Sonntag, 6. Oktober 2024

Innovatives ManagementDeutschland vergeigt Chancen

[06.10.2014] In seltener Offenheit wurde auf dem Führungskräftekongress Innovatives Management über den digitalen Wandel in den Ämtern und Behörden diskutiert. Insbesondere der IT-Planungsrat kam nicht gut weg.
Podiumsdiskussion: Der IT-Planungsrat kam nicht gut weg.

Podiumsdiskussion: Der IT-Planungsrat kam nicht gut weg.

v.l.: Dr. Wilfried Bernhardt, Staatssekretär der Justiz und für Europa und CIO des Freistaates Sachsen; Prof. Pater Dr. Thomas Grießbach, Dominikanerkloster Sankt Paulus Berlin; Dr. Kay Ruge, Beigeordneter des Deutschen Landkreistags; Daniel Goffart, Mode

(Bildquelle: MACH AG)

Wenn das Ende der Amtszeit naht, kann man offen reden. Deshalb nahm Wilfried Bernhardt, CIO des Freistaats Sachsen auf Abruf, auf dem Führungskräftekongress Innovatives Management (25. September 2014 in Lübeck) kein Blatt mehr vor den Mund. Auf der zentralen Podiumsdiskussion der Veranstaltung des Lübecker Unternehmens MACH übte der Staatssekretär im sächsischen Justizministerium – vor der Landtagswahl noch von der FDP geführt – deutliche Kritik. In der öffentlichen Verwaltung stehe die Digitalisierung bei den Führungskräften keineswegs an erster Stelle. Es gebe ein riesiges Defizit. Bernhardt: „Die Führungskräfte sind nicht vorbereitet auf den digitalen Wandel. Chancen und Risiken können sie nicht erkennen.“ Es gebe auch kein Konzept für die Weiterbildung von Führungskräften in Sachen Informationstechnik. Zudem müssten sich Bund, Länder und Kommunen besser vernetzen. Leider arbeite der IT-Planungsrat, dessen Mitglied Bernhardt war, nicht effizient und auch die Digitale Agenda der Bundesregierung strahle eher Ruhe aus als Aktivität. Bernhardt: „Deutschland vergeigt hier Chancen.“ Er appellierte: „Die Führungskräfte müssen aktiv werden. Konzepte für die digitale Verwaltung gibt es genug.“ Machen laute jetzt die Devise.

IT-Planungsrat ist ein „hoffnungsloser Fall“

Kay Ruge, Beigeordneter des Deutschen Landkreistags, assistierte Bernhardt: „Der IT-Planungsrat ist ein hoffnungsloser Fall und bringt E-Government nicht voran.“ Die Beschlüsse des Gremiums seien nicht bindend und würden verpuffen. Die Kommunalverwaltungen hingegen stellen sich den Veränderungen, unterstrich Ruge. Es gebe bereits enorme Effizienzgewinne beim Verwaltungshandeln durch den IT-Einsatz, auch die Doppik habe zu positiven Verhaltensänderungen in den Kommunen geführt. Beim Thema E-Government gebe es zwar viele kommunale Leuchttürme, elektronische Verwaltungsleistungen seien aber nicht flächendeckend verfügbar, Breitband-Anschlüsse als Basisinfrastruktur fehlten, auch weil der Bund die nötigen Finanzmittel für den Ausbau nicht bereitstelle. Ruges Fazit: „Die Digitalisierung der Verwaltung ist politisch nicht ausreichend priorisiert und leider immer noch ein Technikthema.“ Das traf wohl den Nerv des Publikums: „Die Verwaltung ist innovativ, was fehlt ist der politische Wille“, lautete ein Zwischenruf.
Dass die zunehmende Digitalisierung nicht das alleinige Allheilmittel zur Verwaltungsmodernisierung darstellt, klang aber ebenso durch. Tino Schuppan, Professor für Public Management, wies darauf hin, dass zuerst eine Reihe nicht-technischer Entscheidungen nötig seien, damit IT letztlich ihren Nutzen entfalten könne. „Projekte sollten vom zu lösenden Problem ausgehen und nicht von der technischen Lösung, anhand derer man sich oft überlegen würde, wie man sie einsetzen könnte“, sagte der wissenschaftliche Direktor am Institute for eGovernment in Potsdam.

Kopfthema Datenschutz

Ein weiteres Diskussionsforum fand zum Thema Datensicherheit statt. Im Lichte der aktuellen Debatte um Privatsphäre, globale Überwachung und Zugriffsversuche auf kommunale IT-Systeme stelle sich zwangsläufig die Frage, wie die digitale Verwaltung den Ansprüchen an Datensicherheit und Datenschutz genügen kann, lautete der Tenor. Peter Schaar verlangte, Datenschutz und Datensicherheit zum Kopfthema zu machen – das gelte sowohl für den Kopf der Mitarbeiter als auch für den Kopf von Organisationen und Unternehmen. Die persönliche Verantwortung müsse gestärkt und die Sicherheit auch zertifiziert werden. Dafür empfahl der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz eine Zentralisierung und damit einhergehend eine Professionalisierung der IT-Strukturen in allen Verwaltungsbereichen. Hardy Hessenius, IT-Leiter der Gemeinde Westoverledingen, betonte, dass eine Zentralisierung mit all ihren Vorteilen häufig auf kommunaler Ebene am fehlenden politischen Willen scheitere. Seine persönliche Erfahrung zeige, dass Vorgaben und gesetzliche Regelungen in den Kommunen oft nicht eingehalten werden – oder sehr schnell dem Rotstift zum Opfer fallen, wenn die Haushaltslage knapp ist.

Kinkel plaudert aus dem Nähkästchen

#bild2 Eröffnet hatte den Kongress der frühere Justiz- und Außenminister Klaus Kinkel. Er forderte in seiner Rede Mut zu vernünftigen Veränderungen unter Beachtung des Schlüsselfaktors Datensicherheit. „Der Rohstoff der neuen Wirtschaft, das sind die Daten“, sagte Kinkel vor den 130 Zuhörern. Der Ex-Bundesminister gab zu bedenken, dass die Digitalisierung Arbeitsprozesse überflüssig mache und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit durch mobile Geräte immer mehr aufgeweicht würden. „Mobiles Arbeiten bedeutet einen Kulturwandel“, sagte Kinkel. Als persönlicher Referent von Hans-Dietrich Genscher habe er schon in den 1970er-Jahren erlebt, was das bedeute, plauderte Kinkel aus dem Nähkästchen. Genscher sei ein „Informationsfreak“ gewesen, für den er auch im Urlaub ständig erreichbar sein musste. Also zog Kinkel einen Bollerwagen mit schwerem Funkgerät durchs Nordsee-Watt und tatsächlich meldete sich Genscher mehrmals. Dank technischer Innovationen wäre dies für Kinkel heute leichter zu tragen.





Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Holger Klötzner, Dezernent für Digitalisierung und Bildung der Stadt Darmstadt; Maral Koohestanian, Leiterin des Dezernats für Smart City, Europa und Ordnung der Stadt Wiesbaden; Eileen O’Sullivan, Dezernentin für Bürger:innen, Digitales und Internationales der Stadt Frankfurt am Main
interview

Smartes Rhein Main 2030: Gemeinsame Vision

[02.10.2024] Eine gemeinsame Vision für ein smartes Rhein-Main-Gebiet haben die Städte Frankfurt am Main, Wiesbaden und Darmstadt erarbeitet. Im Interview erklären die CIOs Eileen O’Sullivan, Maral Koohestanian und Holger Klötzner, was konkret geplant ist. mehr...

Landrat Achim Brötel ist neuer Präsident des Deutschen Landkreistages.

Deutscher Landkreistag: Achim Brötel ist neuer Präsident

[11.09.2024] Der Deutsche Landkreistag (DLT) hat einen neuen Präsidenten gewählt: Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, tritt die Nachfolge von Reinhard Sager an, der das Amt zuvor zehn Jahre lang innehatte. mehr...

Charta Digitale Ethik setzt die Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Technologien in der Essener Stadtverwaltung.

Essen: Charta Digitale Ethik verabschiedet

[04.09.2024] In ihrer Charta Digitale Ethik hat die Stadt Essen die Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Technologien in der Stadtverwaltung festgelegt. Das soll insbesondere für einen ethisch verantwortungsvollen Umgang mit Künstlicher Intelligenz sorgen. mehr...

Scheckübergabe an die Gewinner des Wettbewerbs um den Ulmer Lederhof.

Ulm: Innovationsmotor gestartet

[23.08.2024] Um ihre Digitale Agenda mit kreativen Köpfen aus der Region umzusetzen, hat die Stadt Ulm den Innovationsmotor gestartet – einen Ideenwettbewerb insbesondere für junge Unternehmen. Runde eins hat der digitale Begleiter für Angsträume gewonnen. mehr...

Markt Postbauer-Heng: Digitalisierung ist kein Privileg der Metropolen

[08.08.2024] Auch kleine Kommunen sind in der Lage, bürgernahe digitale Lösungen zu implementieren, wie das Beispiel des Marktes Postbauer-Heng zeigt. Um die Entstehung digitaler Insellösungen zu vermeiden, wurde die Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0 ins Leben gerufen. mehr...

Kick-off zur Digitalisierungsstrategie der Stadt Petershagen
.

Petershagen: Mit OWL-IT in die digitale Zukunft

[02.08.2024] Gemeinsam mit dem IT-Dienstleister OWL-IT hat die Stadt Petershagen nun den Startschuss für die Erarbeitung einer umfassenden Digitalstrategie gegeben. mehr...

In Bayern soll nach dem Willen von Digitalminister Fabian Mehring der „Digitalisierungsturbo“ gezündet werden.

Bayern: Land unterstützt Digitalisierung der Kommunen

[16.07.2024] Bayerns Digitalminister sieht die konsequente Digitalisierung der Verwaltung als wichtige Möglichkeit, um den künftigen Ruhestand der Babyboomer-Generation und den dadurch entstehenden Fachkräftemangel zu kompensieren. Es gelte, die Potenziale von Standardisierung, Zentralisierung und KI zu nutzen. mehr...

Essen-CDO Peter Adelskamp

Interview: Wir brauchen eine Dachmarke

[15.07.2024] Peter Adelskamp ist Chief Digital Officer (CDO) in Essen und dort zugleich Fachbereichsleiter Digitale Verwaltung. Im Gespräch mit Kommune21 berichtet er von seiner Arbeit in Essen und dem dortigen Stand der Digitalisierung. mehr...

Laut dem jüngsten eGovernment-Benchmark-Report haben die europäischen Staaten bei der Bereitstellung digitaler Behördendienste stetige Fortschritte gemacht.

eGovernment Benchmark 2024: Nutzerzentrierung ist der Schlüssel

[08.07.2024] Laut dem jüngsten eGovernment-Benchmark-Report der Europäischen Kommission haben die europäischen Staaten bei der Bereitstellung digitaler Behördendienste stetige Fortschritte gemacht. Raum für Optimierungen gibt es insbesondere bei grenzüberschreitenden Diensten und bei Dienstleistungen, die von regionalen und kommunalen Behörden erbracht werden. mehr...

Schleswig-Holstein: Kommunale Open-Data-Projekte gefördert

[05.07.2024] Wirtschaft und Forschung profitieren von offenen Daten, können zu mehr Transparenz beitragen und dadurch Bürgernähe schaffen. Das Land Schleswig-Holstein fördert ab sofort bis 2027 kommunale Projekte zur Anbindung an das landesweite Portal für offene Daten. mehr...

Das OZG 2.0 muss eine neue Genetik vorweisen.

OZG 2.0: Neue DNA verankern

[04.07.2024] Um ein Erfolg zu werden, muss das OZG 2.0 die Ende-zu-Ende-Digitalisierung als neue DNA verinnerlichen. Mit der Einigung zwischen Bund und Ländern ist die Basis dafür geschaffen. mehr...

Bayerns Digitalminister Dr. Fabian Mehring

Digitales Bayern: Der Sound der Zukunft

[03.07.2024] Bayern segelt auf Innovationskurs, sagt Fabian Mehring. Kommune21 sprach mit dem Digitalminister des Freistaats über die Reorganisation seines Ressorts, seine Pläne für einen innovativen Staat und die Rolle der Kommunen dabei. mehr...

Durch die Förderung möchte Thüringen die begrenzten personellen Ressourcen der Kommunen in der IT und in den Fachbereichen entlasten

Thüringen: Landesmittel für kommunale Digitalisierung

[03.07.2024] Das Land Thüringen will die kommunale Digitalisierung mit zehn Millionen Euro fördern. Das geht aus der neuen Thüringer E-Government-Richtlinie hervor, die jetzt offiziell veröffentlicht wurde. Kommunen können ab sofort neue Anträge beim Finanzministerium stellen. mehr...

Nürnberg: Expertise bei KI

[02.07.2024] Im Rahmen der Zukunftskommission #Digitales Bayern 5.0 soll die Digitalisierung der Kommunen verbessert werden. Die Frankenmetropole Nürnberg bringt ihre Expertise unter anderem im Bereich Künstliche Intelligenz im Bürgerservice ein. mehr...

Vitako: Kommunale IT besser schützen

[18.06.2024] Cyber-Attacken legen zunehmend kommunale Verwaltungs-IT lahm. Dabei entstehen enorme Schäden für Verwaltung, Bürger und Wirtschaft. Vitako fordert nun den Ausbau des BSI zur interföderalen IT-Sicherheits-Zentralstelle und die Einordnung kommunaler IT als KRITIS. mehr...