Samstag, 23. November 2024

Kommunal-SoftwareDen Markt nicht aushebeln

[07.02.2019] Auch im Markt für Kommunal-Software muss es einen Wettbewerb um die jeweils beste Lösung geben, meint Stephan Hauber, Vorstandsvorsitzender des Databund und Geschäftsführer der Firma HSH. Mittelfristig drohe sonst ein Qualitätsproblem.
Stephan Hauber

Stephan Hauber, Vorstandsvorsitzender des Databund und HSH-Geschäftsführer

(Bildquelle: HSH Soft- und Hardware Vertriebs GmbH)

Herr Hauber, Mitte März 2018 hat der Databund eine Neustrukturierung des Verbands beschlossen. Was gab dazu den Anstoß?

Hierfür gab es mehrere Gründe: Die Anzahl der Mitglieder ist gewachsen und damit auch die Erwartungshaltung an den Databund. Die Digitalisierung und ihre neuen Komponenten stellen eine Herausforderung für die Mitgliedsunternehmen dar. Viele Schritte sind einfacher und effizienter, wenn man sie gemeinsam und abgestimmt geht – das will gut organisiert sein. Das Thema fairer Wettbewerb stand von Beginn an auf unserer Agenda, mit der Entdeckung der Digitalisierung durch die Politik ist aber eine völlig neue Situation entstanden. IT-Lösungen werden in Gesetzen festgeschrieben, es entstehen unzählige neue Einrichtungen, die teils widersprüchliche Vorgaben proklamieren. Ein Wettbewerb um die besten Lösungen ist in diesem Umfeld überhaupt nicht möglich und vorgesehen.

Wie hat sich der Databund nun positioniert?

Wir haben unsere Strukturen an die neuen Erfordernisse angepasst. So gibt es erstmalig einen hauptamtlichen Geschäftsführer, Detlef Sander, Geschäftsführer der net-Com AG. Außerdem wurde der Vorstand verkleinert, um schnelle Entscheidungen zu ermöglichen. Gleichzeitig wurde ein erweiterter Vorstand etabliert, der ein Mehr an speziellem fachlichem Know-how in der Vorstandsarbeit garantiert.

Seit Mitte März vergangenen Jahres sind Sie neuer Vorsitzender des Databund. Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen?

Der Databund soll deutlich sichtbarer werden, um nicht zuletzt die Interessen der Mitgliedsunternehmen vertreten und gegenüber Dritten artikulieren zu können. Natürlich wollen wir uns als Verband auch in den gesamten Digitalisierungsprozess einbringen. In vielerlei Hinsicht sind wir mit den angestoßenen Prozessen nicht zufrieden. So fehlt zum Beispiel eine Analyse der bereits praxisrelevanten Lösungen. Hinzu kommt das Wettbewerbsthema, welches um ein Vielfaches komplexer geworden ist. Das Ausschreibungsrecht ist völlig aus den Fugen, das Mehrwertsteuerproblem nicht geklärt, große öffentliche IT-Dienstleister subventionieren quer, die Politik schließt durch Vorgaben den Wettbewerb aus. Ich befürchte, dass wir mittelfristig vor einem Qualitätsproblem stehen, weil Innovation und Effizienz so auf der Strecke bleiben.

Im kommunalen Software-Markt sind schon länger Konsolidierungen zu beobachten. Wie wird sich die Branche aus Ihrer Sicht entwickeln?

Die Konsolidierung wird sich fortsetzen. Durch Standardisierung, rechtliche Vorgaben und Online-Erfordernisse werden die Anforderungen der Kunden immer komplexer. Bei einem so begrenzten Markt können kleinere Unternehmen allein nicht im notwendigen Umfang bestehen und wachsen. Es wird daher zu weiteren Zusammenschlüssen, Kooperationen und der Ausprägung des Plattformgedankens kommen. Dessen ungeachtet bleibt zu hoffen, dass es in den verschiedenen Bereichen mehrere Anbieter gibt, die sich fair um die beste Lösung streiten.

Für den kommunalen IT-Markt fordern Sie seit Langem einen fairen Wettbewerb. Was bemängeln Sie vor allem?

Vieles ist schon gesagt, aber lassen Sie mich zwei Punkte nochmals hervorheben: die Quersubventionierung und die Vergabe per Gesetz. Bei der Quersubventionierung haben wir das Problem, dass in geschlossenen politischen Märkten, etwa eines Bundeslands, die Kosten pro Leistung die Summe x betragen. Ein und derselbe Anbieter offeriert die gleiche Leistung außerhalb des Bundeslands – also dort, wo noch Wettbewerb möglich ist – zu einem Bruchteil von x. Das führt zu Problemen, weil weder x noch der Bruchteil von x marktkonform sind. Auch Vergaben per Gesetz sind aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. So wurde etwa die Erstellung eines zentralen Bewacherregisters ohne jedwede Erörterung an eine Bundeseinrichtung und ohne jeglichen fachlichen Bezug vergeben.

„Die Innovationszyklen in der IT sind nicht über Fünfjahrespläne abzubilden.“
Wie könnte eine Lösung aussehen? Immerhin arbeiten viele Databund-Mitglieder sehr erfolgreich mit öffentlich-rechtlichen Rechenzentren, IT-Dienstleistern und Zweckverbänden zusammen.

Ja, Sie haben Recht. Viele unserer Mitglieder pflegen gute Geschäftsbeziehungen zu zahlreichen öffentlich-rechtlichen Dienstleistern. Da sehen wir auch nicht das Problem, denn diese Dienstleister lassen Wettbewerb zu. Sie bekennen sich zum Markt, zahlen Mehrwertsteuer und entscheiden nach Qualitätskriterien. Kritisch wird es, wenn politische Einflussmöglichkeiten genutzt werden, um den Markt auszuhebeln. Sie können mir glauben, dass das regelmäßig passiert und die Methoden vielfältig und nicht immer offensichtlich sind. Jüngst hat etwa ein Mitglied mehrere Kunden in Bayern verloren, weil als Voraussetzung für den Anschluss der Verwaltung an das DOI-Netz über die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) der Kunde ausschließlich AKDB-Produkte einsetzen durfte. Wir brauchen daher ein klares Bekenntnis der Politik zur Marktwirtschaft. Im Digitalisierungsbereich der öffentlichen Verwaltung geht es im Moment in die andere Richtung. Aber Planwirtschaft war gestern.

Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist derzeit aktueller denn je, Stichwort Onlinezugangsgesetz (OZG). Wie wirkt sich dies auf das Geschäft Ihrer Mitgliedsunternehmen aus?

Das OZG ist ein notwendiger Anstoß und schafft die Voraussetzung zum Handeln, was unsere Mitglieder sehr freut. Es schafft Spielräume und es schafft Märkte. Schade ist jedoch, dass die Märkte durch die ins Gesetz geschriebenen Lösungen (Portalverbund, Servicekonten) schon wieder geschlossen sind. Es gibt die Befürchtung, dass die vorgeschriebene Lösung, wenn sie denn 2022 zur Verfügung steht, dann schon nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Die Innovationszyklen in der IT und vor allem im Online-Bereich sind nicht über Fünfjahrespläne abzubilden.

Ist der Zeitplan des OZG für die kommunale Ebene überhaupt zu halten?

Der Umsetzungsstand im Jahr 2022 wird nur sehr subjektiv bewertet werden können. Es hängt von der Erwartungshaltung ab. Was nützt es uns, wenn alle 575 Prozesse abgebildet sind, die Nutzung aber nur bei zehn Prozent liegt? Generell glaube ich, dass es den Kommunen mit der derzeitigen Ausstattung an Mitteln nicht möglich ist, alle Vorgänge anzubieten und – was noch viel wichtiger ist – in ihre internen Prozesse einzubinden. Die Umsetzung des Once-Only-Prinzips halte ich bis 2022 für ausgeschlossen.

Was schlagen Sie also vor?

Die Bundesrepublik muss in Infrastrukturen und Innovationen investieren und den Kommunen die rechtlichen Freiräume geben, sich für verschiedene Wege und Umsetzungen entscheiden zu können. Vielleicht ist weniger manchmal auch mehr – warum soll eine Kommune alle Leistungen anbieten? Die 50 wichtigsten kommunalen Leistungen werden circa 95 Prozent des Bedarfs abdecken. Daneben sehe ich noch die interkommunale Zusammenarbeit zwischen Kommunen, die gleiche Voraussetzungen und Strukturen haben. Aber alle in einen Topf zu werfen – das wird nicht funktionieren.

Interview: Alexander Schaeff


Stichwörter: Unternehmen, Databund, OZG


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