AusländerwesenDer Süden ist Vorreiter
Bis Ende vergangenen Jahres wurden die Daten der in Baden-Württemberg ankommenden Flüchtlinge über das landeseinheitliche Migranten-Verwaltungs-Informationssystem (MigVIS) in den Landeserstaufnahmestellen (LEA) erfasst und anschließend in Form von Papierlisten oder Excel-Dateien an das jeweils zuständige Landratsamt übergeben. Die darauf folgende Datenverarbeitung gestaltete sich teilweise sehr aufwendig und war zudem durch eine doppelte Erfassung in die jeweiligen kommunalen Software-Verfahren gekennzeichnet. Schnittstellen für den gegenseitigen Datenaustausch zwischen den Verfahren waren nur in unzureichendem Maße oder gar nicht vorhanden. So mussten beispielsweise die Daten im Bereich der Wohnraumbewirtschaftung und der Sozialarbeit oder Informationen zu Integrationsmaßnahmen separat erfasst werden. Bei ohnehin knappen Ressourcen entstand dadurch ein erheblicher Mehraufwand, der nur durch das große Engagement der Mitarbeiter vor Ort geleistet werden konnte.
Ziel: Landesweit nutzbare Lösung
Für den Kreis Breisgau-Hochschwarzwald kristallisierte sich daher schnell der Bedarf an einem neuen, auf die Bedürfnisse der Kommunen ausgerichteten, digitalen Flüchtlingsmanagement heraus. Die täglichen Unzulänglichkeiten in der Praxis machten den Verantwortlichen in den Fachbereichen deutlich, dass sie ein gemeinsames System benötigten, das ein übergreifendes Arbeiten ermöglicht und unnötige Doppelarbeiten vermeidet. Das neue System sollte nach Vorstellung des Kreises nicht nur persönliche Daten wie Herkunft, Alter und Geschlecht strukturiert abbilden. Mit dem Ziel einer möglichst vollständigen E-Akte plädierten die beteiligten Fachbereiche dafür, dass auch Angaben zum Familienverbund, Sozialdaten sowie Informationen über durchgeführte oder angebotene Integrationsmaßnahmen abgebildet werden. Zudem äußerten die Sachbearbeiter den Wunsch, dass auch alle weiteren Dokumente, die einem Personalfall zugeordnet werden können, mit diesem elektronisch abgelegt und archiviert werden.
Um den landesweiten Bedarf an einer solchen Lösung zu erheben, nahmen die Führungsspitzen aus dem Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald Gespräche mit ihren Kollegen aus den Stadt- und Landkreisen – den so genannten Unteren Aufnahmebehörden (UAB) – auf. „Ziel war es, durch unsere Mitarbeiter ein landesweit nutzbares digitales Verfahrensprogramm zu konzipieren“, erklärt Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald.
E-Akte für das Flüchtlingsmanagement
In einer vom Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Baden-Franken (KIVBF) geführten Arbeitsgruppe des DV-Verbunds führten die Stadt- und Landkreise mehrere Workshops durch, in denen sie ihre Anforderungen an ein digitales Flüchtlingsmanagement fixierten. Dieses sollte auf Basis eines bereits vielerorts im Einsatz befindlichen Dokumenten-Management-Systems (DMS) entwickelt werden: Die „E-Akte Flüchtlingsmanagement“ war beschlossen.
Konzipiert wurde die Lösung so, dass im MigVIS-Verfahren gespeicherte Falldaten der LEA importiert und die einzelnen Fälle dann mit zusätzlichen Datenfeldern und Informationen angereichert werden, welche direkt beim Fall abgelegt werden. „Die E-Akte ermöglicht einen umfänglichen, elektronischen Datenaustausch zwischen der Datenplattform MigVIS der Landeserstaufnahmestellen und den Mandanten in den Stadt- und Landkreisen“, erläutert William Schmitt, Geschäftsführer der KIVBF. Die Anlage und Verwaltung von Unterkünften ist ebenso möglich wie die Erfassung von Gesundheitsdaten, Integrationsmaßnahmen oder Angaben zur sozialen Beratung und Betreuung. Ein Berechtigungskonzept ermöglicht es zudem, weiteren Behörden den Zugriff auf die vollständige Fallakte zu gewähren. Dank der Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen wurde in nur wenigen Monaten gemeinsam mit den Praktikern des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald und weiterer UAB ein Prototyp entwickelt, der ab März 2016 mehrere Monate intensiv getestet und zur Marktreife gebracht wurde.
Bearbeitung von Asylanträgen wird deutlich beschleunigt
Durch den automatisierten Datenaustausch und den Zugriff auf einen zentralen Datenbestand wird die Bearbeitung von Asylanträgen deutlich beschleunigt und die Fehlerwahrscheinlichkeit bei gleichzeitig geringerem Personalaufwand reduziert. Baden-Württemberg verfügt damit nicht nur über ein einheitliches Werkzeug für alle 44 landesweiten UAB, sondern nimmt im Ländervergleich auch eine Vorreiterrolle beim Flüchtlingsmanagement ein. „Mit der jetzt entwickelten Plattform gehören die viel zu langwierigen, unübersichtlichen und mit zahlreichen Fehlerquellen behafteten Verfahren zur Registrierung, Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen der Vergangenheit an“, meint Landrätin Störr-Ritter. Andreas Gippert, projektverantwortlicher IT-Leiter beim Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, ergänzt: „Mit der E-Akte für das Flüchtlingsmanagement ist es uns gelungen, mehrfache Datenerfassungen zu vermeiden, die Arbeitsabläufe zwischen den Fachbereichen im Landratsamt und dem Sozialen Dienst in den Unterkünften zu optimieren und die Informationslage für alle Beteiligten deutlich zu verbessern.“
Die E-Akte Flüchtlingsmanagement gliedert sich im Wesentlichen in die Bereiche Unterbringung, Fall-Management, Sozialarbeit und Arbeitsmarktintegration. Aufgrund der zentralen Verwaltung aller Informationen und Dokumente stehen zu jedem Flüchtling immer die aktuellsten Daten zur Verfügung. Eine behördenübergreifende Zusammenarbeit ist unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen ebenfalls möglich.
Sukzessive Erweiterung geplant
Seit dem 3. Mai 2016 arbeitet der Kreis Breisgau-Hochschwarzwald im Echtbetrieb mit der Lösung. Die Resonanz der Mitarbeiter ist durchweg positiv, eine Erleichterung im Prozess deutlich spürbar, verbessert die E-Akte Flüchtlingsmanagement doch die Informationslage für alle beteiligten Stellen. Die Mitarbeiter im Landratsamt können jetzt beispielsweise auf einen Blick erkennen, wie viele Betten in den jeweiligen Unterkünften vorhanden und wie diese belegt sind – eine große Hilfe für Wohnraumbewirtschafter, die nun auch persönliche Kriterien wie Geschlecht, Herkunft, Religion und Familienverbund bei der Belegung berücksichtigen können. Freie Betten in einem Zimmer, das einer Familie zugewiesen wurde, werden automatisch über das System blockiert. So verhindert die E-Akte Flüchtlingsmanagement in einer ohnehin angespannten Atmosphäre auch unnötige Reibungspunkte zwischen den Bewohnern einer Flüchtlingsunterkunft.
Inzwischen sind im Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald die Daten von über 2.500 Flüchtlingen aus den Gemeinschaftsunterkünften sowie rund 1.000 Datensätze von Asylbewerbern hinterlegt, die sich schon seit längerer Zeit im Landkreis befinden oder bereits einer Gemeinde zugewiesen wurden. Im Juni 2016 sind weitere Landkreise mit dem Flüchtlingsmanagement produktiv gegangen. Die Lösung wurde zwar zunächst auf das Aufgabenspektrum der UAB ausgerichtet, doch ist bereits eine sukzessive Erweiterung geplant, sodass die E-Akte Flüchtlingsmanagement im Zuge der Anschlussunterbringung auch den Gemeinden zur Verfügung stehen wird. Im Juli dieses Jahres wurde eine kommunale Arbeitsgruppe damit beauftragt, die entsprechenden Anforderungen hierfür zu definieren.
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