Smart Country ConventionBitte weitererzählen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser kam am Dienstagvormittag mit guten Nachrichten zur Smart Country Convention (7. bis 9. November 2023). Noch gezeichnet von der vorhergehenden Marathon-Verhandlungsnacht, die unter anderem einen Beschleunigungspakt für Genehmigungsverfahren hervorgebracht hat und das Bekenntnis, die Digitalisierung von Staat und Verwaltung weiterhin gemeinsam von Bund und Ländern finanzieren zu wollen, sprach Faeser einige Erfolge der Digitalisierung an. Die zentrale BundID für den digitalen Verwaltungszugang sei bislang für 3,4 Millionen Nutzerkonten aktiviert und der Online-Ausweis bis August dieses Jahres bei über zehn Millionen Transaktionen eingesetzt worden. Für kommendes Jahr versprach Faeser einen ersten Prototyp des lang erwarteten EU-Wallet – das ist die europäische digitale Identität, mit der dann länderübergreifend Verwaltungs- und wirtschaftliche Transaktionen möglich werden. Mit Blick auf das hiesige Digitalgeschehen räumte Faeser ein, dass die föderalen Herausforderungen bei der Digitalisierung „kein Kinderspiel“ seien. Zum weiteren Verlauf des Onlinezugangsgesetzes (OZG) war allerdings kein Wort von ihr zu vernehmen.
Lobende Worte für digitales Landleben
Auch Agrarminister Cem Özdemir fand zunächst lobende Worte für die Möglichkeiten, welche die Digitalisierung einem attraktiven Leben auf dem Lande bereitet. Telemedizin, Homeoffice, Fernunterricht und die Organisation des Vereinslebens auf digitalen Plattformen, aber auch Smart Farming für mehr Effizienz und Ressourcenschutz bei Anbau und Ernte hob der Minister in seiner Keynote hervor. Gleichzeitig machte er auf ein starkes Stadt-Land-Gefälle beim stationären Breitband aufmerksam, das nur zu 31 Prozent in ländlichen Regionen verfügbar sei. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beteilige sich am Fast Lane genannten Förderprogramm für benachteiligte ländliche Räume. 2023 stehen rund drei Milliarden Euro zur Unterstützung des Gigabitausbaus der Bundesregierung bereit. Ein weiteres Projekt des BMEL, auf das Özdemir gerne zu sprechen kam, ist Land.Funk. Hierbei handelt es sich um ein 5G-Hilfsmobilnetz für Rettungseinsätze, das per Drohnen in Landstrichen mit großen Funklöchern schnell eingerichtet werden kann. Von der Losung „Heimat, Hightech, Highspeed“, das gab der Minister zu, sei man aber noch weit entfernt. Nicht zuletzt liege dies daran, dass die vielen existierenden smarten Lösungen nicht zentral zur Nachnutzung angeboten würden.
Zentralstelle für smarte Lösungen fehlt
Dieser Punkt zeigte sich im weiteren Verlauf der Smart Country Convention als die (längst bekannte) Crux: Smart-City- und Smart-Country-Projekte basieren weitgehend auf öffentlichen Fördergeldern von Bundesministerien und Ländern. Sie haben einen Pilotcharakter, doch der in den Förderrichtlinien vorgesehene Wissenstransfer erschöpft sich häufig im Abschlussbericht. Die Lösungen sind weder auf Skalierbarkeit ausgerichtet, noch kommen sie je in der Fläche an. Das gilt insbesondere für die zahlreichen City-Apps, die von Kommunen im Alleingang realisiert werden und sich doch in vielen Funktionen kaum unterscheiden. Überhaupt fehlt eine zentrale Stelle, die das gewonnene Know-how allgemein verfügbar macht und nach dem Motto „Einer-für-Alle“ vorhandene Lösungen distribuiert. Als Symptom dieses Mangels muss das jährliche Ranking des Bitkom, der Smart City Index, erscheinen, dessen Top-Positionen sich die immer gleichen Großstädte aufteilen. In diesem Jahr liegt München vorne, dicht gefolgt von Hamburg, Köln, Nürnberg und Aachen.
Intelligenter Obstanbau
Interessante und vielversprechende smarte Ideen und Produkte gibt es auch abseits der Metropolen zuhauf. Beim Projekt MIRO (Mitteldeutsche Innovationsregion Obstanbau) beispielsweise werden digitale Lösungen für den Anbau, die Verarbeitung und die Vermarktung von heimischem Obst entwickelt. Hintergrund ist, dass regionale Obstbauern gegen den internationalen Markt kaum konkurrieren können, obwohl die Wege kürzer sind. Per Datenaustausch soll nun eine smarte Wertschöpfungskette errichtet werden und Informationen über den Wasserbedarf von Pflanzen und Anbauflächen mit Wetterprognosen und Modellrechnungen in Korrelation gebracht werden. Ein digitaler Produktpass soll zudem Informationen über Produkte, Erzeuger und Beschäftigte liefern. Ein anderes Projekt zielt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels darauf ab, den Wissenstransfer für den Einsatz neuer landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen sicherzustellen, indem Bediener-Assistenzsysteme eingerichtet werden, sodass eine persönliche Einweisung nicht unbedingt erforderlich ist.
KI in der Smart City
Auch Künstliche Intelligenz zieht zunehmend in die Smart City und Smart Region ein. So werden vom Hamburger InnotecHH Fonds acht Millionen Euro für KI-Vorhaben in Hamburger Behörden verwaltet (wir berichteten). Darunter ein Projekt, das intelligente Videobeobachtung im Stadtraum ermöglicht und zugleich größeren Daten- und Persönlichkeitsschutz gewährleistet. Die aufgenommenen Personen werden nämlich als Videoskelette dargestellt und dadurch anonymisiert. Eine KI wertet das Material hinsichtlich atypischer Bewegungsabläufe aus und schlägt gegebenenfalls Alarm, sodass Ordnungskräfte schnell über mögliche Vorfälle unterrichtet werden können. Auch hinsichtlich Luftverschmutzung kann KI die Städte deutlich smarter machen, indem etwa die Luftqualität automatisch überwacht und an ein adaptives Tempolimitsystem angeschlossen wird. Je höher die Belastung, desto niedriger die erlaubte Geschwindigkeit. Die Stadt Brüssel bietet bereits kostenlosen öffentlichen Nahverkehr an Tagen mit hoher Luftverschmutzung an. Für den Einsatz von KI hat sich auch Bundesjustizminister Marco Buschmann in seiner Keynote starkgemacht: „KI muss auch in Deutschland entwickelt werden.“ Mit Sorge blickt er auf die europäische KI-Regulierung, die er als Gefahr für die weitere Entwicklung beschreibt. Grundlagenforschung müsse unbedingt auf Selbstregulierung basieren, sonst bleiben „am Ende nur Google und Apple übrig“, so Buschmann.
Copernicus für Kommunen
Einen ebenfalls europäischen, dabei aber sehr abgehobenen Blick auf Städte und Gemeinden bot Johannes M. Schmidt vom Copernicus Netzwerkbüro Kommunal in Aachen an. Das europäische Satellitensystem Copernicus, dessen Daten frei und kostenlos zugänglich sind, lässt sich nämlich für verschiedenste Kommunalaufgaben wie Klimaschutz, Luftreinhaltung, Stadtgrün, Bewässerungsmanagement und Gewässer-Monitoring einsetzen. Per Satelliten-Fernerkundung können Aufgaben der kommunalen Ebene unterstützt werden. So beispielsweise beim Projekt Treecop in Essen, einem Monitoring-System für Bäume, das nicht nur Sensorik einsetzt, sondern auch Bildauswertungen aus luftiger Höhe. Beim Cop4EE-Energieplaner finden ebenfalls Satellitendaten Einsatz, um flurstückgenau geeignete Flächen für Wind- und Solaranlagen zu identifizieren. Und Hamburg bedient sich Satellitenbildern, um die Chlorophyll-Konzentration in den Gewässern der Hansestadt zu kartieren.
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