Smarte GrenzregionBesucherströme lenken
Im Norden Schleswig-Holsteins, an der Grenze zu Dänemark, haben sich die Stadt Flensburg sowie die Kreise Schleswig-Flensburg und Nordfriesland zusammengetan, um in der Region gemeinsam die Digitalisierung im Bereich der Stadt- und Regionalentwicklung voranzubringen. Seit 2022 sind sie als „Smarte Grenzregion zwischen den Meeren“ eines von insgesamt 73 Modellprojekten Smart Cities, die deutschlandweit vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und der Förderbank KfW gefördert werden.
Mit der Nordsee und den nordfriesischen Inseln auf der einen und der Ostsee auf der anderen Seite ist die Region ein beliebtes Ziel für Urlauber. Die Stadt Flensburg bildet mit knapp 100.000 Einwohnern das Oberzentrum. Rund zwei Dutzend Digitalisierungsmaßnahmen sollen im Rahmen des Smart-Cities-Modellprojekts bis Ende 2026 zusammen mit Partnern umgesetzt oder begonnen werden. Darunter sind zum Beispiel Maßnahmen, mit denen Lösungen zur Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum unterstützt werden. Andere schaffen Initiativen und Orte in der Region, die Menschen jeden Alters auf vielfältige Weise dabei unterstützen, digitale Medien zu nutzen oder eigene Projekte zu entwickeln. In einem weiteren Projekt sollen mithilfe von Sensortechnik die Auswirkungen von Starkregenereignissen in der Region abgemildert werden.
Parkraummonitoring in großem Stil
Darüber hinaus wurde eines der bundesweit aktuell größten Projekte im Bereich Parkraummonitoring in Kommunen in Gang gesetzt. Noch in diesem Jahr werden insgesamt 516 Bodensensoren und 35 optische Sensoren in der Stadt Flensburg sowie in den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg installiert. Mit ihnen sollen die Belegung von Parkplätzen insbesondere an touristischen Hotspots wie am UNESCO-Welterbe Haithabu und Danewerk im Kreis Schleswig-Flensburg oder in Friedrichstadt in Nordfriesland erfasst und Besucherströme gemessen werden.
Mit den offen verfügbaren Daten wird ein digitales Parkraummanagement aufgebaut. Die Daten laufen auf einer Datenplattform zusammen. Über ein Dashboard und eine App wird dann die Belegung der Parkplätze auf dem Handy für jedermann sichtbar gemacht.
„Wir bringen mit der Maßnahme die Digitalisierung auch in kleine Kommunen und eröffnen ihnen mit den erhobenen Daten und der dahinterstehenden Datenplattform, die wir parallel dazu aufbauen, neue Möglichkeiten“, erklärt Malte Zinke, Geschäftsführer der Digitalagentur Smarte Grenzregion, die für die Umsetzung des Modellprojekts steht.
Nicht selten haben die Kommunen nur wenige Tausend Einwohner. So zählt etwa das nordfriesische Friedrichstadt nur rund 2.500 Einwohner. Im historischen Stadtkern liegen denkmalgeschützte Häuser an idyllischen Kanälen. Der Ort mit dem Beinamen Holländerstadt ist beliebt bei Urlaubern, die insbesondere im Sommer zu Tausenden meist für einen Tagesausflug kommen. Durch das Smart-Cities-Projekt wird jetzt an zwei zentralen Parkplätzen die Belegung mit Parkplatzsensoren beziehungsweise einem optischen Sensor erfasst.
Daten sollen Planungen erleichtern
In enger Zusammenarbeit mit dem örtlichen Denkmalschutz konnte zudem ein System zur Messung der Besucherströme in der Stadt installiert werden. Jetzt befinden sich an fünf historischen Gebäuden der Altstadt unscheinbare Antennensysteme, beispielsweise in der Straße Am Fürstenbergwall. Auf den ersten Blick könnte der Sensor an der Hauswand als Maueranker durchgehen, wie sie am Nachbargebäude zu finden sind. Auf der anderen Seite der Wand, in den Innenräumen einer Buchhandlung, befindet sich das dazugehörige Edge Gateway. „Normalerweise werden Sensoriksysteme zur Besucherstrommessung mit dem dazugehörenden Gateway an Straßenlaternen installiert. Das ist in Orten mit Denkmalschutz aber nicht machbar. Es ist der guten Zusammenarbeit mit den Akteuren der Stadt zu verdanken, dass eine Lösung gefunden geworden ist“, hebt Digitalagentur-Geschäftsführer Malte Zinke hervor.
Die Stadt Friedrichstadt erhofft sich durch die nun zur Verfügung stehenden Daten Unterstützung bei der Planung weiterer Parkflächen oder eines Parkleitsystems. Konkrete Zahlen sollen auch in anderen Bereichen Planungen erleichtern. „Die Besucherstrommessung ermöglicht es uns, mit den Daten die Öffnungszeiten für die Gewerbetreibenden und die touristischen Angebote wie Veranstaltungen bedarfsorientiert anzupassen“, sagt Uwe Eisenmann, stellvertretender Bürgermeister der Stadt.
Besucher besser verteilen
Konkrete Pläne dafür, wie die Daten zur Parkplatzbelegung im nächsten Schritt genutzt werden sollen, gibt es bereits im Kreis Schleswig-Flensburg. Dort wurde die Idee für eine datenbasierte Besucherlenkung geboren. Als die Corona-Pandemie 2021 das Reisen unmöglich machte, blickte ganz Deutschland plötzlich auf die Schlei-Region, die zusammen mit Eckernförde als eine von vier Tourismusmodellregionen Urlaub in Deutschland ermöglichte. „Wir hatten plötzlich von April bis November Hauptsaison mit den entsprechenden Besucher- und Gästezahlen“, erinnert sich Max Triphaus, Geschäftsführer der Tourismusorganisation Ostseefjordschlei. Bis heute sind die Gästezahlen hoch und regelmäßig wird die Infrastruktur, insbesondere an bei Urlaubern beliebten Orten, an die Kapazitätsgrenze gebracht. „Das finden die Menschen, die hier leben, nicht immer gut“, sagt Max Triphaus. Er suchte nach einer Lösung, die hilft, die Probleme vor Ort zu lösen und gleichzeitig die Tourismusakzeptanz bei den Einheimischen zu stärken.
Jetzt werden im ersten Schritt im Rahmen des Smart-Cities-Modellprojekts an rund einem halben Dutzend Parkplätzen an touristischen Attraktionen der Region wie dem Welterbe Haithabu und Danewerk oder der Stadt Kappeln Sensoren installiert, mit denen die Belegung der Parkplätze erfasst und vor Ort sichtbar gemacht werden soll.
Im nächsten Schritt sollen die erfassten Daten in einem Besucherlenkungssystem, einem so genannten Recommender, genutzt werden. Eine App zeigt dann in Echtzeit an, wenn die Parkplätze an einem Ort oder einem Strand, die als Ziel gewählt wurden, bereits belegt sind. Der Recommender schlägt dem Gast daraufhin weitere touristische Angebote in der Region als Alternativen vor. „Damit entlasten wir die Attraktionen und entzerren die Verkehrssituation vor Ort. Gleichzeitig können wir den Tourismus in der zweiten Reihe unterstützen, die Besucher besser verteilen und so die Infrastruktur entlasten“, sagt Max Triphaus.
Weitere Parkplätze und Orte sollen sukzessive folgen. Max Triphaus würde bei der Echtzeitempfehlung am liebsten nicht stehen bleiben. „Wenn wir genug Daten haben, können wir durch die Verknüpfung unserer App mit anderen Daten im nächsten Schritt auch Prognosen erstellen“, hofft der Tourismuschef.
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