InterviewBIM ist kein Hexenwerk
Herr Beering, Herr Wojke, die Digitalisierung nimmt in allen Bereichen immer mehr Fahrt auf. Wie macht sich das im Gebäude-Management bemerkbar?
Stefan Beering: Die Bedeutung der Digitalisierung beim Liegenschafts- und Gebäude-Management nimmt zu. Es kommen beispielsweise mobile Anwendungen zum Einsatz, die es etwa dem Hausmeister oder Facility Manager erlauben, bestimmte Vorgänge per Smartphone oder Tablet anzustoßen. So fließen relevante Informationen viel schneller und zielgerichteter. Auch die elektronische Aktenführung setzt sich im Facility Management immer mehr durch. Über unsere Software für das kommunale Liegenschafts- und Gebäudemanagement können wir Dokumente direkt über eine Schnittstelle an ein Archivsystem übergeben. Gerade bei den Themen Betreiberverantwortung und Verkehrssicherheit einer Immobilie stellt eine solche automatische Dokumentation einen großen Pluspunkt dar. So kann man etwa im Rahmen von Nachweispflichten sehr schnell auf die Dokumente zugreifen. Und natürlich ist in unserem Verfahren die elektronische Rechnungsstellung integriert.
Marco Wojke: Man muss hinzufügen, dass die Digitalisierung auch im Gebäudebereich mit den Menschen steht und fällt. Wenn man einen innovativen Hausmeister hat, geht es schneller voran. Aber nicht alle laufen mit Tablet oder Smartphone herum, einige arbeiten lieber noch traditionell mit Papier und Stift.
Ein kommendes Thema ist Building Information Modeling, kurz BIM. Was versteht man darunter?
Wojke: Meist denkt man bei BIM an dreidimensionale Modelle von Gebäuden. Aber es geht um mehr, nämlich eine Methodik zur digitalen, vernetzten und kollaborativen Planung und Konstruktion sowie Bewirtschaftung von Gebäuden. Hierbei werden alle relevanten Bauwerksdaten digital erfasst, modelliert und kombiniert. Als Ergebnis erhält man ein BIM-Modell, also quasi einen digitalen Zwilling des Gebäudes. In einer Datenbank sind alle wesentlichen Informationen hinterlegt, die 3D-Daten sind dabei nur ein Teil des Ganzen. Technische Basis ist eine cloudbasierte Kollaborationsplattform. Das BIM-Modell bildet so eine gemeinsame Wissensbasis für Architekten, Tragwerksplaner, Handwerker und die Betreiber. So können alle Prozesse laufend über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg geführt werden – von Konzeption, Planung und Bau über den Betrieb bis hin zu Renovierung oder Abriss.
Wie sieht es mit Bestandsgebäuden aus, kann auch hier ein digitaler Zwilling erstellt werden?
Wojke: Die Möglichkeiten, ein Bestandsgebäude in ein BIM-Modell zu überführen, haben sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Spezialisierte Firmen können komplette Gebäude mit Lasertechnik vermessen. So können mehrgeschossige Immobilien im laufenden Betrieb in wenigen Tagen digitalisiert werden. Aus diesen Daten lassen sich dann 3D-Modelle berechnen. Damit ist die Basis für das BIM-Modell gelegt, das nun mit weiteren Daten angereichert werden kann.
„Das Thema BIM sollte Teil der Digitalisierungsstrategie jeder Kommune sein.“
Axians Infoma hat sich des Themas bereits angenommen und im Fachverfahren für das Liegenschafts- und Gebäudemanagement eine Schnittstelle zum Building Information Modeling entwickelt. Wie wird die Lösung dadurch ergänzt?
Beering: In unserem CAFM-Verfahren (Computer Aided Facility Management) bilden wir die klassischen drei Säulen ab, also das technische, infrastrukturelle und kaufmännische Gebäude-Management. Für bestimmte Prozesse, beispielsweise das Reinigungsmanagement, benötigen wir detaillierte Daten. Die Frage lautet nun, wie die Informationen in das System gelangen. Mit der Schnittstelle können wir die Daten aus dem BIM-Modell in unser Verfahren übernehmen. Ein anderes Beispiel: Im Rahmen der Betreiberverantwortung müssen wir Wartungen und Planungen dokumentieren. Auch diese Informationen werden aus dem BIM-Modell eingelesen, die entsprechenden Prozesse laufen dann in unserem CAFM-System ab. Aber nicht nur die Datenübernahme ist möglich. Über die BIM-Schnittstelle können auch das gesamte Gebäude, die einzelnen Räume sowie technische Anlagen in einem 3D-Modell visualisiert werden. Mit unserem browserbasierten Modern Client kann das Modell vor Ort verwendet werden. Man hat also den digitalen Zwilling immer dabei.
Welche Herausforderungen gibt es beim Einsatz von BIM im kommunalen Liegenschafts- und Gebäude-Management?
#bild2 Wojke: Eine Herausforderung ist, dass die Kommunen über sehr viele Bestandsgebäude verfügen. Neubauprojekte, bei denen Building Information Modeling ein Thema ist, kommen nicht so häufig vor. Entsprechende Modelle sind im kommunalen Bereich deshalb bislang nicht flächendeckend verfügbar. Und es gibt einen großen Informationsbedarf, denn die Vorteile der BIM-Methode haben sich noch nicht überall herumgesprochen. Das gilt übrigens auch für die Baubranche, wo ebenfalls viel Halbwissen vorhanden ist. Fehlende IT- und Prozesskenntnisse sind ja generell der Grund dafür, dass die Digitalisierung im öffentlichen Sektor nur langsam vorankommt. Ich bin der Überzeugung, dass das Thema BIM Teil der Digitalisierungsstrategie jeder Kommune sein sollte.
Beim Klimaschutz spielen die Gebäude eine wichtige Rolle. Wie kann ein CAFM-System mit BIM-Anbindung zu einem CO2-neutralen Gebäudebestand beitragen?
Beering: In unserer Lösung für das Liegenschafts- und Gebäudemanagement gibt es das Modul Energiemanagement. Damit können wir die energetische Situation eines Gebäudes transparent und den CO2-Fußabdruck sichtbar machen. Aufbauend auf diesen Informationen können dann energetische Verbesserungen geplant und umgesetzt werden.
Wie schätzen Sie Entwicklung und Chancen von Building Information Modeling in Verbindung mit dem kommunalen Liegenschafts- und Gebäude-Management ein?
Beering: Wir sind fest davon überzeugt, dass sich Building Information Modeling in den Kommunen durchsetzen wird, weil die Vorteile extrem groß sind. Verwaltungen sind ja nicht immer Vorreiter bei neuen Technologien, aber es wird sich zeigen, dass die Hürden gar nicht so groß sind. BIM ist kein Hexenwerk, es ist sogar relativ einfach umsetzbar.
Wojke: Der Digitalisierungsdruck in den Kommunen ist gestiegen. Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich ja deutlich gezeigt, welche Vorteile beispielsweise digitale Baubesprechungen bieten, bei denen jeder Zugriff auf die aktuellen Daten hat. Wenn diese Vorteile für die Städte greifbar werden, kommt ein richtiger Schub. Denn über die theoretische Großartigkeit eines BIM-Modells gibt es keine zwei Meinungen.
Dieses Interview ist in der Ausgabe Juli 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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