Donnerstag, 5. Dezember 2024

InterviewDen Diskurs schärfen

[19.02.2014] Das Nationale E-Government Kompetenzzentrum (NEGZ) soll den Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis schaffen. Wie die stärkere Vernetzung der E-Government-Akteure gelingen soll, erklärt Professor Helmut Krcmar, erster Vorsitzender des NEGZ-Vorstands.
Professor Helmut Krcmar: Das Kompetenzzentrum bietet eine Möglichkeit für den Austausch

Professor Helmut Krcmar: Das Kompetenzzentrum bietet eine Möglichkeit für den Austausch, welches für die erfolgreiche E-Government-Transformation wichtig ist.

(Bildquelle: Privat)

Herr Professor Krcmar, im vergangenen Jahr wurde auf Initiative der Arbeitsgruppe 3 des Nationalen IT-Gipfels das Nationale E-Government Kompetenzzentrum (NEGZ) ins Leben gerufen. Welche Überlegungen stehen hinter der Gründung?

Ziel der Gründung des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums war und ist, dass Wissenschaftler gemeinsam mit Vertretern der Verwaltung und der Wirtschaft in Deutschland zusammenkommen, um die Verwaltungstransformation durch E-Government zu begleiten und unterstützen. Zu oft wurden Insellösungen geschaffen. Auch findet meist kein Austausch von Best Practices statt – das sind Ansatzpunkte unserer Aktivitäten. Das NEGZ soll also nicht nur wichtige Impulse zur Vernetzung geben, sondern legt auch einen Schwerpunkt auf transdisziplinäre Forschungsaktivitäten sowie auf die Aus- und Weiterbildung für das E-Government. Eine solche Einrichtung mit gleichermaßen wichtigen E-Government-Forschern und -Praktikern gab es bisher nicht.

Wie ist das NEGZ strukturiert, wer ist daran beteiligt?

Es gibt einen 13-köpfigen Vorstand, der die Vielfältigkeit unserer Mitglieder abbildet und einen Vorstandsvorsitz mit drei Mitgliedern. Im Vorstand sitzen Vertreter aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. Außerdem haben wir drei feste Arbeitsgruppen, die sich mit den drei Leistungsschwerpunkten unseres Vereins beschäftigen: das NEGZ als Denkfabrik, Projektträger und Bildungsplattform. Unsere Mitglieder sind bisher in der Mehrzahl Einzelpersonen, jedoch konnten wir auch schon die ersten institutionellen Mitglieder gewinnen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, ein gesundes Gleichgewicht an Mitgliedern aus den verschiedenen angesprochenen Bereichen zu wahren.

„Die Umsetzung der Nationalen E-Government-Strategie erfordert eine enge Kooperation aller Beteiligten.“

Warum ist Ihrer Ansicht nach ein solcher Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis notwendig?

Die Umsetzung der Nationalen E-Government-Strategie, aber auch der vielen Anstrengungen zum Thema Digitalisierung, die sich zum Beispiel im Koalitionsvertrag finden, ist eine gesellschaftliche, politische, administrative und auch technische Herausforderung, die eine enge Kooperation aller Beteiligten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung erfordert. Dazu gehört auch eine effizientere Organisation von Forschung und Lehre im Bereich E-Government. Wir alle haben feststellen müssen, dass Forschung oft regional begrenzt stattfindet und große, technologiegetriebene Modernisierungsprojekte auch aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Begleitung und Bewertung häufig ihr Ziel verfehlen. Für eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Unterstützung und kontinuierliche Evaluierung fehlen in Deutschland die wissenschaftlichen Ressourcen. Dazu ist in der erforderlichen Breite eine auf den öffentlichen Sektor ausgerichtete Transformationsforschung aufzubauen.

Welche Ziele verfolgt das NEGZ?

Das NEGZ wird dazu beitragen, bestehende Defizite und Schwächen im Bereich der E-Government-Forschung und -Qualifizierung abzubauen, und gleichzeitig eine wichtige Katalysator- und Koordinierungsfunktion auf diesem Gebiet übernehmen. Handlungsleitend sind vier integrierte Arbeitsprinzipien: Das NEGZ arbeitet transdisziplinär, sektorenübergreifend, verwaltungsebenenübergreifend sowie gleichzeitig theoriebasiert und praxiszugewandt. Letzteres verstehen wir als gelebten Spagat zwischen theoriegeleiteter Praxis und praxisgeleiteter Theorie.

Was wird konkret getan, um die Zusammenarbeit der Akteure beim E-Government zu stärken?

Allein über das „in einem gemeinsamen Boot sitzen“ der Mitglieder aus verschiedenen Bereichen und den daraus resultierenden direkten Dialog kommt schon viel zustande. Darüber hinaus werden unsere Experten in Arbeitsgruppen, Projekten, Diskussionsrunden und Veranstaltungen zusammenkommen, den Diskurs zu E-Government schärfen und so ein weiteres Zusammenwachsen fördern. Wir denken, dass unser Kompetenzzentrum auch über Organisations- und Ebenengrenzen hinweg eine Möglichkeit für den Austausch bietet, welches für die erfolgreiche E-Government-Transformation wichtig ist. Zwar haben wir bisher noch keine konkreten Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen im Speziellen als Angebot, jedoch laden wir noch mehr Entscheidungsträger und Schlüsselpersonen aus den Kreisen, Städten und Gemeinden herzlich ein, sich im NEGZ einzubringen.

Welche Aufgaben stehen darüber hinaus an, welche Vorhaben befinden sich in der Planung?

Wir bearbeiten derzeit ein Projekt im Umfeld des E-Government-Gesetzes, in welchem wir dessen Potenzial auf Bundes- und Länderebene für ausgewählte Lebenslagen analysieren und Handlungsempfehlungen ableiten. Dies sowie weitere Ergebnisse und Empfehlungen werden sich auch an die Bundesländer und deren E-Government-Gesetzgebungsvorhaben richten.

Welche Rolle spielen Aus- und Fortbildung, um E-Government in Deutschland voranzutreiben und inwiefern kann das NEGZ hier tätig werden?

Die Aus- und Fortbildung ist ein Kernbereich der Verwaltungstransformation und auch unserer Tätigkeiten, denn dieser Aspekt entscheidet über Erfolg oder Misserfolg von E-Government in Deutschland. Es ist wichtig, dass beispielsweise ein Verwaltungsmitarbeiter nicht nur einen Vorgang durchführen, sondern auch über die Funktionsweise und somit zur Frage nach dem Wie eine Antwort finden kann. Nur wenn es genug Verwaltungsmitarbeiter gibt, die wissen, wie Dienstleistungsprozesse aus der Organisation heraus innoviert und verbessert werden können, wird E-Government in Deutschland bedarfsgerecht und bürgernah umgesetzt werden. Ebenso gibt es aber auch Aspekte im Bereich des verwaltungsspezifischen Fachwissens, welches in manchen Unternehmen, die im Bereich von IT- und E-Government-Lösungen tätig sind, oftmals nicht oder nur unzureichend existiert. Hier möchten wir ebenso ansetzen und eine kostengünstige E-Government-Qualifizierung bereitstellen, die neben Standardthemen auch stark ausdifferenzierte Spezialbereiche abdeckt. Wir werden da mit gutem, digitalem Beispiel vorangehen.

Interview: Bettina Schömig




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