Samstag, 19. April 2025

Dresdner ForderungenDas System neu justieren

[05.07.2022] Um eine moderne digitale Verwaltung zu schaffen, muss der Blick über das Onlinezugangsgesetz hinausreichen. Nötig ist etwa eine bessere Aufgabenteilung: Verwaltungsangebote ohne kommunalen Handlungsspielraum könnten auch von Bund oder Ländern bereitgestellt werden.
Föderale Aufgabenaufteilung neu ausrichten.

Föderale Aufgabenaufteilung neu ausrichten.

(Bildquelle: Sashkin/stock.adobe.com)

Schnell, einfach und sicher soll sie sein, die digitale Verwaltung in den Städten. Das wünschen sich die Menschen und das ist der Anspruch der Städte. Sie wollen ihre Verwaltungen weiter modernisieren und haben Erfolge zu verzeichnen. In zahlreichen Digitalisierungsprojekten sind sie Vorreiter und sie haben eine breite Digitalisierungsexpertise. Vielerorts gibt es gute Ideen und Leuchtturmprojekte. Aber einfach ist der Wandel nicht. Der Mangel an Fachkräften, Lieferengpässe bei der Technik und fehlende Breitband-Netze machen nicht nur der Wirtschaft zu schaffen, sondern auch den Kommunen.

Durchdachte digitale Prozesse

Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung setzt das Onlinezugangsgesetz (OZG) wichtige Impulse. Es konzentriert sich allerdings allein auf den digitalen Zugang zu Verwaltungsleistungen. Das reicht nicht aus. Eine bürgerfreundliche Digitalisierung der Stadtverwaltung braucht mehr. Es geht nicht allein um eine Eins-zu-eins-Übersetzung analoger Verfahren, sondern um wirklich durchdachte digitale Prozesse, vom Antrag bis zum Bescheid. Einzelne Schritte, wie neue digitale Formulare und Online-Anträge, allein entlasten keine Verwaltung und beschleunigen kein Verfahren. Die digitalen Daten müssen schnell und medienbruchfrei, also ohne aufwendige manuelle Anpassungen, an die Fachverfahren angebunden werden. Sonst wird Potenzial verschenkt.
Die Städte wollen zeitgemäße Online-Services für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen schnell und unkompliziert anbieten und dabei wirtschaftlich, krisenfest und modern arbeiten. Damit der digitale Wandel gelingt, müssen alle, vom Bund bis zu den Kommunen, an einem Strang ziehen: die Politik, die Wirtschaft, die Wissenschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger. Dafür muss der Blick neu ausgerichtet werden – deutlich über das OZG hinaus.
Hier setzen die so genannten „Dresdner Forderungen“ an. In ihnen haben Anfang 2021 Vertreterinnen und Vertreter der Städte Essen, Köln, Leipzig, München und Freiburg ihre Ansätze für eine moderne, digitale Verwaltung zusammengetragen. Sie wurden seither bundesweit von vielen Städten, Kreisen und Gemeinden sehr positiv aufgegriffen und von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft intensiv diskutiert.

Aufgaben besser aufteilen

Denn klar ist: Wir brauchen mehr Tempo. Bis zum 31. Dezember 2022 soll aus der Theorie des OZG digitale Praxis werden. Dann sollen die Bürger die Möglichkeit haben, knapp 600 im OZG gefasste Verwaltungsleistungen digital zu nutzen. Viele dieser Online-Services gibt es bisher noch gar nicht. Bei der Umsetzung des OZG sind die Länder für unterschiedliche Bereiche verantwortlich – und sie lassen die Kommunen oft warten. Noch ist beispielsweise offen, wann die Online-Services für Leistungen wie den digitalen Wohngeld- oder Einbürgerungsantrag fertig entwickelt und nutzbar sind. Das führt zu Planungsunsicherheiten, die nicht gut sind, und erhöht den Druck auf die Städte.
Diese arbeiten selbst auf Hochtouren daran, IT-Prozesse für die Digitalisierung ihrer lokalen Verwaltungsangebote wie etwa Baugenehmigungen startklar zu machen. Der Aufwand ist riesig. Zusätzlich tragen die Städte die Verantwortung für zentrale Bundes- oder Landesaufgaben wie das Pass- und Ausweiswesen, Führerscheinangelegenheiten, Elterngeld, Wohngeld oder Führungszeugnisse. Auch hierfür gibt es keine einheitlichen digitalen Lösungen und jede Stadt muss individuell einen großen Aufwand betreiben. Das ist ärgerlich. Denn diese Aufgaben haben keinen oder nur einen geringen kommunalen Bezug, da können die Städte wenig gestalten. Ihre Stärke liegt darin, lokale Veränderungen anzustoßen. Sie wollen dort anpacken und Entwicklungen auf den Weg bringen, wo das Miteinander direkt betroffen ist – im sozialen Bereich, der Kultur, dem Sport, bei Bildung und Umwelt. Die kommunalen Kernaufgaben liegen in der (digitalen) Daseinsvorsorge, nicht darin, Aufgaben von Bund und Ländern zu digitalisieren. Damit die Städte sich noch besser auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, sind neue Wege der Zusammenarbeit und der besseren Aufgabenteilung zwischen Kommunen, Ländern und Bund nötig.

Zentrale Lösungen für zentrale Verfahren

Dieses Netz wird man entwirren können. Für zentrale Verwaltungsverfahren ohne kommunale Handlungsspielräume kann es auch zentrale IT-Lösungen geben, man denke etwa an den Antrag für einen Personalausweis. Dafür reicht ein zentraler Online-Service absolut aus, der überall in Deutschland genutzt werden kann. Wenn IT-Prozesse für Aufgaben des Bundes und der Länder von allen Kommunen genutzt werden können, muss sich nicht wie heute jede Kommune um individuelle IT-Lösungen kümmern. Das spart Zeit und Kraft, die für die drängenden Aufgaben vor Ort gebraucht wird.
Diskutiert werden sollte auch darüber, ob zentrale Aufgaben ohne kommunale Gestaltungsspielräume nicht grundsätzlich in die Hände von Bund und Ländern gegeben werden können. Sie wurden den Kommunen ursprünglich zugewiesen, um eine stärkere Bürgernähe zu garantieren. Werden Verwaltungsleistungen künftig aber rein digital erbracht, steht der Gedanke der Ortsnähe nicht mehr an erster Stelle. Verwaltungsangebote ohne kommunalen Bezug und ohne kommunale Handlungsspielräume könnten dann auch unmittelbar von Bund oder Ländern angeboten werden.
Langweilig wird es in keinem Fall. Die Städte tragen Verantwortung für immer mehr Zukunftsthemen: Sie sollen smarter werden, sich mit Rücksicht auf das Klima zukunftsfest machen und neue Wege der Mobilität ermöglichen. Obwohl die Aufgaben also stetig mehr werden, fehlt immer häufiger das Personal, um diese anzugehen. Deshalb werben viele Städte sehr klug um die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch um Fachkräfte, die den digitalen Wandel kompetent begleiten können. Beim Gehalt solcher IT-Spezialisten können sie zwar nicht immer mithalten, soziale Faktoren wie Familienfreundlichkeit, Arbeitszeiten oder Sicherheit des Arbeitsplatzes können aber viele Menschen überzeugen. Und: Die Städte bilden selber aus und bieten in Kooperationen auch Plätze in dualen Studiengängen an.

Vision weiter schärfen

Der Austausch zu den Ansätzen der „Dresdner Forderungen“ hält an. Begleitet vom Deutschen Städtetag sowie der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) entwickeln die Städte die „Dresdner Forderungen“ stetig weiter. Denn es sind längst nicht alle Hindernisse beseitigt. Die Kommunen müssen die Zusammenarbeit zwischen und mit ihren IT-Dienstleistern reibungslos organisieren. Die Mitarbeitenden vor Ort müssen fit gemacht werden, damit sie die digitalen Anwendungen effektiv und souverän nutzen können.
Zusätzlich ist die Vision der Verwaltung im digitalen Zeitalter weiter zu schärfen. Und es ist ein offener Dialog darüber nötig, wie sich die Aufgaben der digitalen Verwaltung klug und für die Bürgerinnen und Bürger sinnvoll verteilen lassen und das föderale System neu justieren lässt. Die Ampelkoalition hat das in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt, die Hoffnungen sind also groß. Denn in der Digitalisierung der Verwaltung stecken viele Chancen für die Städte. Diese wollen wir nutzen.

Hanna Sommer ist Referentin für Verwaltungsdigitalisierung und IT beim Deutschen Städtetag; Anika Krellmann ist Referentin im Programmbereich Organisations- und Informationsmanagement bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt).




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