SolingenBürger helfen beim Sparen
Die Stadt Solingen schreckte im Jahr 2010 nicht davor zurück, mit ihren Bürgern unpopuläre Sparvorschläge im Internet zu diskutieren. Diese Offenheit im Umgang mit der Bürgerschaft wurde vom europäischen Institut für öffentliche Verwaltung (EIPA) im November 2011 im Rahmen des European Public Sector Award (EPSA) mit der Verleihung eines Best Practice Certificate honoriert, als Zeugnis für vorbildliche Verwaltungspraxis. Die Solinger Art, die Bürger beim Sparen zu beteiligen, sei ein Erfolgsmodell für öffentliche Verwaltungen in Europa, so das Maastrichter Institut.
Gelobt wurde Solingen für sein Verfahren zur bürgerbeteiligten Haushaltssicherung, im Zuge dessen die Kommune gemeinsam mit ihren Bürgern das größte Sparpaket ihrer Geschichte geschnürt hatte. Das 43,7 Millionen Euro schwere Paket wurde am 8. Juli 2010 vom Stadtrat beschlossen. Es beinhaltete 248 Vorschläge, wie die Stadt ihre Ausgaben um fast zehn Prozent zurückfahren könnte. Die drastischen Einschnitte waren nötig, um das städtische Eigenkapital nicht unter fallen zu lassen. Denn in diesem Fall der Überschuldung drohten der Stadt erhebliche Einschränkungen bei der Selbstverwaltung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden.
Jährliches Sparziel: 45 Millionen Euro
Die politische Diskussion um das schmerzhafte Sparkonzept hatte von der Einbringung der ersten Vorlage bis zum Ratsbeschluss fünf Monate in Anspruch genommen. Den Einstieg lieferten Oberbürgermeister Norbert Feith und Stadtkämmerer Ralf Weeke Ende Februar 2010: In einer öffentlichen Ratssitzung legten sie dem Stadtrat den Entwurf für ein Haushaltssicherungskonzept vor, welches zunächst sogar ein jährliches Sparziel von 45 Millionen Euro vorsah. Neben der Dramatik der Zahlen bestand die Besonderheit der Vorlage darin, dass nicht nur die Ratsmitglieder, sondern auch die Bevölkerung zur Diskussion aufgerufen waren – letztere via Internet. Im März 2010 konnten die Solinger Bürger drei Wochen lang Sparvorschläge bewerten und kommentieren. Ausgewählt und für die Darstellung im Internet aufbereitet wurden nur solche Vorschläge, die zu unmittelbar spürbaren Einschnitten für die Bürgerschaft führen würden – wie etwa Steuererhöhungen oder Schwimmbadschließungen. Verwaltungsinterne Kürzungen oder Stellenstreichungen blieben von der Darstellung im Web ausgenommen.
Das Interesse war – gemessen an Bürgerhaushalten anderer Städte bis dahin – überdurchschnittlich. Fast 3.600 Bürger, mehr als zwei Prozent der Bevölkerung, registrierten sich und diskutierten mit. 20.000 Nutzer besuchten die Seiten ohne Anmeldung als Leser. Im Mai legte die Verwaltung den Ratsfraktionen eine Auswertung der Kommentare und Bürgervoten vor, die so in die Haushaltsberatungen eingingen.
Beratung der Online-Vorschläge
Der Entwurf der Verwaltung erfuhr im Laufe des politischen Beratungsprozesses und im Lichte des Online-Ratschlags der Bürgerschaft zahlreiche Veränderungen. 39 Vorschläge wurden umformuliert oder ganz gestrichen, neun neue Sparvorschläge aufgenommen. Abweichend von der ursprünglichen Vorlage, beschloss der Rat unter anderem
• ein Hallenbad und ein Freibad nicht zu schließen,
• die Erhöhung der Gewerbesteuer um zehn Punkte auf das Jahr 2011 vorzuziehen,
• die freiwilligen Zuschüsse an Verbände und Vereine nicht zu kürzen,
• nur ein Bürgerbüro statt zwei von vier im Stadtgebiet zu schließen
• sowie die Zahl der Bezirksvertretungen nicht weiter zu reduzieren.
Außerdem wurde beschlossen, eine vakante Dezernentenstelle zu streichen.
Von den insgesamt 78 Vorschlägen der Verwaltung waren im Rahmen der Online-Beteiligung nur 15 von den Teilnehmern abgelehnt worden. Diese betrafen vor allem Real-Steuererhöhungen und die Schließung von Schwimmbädern, hatten allerdings ein finanzielles Volumen von rund 13,6 Millionen Euro, sodass das von den Bürgern mitgetragene Gesamteinsparvolumen nur bei 31,6 Millionen lag. Das hieß: Um die 45-Millionen-Euro-Marke zu erreichen, musste der Rat zum Teil auch gegen die Bürgervoten entscheiden. Zum Erkenntnisgewinn gehörte aber die Tatsache, dass sich klare Mehrheiten der Teilnehmer für die Schließung städtischer Festsäle in zwei Stadtteilen, für die Aufgabe eines traditionsreichen Fußballstadions, die Erhöhung der Hundesteuer, die Aufgabe von Schulstandorten und für die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung positionierten. Das Ergebnis zeigte, dass das Internet-Portal auch nicht organisierten Bürgern die Chance zu einer öffentlich wahrnehmbaren Meinungsbekundung gegeben hat und diese Möglichkeit auch genutzt wurde.
Breite Bürgerbeteiligung
Der Ausgang der Bürgerbeteiligung und der Ratsbeschluss machten Eindruck auf die Aufsichtsbehörde der Stadt, die Bezirksregierung in Düsseldorf. Regierungspräsidentin Anne Lütkes spendete der Stadt Solingen für ihr überarbeitetes Haushaltssicherungskonzept großes Lob. Besonders positiv hob Lütkes die breite Bürgerbeteiligung hervor. Der Rat der Stadt habe sich seiner Verantwortung gestellt und sei auch vor unpopulären Entscheidungen nicht zurückgeschreckt. Die Regierungspräsidentin würdigte damit einen „echten Kraftakt“, den sie mit einer Haushaltsverfügung belohnte: Solingen war nicht mehr akut von Überschuldung bedroht.
Dies verschaffte der Stadt unmittelbar finanzielle Gestaltungsspielräume wie beispielsweise die Einräumung eines Kreditrahmens in Höhe von rund 3,5 Millionen Euro. Damit war der Weg wieder frei für die Teilnahme an Stadtentwicklungsprojekten, die zur Erlangung von Fördermitteln einen städtischen Eigenanteil voraussetzten. Als weitere konkrete Folge der Verfügung konnte die Stadt Solingen im Jahr 2011 30 Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.
Online-Diskussion des Haushaltes 2012
Als Konsequenz der guten Erfahrungen wird Solingen auch die Diskussion des Haushaltes 2012 mit einer Online-Bürgerbeteiligung verknüpfen. Unmittelbar nach Einbringung des Entwurfs in den Rat Ende April dieses Jahres wird eine dreiwöchige Bürgerbeteiligung im Web erfolgen. Die meisten Funktionen von solingen-spart.de werden beibehalten – beispielsweise der Sparbalken, welcher das erreichte Sparziel der Teilnehmer grafisch abbildet. Eine größere Rolle als 2010 werden Bürgervorschläge spielen. Zwar konnten die Nutzer bereits beim ersten Solinger Bürgerhaushalt Kommentare in Form von freien Texten abgeben. Bei der Auswertung der rund 5.000 Kommentare war es den städtischen Finanzexperten jedoch meist nicht möglich, ein Sparpotenzial zu ermitteln. Nicht selten gingen die Vorschläge an gesetzlichen Vorgaben vorbei oder unterschätzten die Komplexität der Verhältnisse. Das geänderte Verfahren soll deshalb Wiederholungen vermeiden helfen und ein Ranking von Bürgervorschlägen ermöglichen, sodass am Ende der Beteiligungsphase ein überschaubarer Pool von bestbewerteten Vorschlägen stehen wird.
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