StrategieDen Blick weiten
Nach neuer Gesetzeslage – also der EU-Richtlinie 2014/55/EU sowie der Gesetze und Verordnungen von Bund und Ländern zur Umsetzung derselben – müssen öffentliche Auftraggeber spätestens seit April 2020 in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten. Kernelement der E-Rechnung ist ein strukturiertes elektronisches Format, das die automatisierte Verarbeitung des Dokuments ermöglicht. Die E-Rechnungsverordnung des Bundes sieht dafür den nationalen Datenaustausch-Standard XRechnung vor. Als Alternative bietet sich insbesondere das Format ZUGFeRD an.
Die Verpflichtung zur Annahme von Rechnungen im neuen Format bezieht sich zunächst ausschließlich auf den Eingang. Neben einer Schnittstelle für die bestehenden Finanzbuchhaltungssysteme ist auch die Übermittlung über einen Dienstleister zulässig. Jeder öffentliche Auftraggeber muss sich dem Thema stellen. Nur einen Fehler sollte man dabei nicht begehen: Weil es eilt, jetzt schnell eine Technik allein für die Annahme von XRechnungen einzuführen. Genau auf diesen Teilaspekt beschränken sich derzeit aber leider noch allzuviele Projekte. Damit vergeben Kommunen die Chance, das Thema Rechnungsbearbeitung in größerem Umfang zu betrachten und die damit möglichen Benefits hinsichtlich Transparenz, Durchlaufzeiten und Skonto-Optimierungen zu erreichen.
Klassischer Optimierungsdreiklang
Die E-Rechnung – und damit die Software zu deren Annahme und Verarbeitung – sollte als Baustein einer übergeordneten Digitalisierungsstrategie begriffen werden. Dies beinhaltet eine ganzheitliche Sicht auf Digitalisierung und Automatisierung. Im Hintergrund ist dabei der klassische Optimierungsdreiklang abzuarbeiten: Erstens das Einrichten von Leitsystemen für Archivierung und Dokumentenverwaltung, die Erarbeitung eines Konzepts zur Digitalisierung von Dokumenten sowie der Organisationsaufbau. Zweitens das Automatisieren von Prozessen und die Festlegung des gewünschten Automatisierungsgrads, unter Berücksichtigung des veränderten Ressourcenbedarfs. Und drittens die Vernetzung: Externe Beteiligte müssen angebunden, Wertschöpfungsketten optimiert und Prozesse verknüpft werden.
Schlüssiges Umsetzungskonzept
Eine übergeordnete Digitalisierungsstrategie bedeutet, Prozesse zu vereinheitlichen, Spezialfälle zu reduzieren und für die, die dennoch anfallen, entsprechende Anforderungen zu erarbeiten. Die gesamte interne Organisation der Verwaltung ist auf die digitale Rechnungsbearbeitung vorzubereiten und es muss rechtzeitig ein schlüssiges Umsetzungskonzept entworfen werden. Es gilt, über die Organisation hinaus zu denken und beispielsweise Schwachstellen wie den Transport zwischen unterschiedlichen Standorten und Buchungskreisen zu identifizieren – auch wenn das anfangs mehr konzeptionelle Arbeit erfordert. Nur so lässt sich eine echte digitale Transformation des gesamten Rechnungsverarbeitungsprozesses und somit ein gut durchdachter Querschnittsprozess über alle Bereiche hinweg erreichen.
Prozesse digital verbinden
Idealerweise werden angrenzende Prozesse gleich mit betrachtet. Es genügt also nicht, nur an die reine Rechnungsbearbeitung zu denken. Vielmehr ist zu überlegen, wie Prozesse digital verbunden werden können. Zum Beispiel Mittelreservierung, Beschaffung oder Vergabe. Das klingt komplizierter, als es ist. Denn stellt man den Fokus schärfer, ist leicht festzustellen, dass sich die Organisation der einzelnen Fachbereiche oft gar nicht groß unterscheidet, sodass ein Gesamtkonzept durchaus realisierbar ist. Ein solches bildet die Prüfungsfreigabeanforderungen der gesamten Organisation mit all ihren Besonderheiten ab. Es betrachtet die Annahme von XRechnungen und die Weiterverarbeitung der Belege als zusammenhängenden Prozess. Dazu gehört dann auch die Überlegung, wie aktuell noch per Papier eingehende Rechnungen zu behandeln sind.
Qualifizierter Anforderungskatalog
Gefragt ist also eine Gesamtlösung für den Rechnungsprozess statt lediglich eine Insellösung für die Verpflichtung zum Empfang von XRechnungen. Aus diesem Grund empfiehlt sich vorab die Erstellung eines qualifizierten Anforderungskatalogs. Dieser nimmt alle relevanten technischen, fachlichen und organisatorischen Forderungen auf. Bei SAP-integrierten Lösungen sind die Abhängigkeiten zum SAP-Framework zu beachten. Eine gute und sinnvolle Klassifizierung der Anforderungen (Muss, Soll, Kann) hilft bei der Wahl des richtigen Anbieters und strukturiert die internen Erwartungshaltungen an das Projekt. Häufig werden dem Dienstleister für ein Rechnungsverarbeitungsprojekt Soll-Prozesse der jeweiligen Fachbereiche vorgegeben, die dem aktuellen, papiergebundenen Prozess entsprechen. Das ist nicht immer ideal und technisch manchmal gar nicht umsetzbar. Ein Papierprozess sollte nicht eins zu eins abgebildet werden, wenn das Ziel lautet, die internen Prozesse verbessern zu wollen. Daher ist die Konzeptionsphase so wichtig, denn in ihr finden die Beteiligten in enger Abstimmung mit dem Systempartner heraus, ob das, was sie als Soll-Prozess definiert haben, überhaupt die beste Umsetzung für die automatisierte Rechnungsverarbeitung wäre.
Typische Kernfragen
Immanent für den Projekterfolg ist zudem eine frühe Kommunikation mit Lieferanten, um gemeinsame Spielregeln für den Ablauf zu vereinbaren. Anders lässt sich eine schnelle Automatisierung der Rechnungsprozesse nicht erreichen. Typische Kernfragen, die sich vorab klären lassen, lauten etwa: An welche E-Mail-Adresse sollen XRechnungen geschickt werden oder nutzt der Kreditor ein Portal? Wie soll mit Anlagen umgegangen werden, gibt es für sie eine Namenskonvention? Bedarf jede Rechnung einer separaten E-Mail? Werden diese Eckpfeiler vorab geklärt, stellt das sicher, dass Rechnungen zum richtigen Zeitpunkt und an der richtigen Stelle (Posteingang, Portal oder E-Mail-Postfach) eintreffen, im korrekten Format verfasst sind und alle notwendigen Informationen enthalten.
Abhängig von ihrer Größe sollte sich eine Verwaltung vier bis sieben Monate Zeit für die Umsetzung eines Rechnungsprojekts nehmen. Test, Konzeption und Freigabe benötigen schließlich einen ausreichenden zeitlichen Puffer. Dann ist auch gewährleistet, dass man keine bloße Insellösung für die XRechnung einführt, sondern sich umfassend in Richtung Digitalisierung und E-Government aufstellt.
Dieser Beitrag ist im Titel der Ausgabe Juni 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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