InterviewDas Rathaus für die Hosentasche
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Andreas Brohm ist Bürgermeister der Stadt Tangerhütte.
(Bildquelle: Andreas Brohm)
Herr Bürgermeister Brohm, wie gelingt es der Stadt Tangerhütte, die Corona-Krise zu bewältigen?
Es gibt drei Bereiche, um deren Weiterbetrieb wir uns als Kommune kümmern müssen: die Kindertagesstätten, den Bauhof und die Verwaltung. Wir müssen einerseits dafür sorgen, dass wir dort mit dem Einhalten der Schutzmaßnahmen und allem, was sich daran anschließt, auf der sicheren Seite sind. Als Arbeitgeber ist das eine recht pragmatische Aufgabe. Als Ordnungsbehörde müssen wir andererseits dafür sorgen, dass die Maßnahmen auch eingehalten werden. Dadurch fällt viel Vermittlungsarbeit an. Eine weitere Herausforderung ist die Kommunikation mit den Bürgern. Denn die müssen schnell die richtige Information erhalten – beispielsweise, dass die Kita gerade geschlossen ist. Deswegen gilt für uns, dass wir wichtige Sachverhalte, die mit den Einschränkungen durch die Pandemie zu tun haben, komprimiert und effizient weiterleiten.
Von vielen Seiten heißt es, dass die Corona-Krise einen Schub für die Digitalisierung in den Kommunalverwaltungen mit sich bringt. Was denken Sie dazu?
Digitalisierung umfasst mehr als Rechner und Software. Es geht um eine Strukturveränderung und die Befähigung von Mitarbeitern und Bürgern. Für Tangerhütte bedeutet das: Wir verändern Arbeitsprozesse. Durch die Corona-Pandemie können wir uns hier mehr trauen. Und das tun wir auch. Die E-Akte und elektronische Workflows beispielsweise – das gab es alles vorher schon. Die Krisensituation aber wirkt nun als Beschleuniger. Auch aufseiten der Bürger steigert die Corona-Pandemie die Akzeptanz digitaler Lösungen. Ist beispielsweise das Rathaus geschlossen, können die Bürger stattdessen unser Online-Portal, das Digitale Rathaus besuchen. Sie können dort Termine vereinbaren, Anfragen stellen und digitale Verwaltungsleistungen abrufen. Die Anträge sind nach OZG-Leistungen sortiert. Dazu haben wir eine App programmieren lassen, über die sich die Nutzer via Fingerabdruck bei ihrem Bürgerkonto anmelden können. Die umständliche Pin-Eingabe oder ähnliche Authentifizierungsprozesse entfallen. Es handelt sich sozusagen um das Rathaus für die Hosentasche. Wir haben, Stand heute, etwa 840 Kunden in unserem Serviceportal – ein vergleichsweise hoher Wert. Das zeigt uns, dass wir mit diesem Angebot einen Nerv getroffen haben. Es passt zur Lebenswelt der Bürger. Und das ist wichtig. Uns geht es nicht um das bloße Abarbeiten des OZG, sondern um Nutzerfreundlichkeit. Wir müssen Brücken schaffen, um die bisher existierende Hemmschwelle der Bürger gegenüber digitalen Verwaltungsleistungen abzubauen.
Welche Maßnahmen mussten Sie ergreifen, um gut durch die Krise zu kommen?
Im März habe ich zu meinen Mitarbeitern gesagt: Wir sind der Fels in der Brandung und die letzten, die das Licht ausmachen. Und so arbeiten wir auch. Zunächst einmal müssen wir als Kommune sicherstellen, dass die Verwaltung funktioniert. Es galt etwa zu verhindern, dass die ganze Verwaltung in Quarantäne muss, sobald sich einer der Mitarbeiter mit Corona infiziert hat. Wir arbeiten deshalb in Schichten und haben einen Teil der Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Dieser Wechsel bringt natürlich eine andere Arbeitskultur mit sich und muss mit den Mitarbeitern besprochen werden. Wir haben viele junge Mitarbeiter, aber auch ältere Beschäftigte, die sich mit dem Konzept Homeoffice vielleicht etwas schwerer tun. Da eine Lösung zu finden, die jeder akzeptiert, ist eine Herausforderung. Diese Diskussion haben wir aber schon vor der Krise geführt, indem wir uns beispielsweise in Workshops und dergleichen ausgetauscht haben. Damals war es keine Muss, nun aber ist es dringend notwendig, diese Veränderungen einzuführen.
„Über die App zum Digitalen Rathaus können Bürger sich via Fingerabdruck autorisieren und so Verwaltungsleistungen buchen.“
Welche positiven Entwicklungen sind in den vergangenen Monaten entstanden?
Erstmal ist jetzt die Akzeptanz da, um über Veränderungen nachzudenken. Die Idee zum Digitalen Rathaus gab es zum Beispiel schon im letzten Jahr. Damals hatten wir uns in Teams zusammengesetzt und überlegt: Was ist der spannendste Dienst, den wir anbieten können, damit der Bürger ihn auch nutzt? Und von welchen Services haben wir als Verwaltung den größten Nutzen? Das stieß zu der Zeit noch auf geteiltes Interesse unter den Mitarbeitern. Heute ist das anders. Jeder hat Ideen, wie man Prozesse noch digitaler machen kann. Die Mitarbeiter sind viel offener und begeistert dabei in der Ideenfindung. Durch die Krise hat sich die Grundstimmung gegenüber Neuem verändert. Das gilt auch für die App, die zu unserem Digitalen Rathaus gehört. Sich per Fingerabdruck autorisieren und Verwaltungsleistungen buchen – das geht einfach und bequem und die Bürger kennen das von ihren Online-Konten bei Amazon und Co. So kommt schon eine tolle Dynamik in den Prozess. Das Vorurteil einer eher rückschrittlichen Verwaltung trifft auf Tangerhütte jedenfalls nicht zu. Wir haben hier ein junges Team, das sich mit Herzblut einbringt und offen gegenüber Innovationen ist.
Wie kann das Positive ins neue Normal übertragen werden?
Wir müssen konsequent dran bleiben, weiter machen und die neuen Prozesse auch nach der Corona-Pandemie verstetigen. Denn sobald Innovationen und digitale Lösungen nicht mehr gezwungenermaßen einzusetzen sind, lässt der Zug nach. Wenn wir nicht aufpassen, ist der Effekt dann schnell verpufft und wir sitzen wieder da wie früher. Ein gutes Beispiel sind die Meetings hier im Kreis Stendal, einer Kommune, die so groß ist, wie das Saarland. Für die verschiedenen Gremiensitzungen fahren wir für gewöhnlich hin und her, obwohl man sich viel einfacher digital zusammenfinden könnte. Auch beim Bürger müssen wir dran bleiben. Das, was wir in Tangerhütte probieren, ist außerdem kein Mainstream. Wir überlegen uns selbst, welche Tools und digitalen Services uns nützen. Damit gehen wir über die Erfüllung der OZG-Leistungen hinaus, weil wir viele Synergieeffekte haben und nutzen können. Weiterhin fehlen in manchen Bereichen Lösungen, etwa wenn es darum geht, mit weniger Personal auskommen zu müssen. An fähige Arbeitskräfte kommen wir wiederum nur, wenn die Arbeitsplätze in der Verwaltung attraktiv und konkurrenzfähig sind. Da geht es zum Beispiel auch ums Homeoffice. Es muss eine spannende Aufgabe sein, in der Verwaltung zu arbeiten. Und dafür müssen wir uns fit machen.
Was brauchen Kommunen jetzt, um die Digitalisierung im Sinne der Bürger nachhaltig umsetzen zu können?
Die Kommunen brauchen vor allem finanzielle Unterstützung. Um Neuerungen zufriedenstellend umzusetzen, muss man nochmal über Geld reden. Es braucht in dieser Hinsicht eine andere Wertschätzung für die kommunale Verwaltungsebene.
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