Digitale SouveränitätDer Wert kommunaler Daten
Daten werden häufig als das Rohöl des 21. Jahrhunderts bezeichnet oder – noch so eine große Metapher – als Schatz, auf dem auch Kommunen sitzen. Wer ihn bergen und daran verdienen darf, darüber herrscht indes Uneinigkeit. Die einen meinen, Kommunen sollten ihre eigenen Daten durchaus monetarisieren dürfen, wenn auch kommerzielle Anbieter daran verdienen. Die anderen beharren darauf, dass die kommunalen Daten bereits von der Öffentlichkeit bezahlt worden sind und somit offene Daten sein sollten. Wieder andere nutzen die vorhandene Unklarheit und greifen die Daten kurzerhand ab.
Das Dilemma hat die CIO der österreichischen Hauptstadt, Ulrike Huemer, einmal auf den Punkt gebracht: Die Wiener Verkehrsbetriebe stellen Google kostenfrei sämtliche Verkehrsverbindungsdaten zur Verfügung wie so viele andere Kommunen auch. Der Mehrwert für die Stadttouristik sei ungleich größer, so Huemer, als im Routenplaner auf Google Maps nicht präsent zu sein. Ausländische Touristen täten sich schwer damit, die städtischen ÖPNV-Apps zu finden und auf ihrem Smartphone zu installieren. Google Maps hingegen habe jeder auf dem Gerät und sei insofern unverzichtbar.
Daten als Abfallprodukte
Seitdem der Deutsche Städte- und Gemeindebund vor zwei Jahren ein Konzessionsmodell vorgeschlagen hatte, wonach private Unternehmen für bestimmte kommunale Daten bezahlen sollten, wenn sie daran verdienen, schwelt die Diskussion um den Wert dieser Daten. Nun hat das Beratungsunternehmen Partnerschaft Deutschland eine Studie zur „Datensouveränität in der Smart City“ veröffentlicht, welche die Verträge, die Kommunen mit privaten Anbietern abgeschlossen haben, unter die Lupe nimmt. Das Ergebnis: Der Marktwert der kommunalen Daten wird oftmals nicht erkannt. Daten gelten als Abfallprodukte und tauchen dementsprechend in den kommunalen Haushalten und Bilanzen nicht auf. Verträge mit privatwirtschaftlichen Anbietern räumen diesen teilweise breite Nutzungsrechte – zum Nachteil der Kommunen ein, die sich damit in langfristige Abhängigkeiten begeben. Datensouveränität ist also noch kein strategisches Thema.
Dabei gibt es genügend Anlass, sich gerade jetzt mit Daten und der Datenwirtschaft zu beschäftigen. Die EU-Kommission hat 2003 mit der PSI-Richtlinie entscheidende Weichenstellungen für die wirtschaftliche Datenauswertung im Euroraum vorgenommen. Hierzulande setzt seit 2006 das Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) die Richtlinie um. Demnach können öffentliche Stellen entscheiden, welche Daten sie für die Weiternutzung freigeben wollen. Geschieht dies, muss es jedoch nach den Standards der PSI-Richtlinie erfolgen, damit ein Mindestmaß an Binnenharmonisierung gewährleistet ist.
Weitreichende Neuregelungen
Die Novellierung der PSI-Richtlinie von 2019 sieht nun weitreichende Neuregelungen vor: hochwertige Datensätze etwa aus den Bereichen Geodaten, Erdbeobachtung und Umwelt, meteorologische Daten, Statistiken, Unternehmensdaten und Mobilität sollen nun verpflichtend open by default sein, zeitnah veröffentlicht und unionsweit zur Verfügung gestellt werden.
Die EU bezieht sich dabei explizit auf das Grundrecht des freien Zugangs zu Informationen und weitet diesen Anspruch über öffentliche Stellen nun auch auf öffentliche Unternehmen aus, die ebenfalls zur Datenweitergabe verpflichtet werden. Es geht um viel Geld: Für das Jahr 2020 erwartet die EU-Kommission bis zu 740 Milliarden Euro Ertrag aus der Datenwirtschaft, Schätzungen für Deutschland gehen von 6,4 Milliarden Euro aus. Insgesamt sollen zehn Millionen Datenarbeiter im EU-Raum beschäftigt sein. Von der Datenwirtschaft profitieren folglich auch die Kommunen in Form von Steuern und Abgaben.
Die Zahlen stammen aus dem „Weißbuch – Digitale Daseinsvorsorge stärken“ vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), das im Januar 2020 erschienen ist. Der VKU macht darauf aufmerksam, dass kommunale Unternehmen zunehmend in ein Spannungsfeld zwischen zuverlässiger Leistungserbringung für Kommunen und marktwirtschaftlichem Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Unternehmen gelangen. Insofern schlägt der Verband für die nationale Umsetzung der PSI-Richtlinie bis Ende 2021 vor, einen so genannten Public Data Space zu schaffen: „Ein bundesweit zugängliches System aus Konzepten, Verfahrens- und Rechtsvorschriften, Sicherheitsvorgaben, technischen Standards sowie einer Infrastruktur für den dezentralen Austausch von Daten.“
Flickenteppich verhindern
Ganz ähnlich argumentiert der Deutsche Städtetag in seinem Diskussionspapier Kommunale Daten und stellt zunächst fest, dass immer mehr Städte urbane Datenplattformen aufbauen, ohne dass diese hinreichend koordiniert würden. Um einen Flickenteppich zu verhindern, solle der Bund unterstützend eingreifen. Es sei abzusehen, dass Kommunen künftig mehr Datensätze in hochwertiger Qualität kostenlos zur Verfügung stellen müssen. Deshalb sei eine gemeinsame Datenplattform mit offenen Schnittstellen und festgelegten Standards notwendig.
Des Weiteren sollten sich Kommunen schleunigst Gedanken über die aktive Selbstnutzung und Verwertung ihrer Daten machen. In Kommunen fallen ja nicht nur Sozial-, Gesundheits- oder Meldedaten an, die ohnehin von der PSI-Richtlinie ausgenommen sind, sondern auch Sensordaten aus dem Umwelt- oder Verkehrsbereich. Solche Daten ermöglichen neuartige Nutzungsformen für die Verkehrssteuerung und haben unmittelbaren Einfluss auf die Lebensqualität der Menschen. Insofern gehören vielen kommunale Daten in den Bereich der Daseinsvorsorge.
Bundesweite Dateninfrastruktur
Nun sind von der PSI-Richtlinie neben allen personenbezogenen Daten auch Daten von öffentlichen Unternehmen ausgenommen, die einem direkten Wettbewerb ausgesetzt sind. Sie müssen keine Daten zur Verfügung stellen, solange dies nicht nach nationalem Recht oder von der PSI-Richtlinie vorgeschrieben ist. Insofern ist die Überlegung einer bundesweiten Dateninfrastruktur, die es Kommunen und kommunalen Unternehmen ermöglicht, eigene Geschäftsmodelle zu errichten und in wirtschaftlichen Wettbewerb zu treten, aus kommunaler Sicht ein Ausdruck von digitaler Daseinsvorsorge und Datensouveränität. Und sie kommt gerade rechtzeitig, denn es geht um die Ausgestaltung der nationalen Umsetzung der PSI-Richtlinie.
Inwieweit dies politischen Zielen nach Open Government, Open Data, größerer Transparenz und Partizipation zwischen Staat, Bürgern, Wissenschaft und Wirtschaft widerspricht, gehört wohl zur Verhandlungsmasse und zum Interessensausgleich zwischen den Akteuren. Die erzielte Aufmerksamkeit dürfte freilich allemal reichen, um allgemein mehr Bewusstsein für Datensouveränität, den Wert von Daten und die Ausgestaltung von Verträgen zu schaffen.
VKU-Weißbuch „Digitale Daseinsvorsorge stärken“ zum Download (PDF; 3,4 MB)
Diskussionspapier des Deutschen Städtetags „Kommunale Daten“ zum Download
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2020 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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