Open DataDaten als Rohstoff
Im Jahr 2011 hatte ein junger Programmierer eine App entwickelt und darin den U-Bahn-Fahrplan der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) abgebildet. Mit der App war es möglich, Verbindungen und Anschlusszeiten im Berliner Verkehrsnetz zu recherchieren. Dazu hatte er die Daten der BVG über eine Schnittstelle abgegriffen – und wurde deswegen von der Verkehrsgesellschaft umgehend verklagt. Bald besann man sich bei den Verkehrsbetrieben jedoch eines Besseren, zog die Klage zurück und nutzte die Technologie des jungen Entwicklers fortan für die eigene, offizielle BVG-App. Auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung machte dieses Beispiel im vergangenen Jahr die Runde. Es zeigt die zunehmende Bedeutung und Popularität von offenen Daten.
Einigermaßen etabliert
2011 war auch das Jahr, in dem im Berliner Roten Rathaus der erste Berlin Open Data Day (BODDy) stattfand. Dabei stellten sich mehrere Projekte vor, die offene Daten für Kartendarstellungen wie Wheelmap.org oder Mundraub.org verwendeten. Die Berliner Geodaten-Infrastruktur sowie Haushalts-, Umwelt- und Statistikdaten konnten von der Open-Data-Gemeinde genutzt werden. Sieben Jahre später haben viele Kommunen, Länder und auch der Bund Teile ihrer Datenstämme geöffnet. Seit die Bundesbehörden im Mai 2017 im E-Government-Gesetz verpflichtet wurden, offene Daten bereitzustellen und viele Ländergesetze dem Beispiel gefolgt sind, hat sich Open Data einigermaßen etabliert.
So hat etwa die Berliner Finanzverwaltung einen Datensatz über alle Zuwendungen des Jahres 2017 – rund 70.000 Einzelförderungen im Gesamtwert von über 14 Milliarden Euro – freigegeben, der von der Open Data Community analysiert worden ist. Das Analyse-Tool ermöglicht eine Filterung nach Themenbereichen, Postleitzahlen oder einzelnen Behörden. Damit bietet sich eine interessante Übersicht – auch über Bereiche, die häufig durch das Förderraster fallen. Es fiel beispielsweise auf, dass der Tierschutz 2017 zum ersten Mal mit Fördermitteln bedacht wurde. Ein anderes Best-Practice-Beispiel sind die Wasserdaten des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), die bislang auf einer unübersichtlichen Internet-Seite lagerten. Die Technologiestiftung Berlin hat daraufhin eine Web-Anwendung entwickelt, die alle Badestellen und deren Wasserqualität auf nutzerfreundliche Weise aufzeigt – tagesaktuell und leicht verständlich.
Raum für Diskussion
In der Hauptstadt wird derzeit an einer Open-Data-Strategie des Landes gearbeitet. Das Berliner E-Government-Gesetz sieht eine Rechtsverordnung für Open Data vor, bisher liegt ein Eckpunktepapier vor. Staatssekretär Christian Rickerts vom Wirtschaftssenat machte auf dem Berlin Open Data Day (11. Oktober 2018) darauf aufmerksam, dass Behörden künftig verpflichtet werden, bestimmte Daten anzubieten. Hierzu soll es Open-Data-Beauftragte in jeder Behörde geben. Neben den technischen Rahmenbedingungen, die vor allem die zu integrierenden Schnittstellen betreffen, sei es notwendig, die Mitarbeiter zu überzeugen. „Open Data braucht Raum für die Diskussion“, sagte Rickerts. „Es benötigt spezielles Wissen, um damit umgehen zu können, und Multiplikatoren.“
Eine Open-Data-Informationsstelle ist jüngst für Mitarbeiter des Berliner Senats eingerichtet worden, um ihnen den Umgang mit offenen Daten zu erleichtern. Dort wird bei technischen Fragen und Problemen Unterstützung angeboten, die Mitarbeiter erhalten Schulungen und können sich untereinander vernetzen. Viele Beschäftigte und Verantwortliche befürchten zunächst mehr Aufwand – bei ohnehin knappen Personalressourcen kein gutes Argument für die Einführung offener Daten. Fürsprecher halten dagegen, dass Open Data für besseres Daten-Management und größere Effizienz sorgt. Nicht zuletzt verringern sich die Anfragen zur Akteneinsicht mit Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz.
Paradigmenwechsel und Kulturwandel
Mit Change Management ist auch der Bund befasst. „Open Data ist ein Paradigmenwechsel in der Verwaltung und ein Kulturwandel, für den man die Menschen mitnehmen muss“, sagte Erwin Schwärzer, Unterabteilungsleiter im Bundesinnenministerium. Deutschland sei bei Open Data kein Vorreiter im Vergleich zu Irland, Norwegen und den Niederlanden. Allerdings bemühe man sich, mehr offene Daten bereitzustellen. Im Koalitionsvertrag ist ein zweites Open-Data-Gesetz angekündigt worden, das zurzeit erarbeitet wird. Darin soll auch festgelegt werden, welche Behördendaten öffnungstauglich sind. „Wir wissen, dass es Daten gibt, die wir nicht veröffentlichen können“, sagte Schwärzer, „andere können wir aber sowohl für gemeinschaftliche als auch für wirtschaftliche Zwecke bereitstellen.“
Was ist Open Data wert?
An diesem Gedanken entzündete sich eine spannende Diskussion: Welche Daten sollen frei zugänglich sein, welche dürfen gar nicht veröffentlicht werden und welche können gegen ein Entgelt verfügbar gemacht werden? Der Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), Alexander Handschuh, sieht in Daten prinzipiell auch eine Einnahmequelle für Kommunen. Sein Chef, DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg, hatte im Frühjahr bereits gefordert, dass Daten, die von kommerziellem Interesse für Unternehmen sind, von den Kommunen in freier Entscheidung verkauft werden dürfen. Eine pauschale Verpflichtung zur entgeltfreien Weitergabe, wie sie der Bund für seine Behörden im Open-Data-Gesetz vorsieht, hält Landsberg für kritisch. Kommunale Daten als Rohstoff sollten Kommunen die Möglichkeit eröffnen, zu einem angemessenen Entgelt verkauft werden zu dürfen.
Das sieht die Open Data Community freilich ganz anders, die sich darauf beruft, dass öffentliche Daten ja bereits bezahlt worden sind und ein Mehrwert erst durch die Nutzung, Anverwandlung und Weiterverbreitung entsteht. Darüber hinaus fließe der Mehrwert der Geschäftsmodelle ohnehin in die Gesellschaft zurück. Das Dilemma brachte Ulrike Huemer, CIO der Stadt Wien, exemplarisch auf den Punkt: Die Wiener Verkehrsbetriebe stellen Google kostenfrei sämtliche Verkehrsverbindungsdaten zur Verfügung. Das machen viele Kommunen so. Der Mehrwert für die Stadttouristik sei ungleich größer, als auf Google Maps im Routenplaner nicht präsent zu sein, erklärte Huemer. Ausländische Touristen täten sich eben schwer damit, die vorhandenen ÖPNV-Apps zu finden und auf dem Smartphone zu installieren. Offen bleibt die Frage, ob ein Unternehmen wie Google nicht auch für Daten bezahlen würde, wenn alle Kommunen darauf bestünden. Ausprobiert hat es noch keine.
http://www.odis-berlin.de
Der Bericht der Technologiestiftung Berlin zu Open Data in der Berliner Verwaltung
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Dezember 2018 von Kommune21 im Schwerpunkt Open Data erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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