitalisierung. mehr...

martin-Hagen-Porträt
interview

Digitalisierung: IT-Budgets zusammenziehen

[18.12.2024] Dr. Martin Hagen, Staatsrat beim Senator für Finanzen in der Freien Hansestadt Bremen, spricht über seine Vorschläge zur Registermodernisierung und fordert mehr Zentralisierung bei der Steuerung und Budgetierung von IT-Großprojekten. mehr...