Mittwoch, 12. März 2025

REPORTCIOs braucht das Land

[27.02.2012] Zwölf Bundesländer haben die Stelle eines Chief Information Officer eingerichtet. Die vier zuletzt berufenen CIOs haben uns über ihre persönlichen Ziele, Projekte sowie E-Government im bundesweiten Vergleich Rede und Antwort gestanden.

Harald Lemke war der erste überhaupt und Hessen somit Vorreiter bei der Berufung eines Chief Information Officer (CIO) im Jahr 2003. Inzwischen haben zwölf Bundesländer die Position in der einen oder anderen Form besetzt. Seit Dezember 2010 sind drei neue hinzugekommen – im Saarland, in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem wurde erstmals eine Frau in die Position einer Landes-CIO berufen: Heike Raab hat in Rheinland-Pfalz die Nachfolge von Jürgen Häfner angetreten. Wir haben die Neulinge gefragt, welche Ziele sie sich gesetzt haben, welche Bedeutung sie der Stelle eines Landes-CIO beimessen und wie sie ihr Bundesland im deutschlandweiten Vergleich im Bereich E-Government aufgestellt sehen.

#titel+ Vertreter der Länder im IT-Planungsrat #titel-

Als wichtigen Teil ihrer Rolle bewerten die IT-Bevollmächtigten das Vertreten der Länderinteressen im IT-Planungsrat. Ob der CIO sein Land in diesem Gremium vertritt, hängt in der Regel davon ab, ob er Staatssekretär ist. Für Saarlands CIO Hanno Thewes sitzt sein Chef, Finanzstaatssekretär Gerhard Wack, im IT-Planungsrat. Dennoch betont Thewes die Bedeutung des Gremiums: „Mit der Schaffung des IT-Planungsrates ist die Notwendigkeit entstanden, dass sich Bund und Länder in ihrer Strategie abstimmen. Das führt umgekehrt dazu, dass die einzelnen Bundesländer ihre Kräfte bündeln. Dies ist ein sehr produktiver Prozess. Denn IT hat ressort- und funktionsübergreifenden Charakter: Ein zentrales IT-Management ist deshalb das Gebot der Stunde.“

#titel+ Ressortübergreifende Koordination #titel-

Die ressortübergreifende, strategische Koordination, welche ein Landes-CIO erfüllt, wird von den anderen ebenfalls hervorgehoben. Nach Aussage von Thomas Lenz, seit Juni vergangenen Jahres CIO des Landes Mecklenburg-Vorpommern, ist es erforderlich, die wachsende Bedeutung von E-Government und die strategische Ausrichtung der IT noch enger mit den politischen Handlungsfeldern der Landesregierung zu verknüpfen. „Dies und die Entwicklung einer landesweit einheitlichen IT-Strategie sowie deren Umsetzung und Kontrolle machen es unumgänglich, eine landesweit durchgängige IT-Steuerung mit definierten Aufgaben und Rollenverteilungen weiter auszubauen“, so Lenz.
Rheinland-Pfalz-CIO Heike Raab stellt noch einen anderen Aspekt ihrer Rolle heraus: „Die IT-Wirtschaft hat mit mir einen zentralen Ansprechpartner aufseiten des Landes. Das spart Verhandlungsaufwand und dem Land Geld, da durch größere Stückzahlen bessere Konditionen erzielt werden können. Die übrige Wirtschaft kann IT-Fragestellungen an mich herantragen. Aus meinem Ressort werden diese dann federführend betreut und ressortübergreifend koordiniert.“ Zudem sei es wichtig, für eine Kommunikation der IT-Systeme zu sorgen und dem Wildwuchs bei Hard- und Software entgegenzuwirken.
Auch in organisatorischer Hinsicht ist eine Bündelung der Kräfte in der Funktion eines Landes-CIO sinnvoll. In Sachsen-Anhalt waren die IT-Zuständigkeiten auf Staatskanzlei, Innen- und Finanzministerium verteilt. Jörg Felgner, der seit April 2011 die CIO-Position in Sachsen-Anhalt innehat, sagt: „Diese Zersplitterung führte dazu, dass verschiedene Beteiligte unter jeweils anderen Überschriften an im Ergebnis identischen Fragestellungen arbeiteten – ein Ressourceneinsatz, den sich das Land vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Personalsituation im IT-Bereich nicht mehr leisten konnte.“ So wurde zum einen ein Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnik berufen und zum anderen in dessen Verantwortungsbereich die Abteilung Informations- und Kommunikationstechnik geschaffen, die als zentrale Stelle für die IT-Gesamtkoordination mit Verantwortung für die Strategie und Steuerung aller IT-Projekte zuständig ist.

#titel+ Kooperationen mit Verwaltung und Wirtschaft #titel-

Neben der Koordination sehen die IT-Beauftragten einen Arbeitsschwerpunkt in der Kooperation – sei es mit Kommunen, anderen Bundesländern oder der Wirtschaft. Den Ausbau der kooperativen Ansätze nennen alle vier als ein wichtiges Ziel. In die Neuausrichtung der IT-Strukturen im Saarland sind nicht nur die Landesbehörden, sondern auch die Hochschulen und Kommunen eingebunden, berichtet Hanno Thewes. Er führt aus: „Diese übergreifende Kooperation ist für sich allein schon von großer Bedeutung. Ich möchte diesen grundlegenden Prozess, der sehr viel mit Kommunikation und Integration unterschiedlicher Partner zu tun hat, weiter unterstützen und zum Erfolg führen.“ Thomas Lenz will in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls an die Erfolge bei der Zusammenarbeit mit Kommunen und Wirtschaft anknüpfen. Und Sachsen-Anhalts CIO Jörg Felgner sagt: „In den kommenden Jahren möchte ich daran arbeiten, die Kooperationen mit den Kommunen und anderen – vorrangig benachbarten – Bundesländern im Bereich IT zu intensivieren und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen, zum Beispiel im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), nicht aus den Augen verlieren.“

#titel+ Aktuelle und künftige Projekte #titel-

Felgner will außerdem den Aufbau eines verwaltungsübergreifenden Data Warehouse vorantreiben: „Alle relevanten Datenquellen der obersten Landesbehörden und ihnen nachgeordneter Behörden und Einrichtungen sowie gegebenenfalls anderer Verwaltungsträger sollen zukünftig im optimalen Fall in einem zentralen Informationssystem zusammenführt werden.“ Ein weiteres Ziel sei der Ausbau des zentralen IT-Dienstleisters zu einem Dienstleister, der verbindliche IT-Standards setzt und umsetzt, für Informationssicherheit sorgt, eine flächendeckende Arbeitsplatzbetreuung durch seinen User Help Desk bietet und künftig sogar für die Kommunen IT-Dienstleistungen erbringen könnte. Jörg Felgner geht es zudem um die Schaffung einer Datenautobahn, die alle staatlichen Strukturen auf einer Ebene in einem leistungsfähigen Landesdatennetz abbildet, die Kommunen einbindet, alle Schulstandorte vernetzt und allen Multimedia-Belangen durch entsprechende Breitband-Anbindung entspricht.
Eine möglichst flächendeckende Versorgung mit Breitband und der einheitlichen Behördenrufnummer hat sich Thomas Lenz auf die Fahnen geschrieben. Bislang werde die 115 in der Region Westmecklenburg im Rahmen des Modellprojektes Daseinsvorsorge 2030 erprobt.
Die flächendeckende Breitband-Versorgung steht auch auf Heike Raabs Agenda ganz oben. Sie sagt: „Als Rheinland-Pfälzerin aus einer ländlich geprägten Region weiß ich, wie wichtig schnelles Internet ist und daher ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, hier den Ausbau weiter voranzutreiben. Ich will erreichen, dass alle hierzu notwendigen Akteure die Bedeutung des Themas erkennen und wir an einem Strang ziehen, um voranzukommen.“

#titel+ Saarländischer Vorreiter #titel-

Im Saarland werden Projekte aktuell anhand zweier großer Linien unter den Überschriften Konsolidierung und Kooperation umgesetzt. Die im Zuge der IT-Konsolidierung durchgeführte Ist-Analyse der Verfahren und Prozesse ist abgeschlossen. Nun werden nach Angaben von Hanno Thewes neue ressortübergreifende Entscheidungsstrukturen aufgebaut und die Eckpunkte eines Landessystemkonzeptes erstellt. Unter der Projektsäule Kooperation werden die Aktivitäten zwischen Land, Kommunen und Hochschulen gebündelt. „Ein erster großer Erfolg war die Zusammenlegung der Rechenzentren der Hochschulen für Technik und Wirtschaft sowie der Universität des Saarlandes im Juli 2011. Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist die erstmalige Ausschreibung eines Saarlandnetzes für die Landesverwaltung und die Kommunen.“ Als eines der ersten Bundesländer habe das Saarland die Kooperation mit den Kommunen mit einem gemeinsamen E-Government-Pakt besiegelt. „Die Kommunen haben ihre Kräfte flächendeckend im Zweckverband eGo-Saar gebündelt. Dienste wie die Melderegisterauskunft werden in einer gemeinsamen Gesellschaft erbracht. Damit nehmen wir in Deutschland eine Vorreiterrolle ein“, so CIO Thewes. Aufgrund seiner geografischen Lage ist für das Saarland auch die Europäisierung von E-Government-Angeboten ein wichtiges Thema, damit grenzübergreifende Verwaltungsprozesse möglich werden. Aus diesem Grund wirkt das Bundesland in den Gremien des IT-Planungsrates aktiv mit, wenn es um europäisches E-Government geht.

#titel+ Rheinland-pfälzische Verbundprojekte #titel-

Kompetenz bei der länderübergreifenden Zusammenarbeit – allerdings innerhalb Deutschlands – bescheinigt auch Heike Raab ihrem Bundesland. Zahlreiche Verbundprojekte würden mit rheinland-pfälzischer Beteiligung ablaufen. So etwa das Modellvorhaben „Kooperatives E-Government in föderalen Strukturen“ in der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN), an dem neben Rheinland-Pfalz und der MRN die Länder Hessen und Baden-Württemberg sowie der Bund beteiligt sind. „Weitere Beispiele einer guten Zusammenarbeit mit anderen Ländern sind die gemeinsame Nutzung und Weiterentwicklung des elektronischen Kabinettsinformationssystems eKIS mit Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie der Betrieb eines gemeinsamen Back-up-Rechenzentrums mit Hessen“, erläutert Raab.

#titel+ Federführer Sachsen-Anhalt #titel-

Die ebenenübergreifende Vernetzung stellt auch für Sachsen-Anhalt-CIO Jörg Felgner ein wesentliches Merkmal von E-Government dar. Das Land arbeite seit dem Jahr 2003 aktiv in verschiedenen länderübergreifenden Gremien mit. Hierbei sind unter anderem der Leistungskatalog LeiKa und der Behördenfinder Deutschland entstanden (wir berichteten). Felgner: „Für diese beiden Projekte hat Sachsen-Anhalt seit 2008 die Federführung inne und hat sie auf ihrem Weg zu Daueranwendungen des IT-Planungsrates begleitet.“

#titel+ Mecklenburg-Vorpommerns einheitliche zentrale Infrastruktur #titel-

Als mecklenburg-vorpommerisches Pfund wertet Thomas Lenz die einheitliche zentrale E-Government-Infrastruktur für Land, Kommunen, Wirtschaft und Bürger, die sich seit 2006 an die stetig steigenden Anforderungen der Fachanwender angepasst habe. Sie habe sich schrittweise zum strategischen Kernelement des E-Government entwickelt. Laut Lenz wird ein gesamtheitlicher Ansatz von der strategischen Planung bis hin zur Umsetzung der notwendigen Erweiterungen verfolgt. Damit werde auf Basis des modularen Systemaufbaus eine sehr hohe Flexibilität bei der Umsetzung der Fachanforderungen gewährleistet. Mit der Integration zusätzlicher Fachverfahren würden das Dienstleistungsangebot und die Funktionalität der zentralen E-Government-Infrastruktur erweitert.

#titel+ Vier fehlen noch #titel-

Da IT nicht mehr nur der PC- Arbeitsplatz ist, sondern mehr und mehr zu einer Infrastrukturaufgabe mit weit verzweigten Schnittstellen und Berührungspunkten avanciert, wird es in der Verwaltung zu einem Umdenken und einer grundsätzlichen Umstrukturierung kommen, ist Jörg Felgner überzeugt. Der CIO von Sachsen-Anhalt sagt: „Wenn wir unser Land als eine zukunftsfähige Region in der Gemeinschaft deutscher Länder verstehen und uns als Landesverwaltung an der erfolgreichen Umsetzung der politischen Ziele messen lassen wollen, müssen wir in die Offensive gehen.“ Was die Schaffung einer Landes-CIO-Funktion anbelangt, hat Baden-Württemberg jetzt die Initiative ergriffen. Auf einer Veranstaltung in Stuttgart hatte Herbert O. Zinell, als Ministerialdirektor Amtschef im Innenministerium des Landes, Mitte November 2011 erklärt, die Stelle des Landessystembeauftragten solle zum Chief Information Officer ausgebaut werden. Nach diesem Bekenntnis Baden-Württembergs stellt sich die Frage, wie lange es sich die drei dann noch fehlenden Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen leisten können, auf einen CIO zu verzichten.





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