Donnerstag, 5. Dezember 2024

ZukunftskongressDie digitale Gemeinde

[19.06.2017] Welche Chancen die Digitalisierung dem ländlichen Raum bietet, ist Thema eines Best-Practice-Dialogs auf dem diesjährigen Zukunftskongress. Dabei zeigt sich: Die Entwicklung zur digitalen Gemeinde lohnt sich.
Was die Digitalisierung für den ländlichen Raum bedeutet

Was die Digitalisierung für den ländlichen Raum bedeutet, ist ein Thema des Zukunftskongresses Staat & Verwaltung 2017.

(Bildquelle: Jan Freese / pixelio.de)

Jüngere zieht es immer stärker in die Städte, während sich der ländliche Raum zusehends entleert. So leben mittlerweile 30 Prozent der deutschen Bevölkerung auf einer Fläche, die 70 Prozent Gesamtdeutschlands ausmacht. Zu diesem Ergebnis kommt das Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Neben einer deutlich niedrigeren Bevölkerungsdichte ist zudem der Anteil älterer Mitbürger im ländlichen Raum überdurchschnittlich hoch. Deshalb stellen sich bei der Entwicklung ländlicher Räume ganz andere Aufgaben als bei der städtischen Planung. Das gilt auch für die Konzeption innovativer Bürgerservices auf der Grundlage moderner Kommunikations- und Informationstechnologien. Im Best-Practice-Dialog 4.5 über die so genannte Digitale Gemeinde werden auf dem Zukunftskongress deshalb deren Chancen und Erfolgsfaktoren thematisiert.
Die Digitalisierung des ländlichen Raums wird häufig auf den Ausbau eines Breitband-Netzes reduziert. In Abgrenzung dazu stellt die digitale Gemeinde sowohl den Einwohnern als auch der ortsansässigen Wirtschaft auf Basis eines bereits vorhandenen und hinreichend performanten Kommunikationsnetzes verschiedene, auf den lokalen Bedarf abgestimmte digitale Angebote zur Verfügung.

Anschauliche Beispiele dank Familie Wirtz

Wie sich der Alltag durch die Digitalisierung des ländlichen Raums ändern kann, zeigt Beispielfamilie Wirtz aus Ostholstein: Die 78-jährige Erna Wirtz ist in ihrer 600-Seelen-Gemeinde fest verwurzelt. Ihren Kardiologen besucht sie regelmäßig in der 24 Kilometer entfernten Kreisstadt. Es gibt nur wenige Busverbindungen dorthin. „Besonders schlimm ist der Buswechsel auf halber Strecke im Winter“, meint Erna Wirtz frustriert. Die schlechten Busverbindungen erschweren auch den täglichen Einkauf der alten Dame.
Ihr 27-jähriger Enkel Stefan hat in Hamburg studiert. Wegen der Hektik und Anonymität der Großstadt ist Stefan Wirtz jedoch vor einem Jahr in seinen Heimatort zurückgekehrt. Er hat das seitdem nicht bereut. Dennoch vermisst er die Theateraufführungen und die vielen Konzertangebote der Elbe-Metropole. Auch der weite Weg zur nächsten Volkshochschule ist für den sprachbegeisterten jungen Mann ungewohnt und sehr lästig.
Sein Vater Paul Wirtz ärgert sich: „Die Ampel an der Ortsausfahrt ist häufig kaputt. Man wartet endlos auf grün und nicht selten wird erst nach Tagen repariert. Was ich da jedes Mal an Zeit verliere…“ Seine Frau Kirsten Wirtz trauert dagegen der Zeit nach, in der die sozialen Beziehungen im Dorf noch intakt waren: „Früher waren die Nachbarn immer zur Stelle, wenn sie gebraucht wurden“, kommentiert sie wehmütig.

Lokale und digitale Tauschbörsen

Digitale Angebote können in solchen Fällen schnell Abhilfe schaffen. Der Vielfalt sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Verschiedene Lösungen unterstützen Mitfahr- oder Mitbringmöglichkeiten über lokale Online-Börsen oder Car Sharing auf Gemeindeebene. Andere Angebote bieten regionalen Erzeugern, Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben oder Einzelhändlern moderne Shopping-Portale in Kombination mit einem bequemen Lieferservice bis an die Haustür. Lokal begrenzte digitale Tauschbörsen vermitteln Nachbarschaftshilfe wie Nachhilfe- oder Musikunterricht, Gartenarbeit oder Babysitting und vertiefen den sozialen Zusammenhalt im Ort. Telemedizinische Diagnose- und Therapielösungen ersetzen den Arztbesuch oder längere Klinikaufenthalte. Opern- und Theateraufführungen oder VHS-Kurse werden aus der nächstgelegenen größeren Stadt über digitales Streaming direkt in das heimische Wohnzimmer übertragen. Zeitraubende Fahrten entfallen.

Genutzt wird nur, was auch gebraucht wird

Bei dieser Aufzählung nicht fehlen dürfen die digitalen Angebote der Gemeindeverwaltung. Sie machen zahlreiche Behördengänge überflüssig und eröffnen neue Formen der bürgerschaftlichen Beteiligung an kommunalen Entscheidungen. Ein auf jedem Smartphone nutzbarer Mängelmelder bietet etwa allen Bürgern die Möglichkeit, die zuständigen Stellen der Gemeindeverwaltung unter Nutzung der GPS-Funktionalität auf akute Störungen oder Mängel der Infrastruktur wie Löcher im Straßenbelag, defekte Ampelanlagen oder beschädigte Straßenlaternen aufmerksam zu machen. Über die eingeleiteten Schritte bis zur Behebung des jeweiligen Problems wird der hilfreiche Bürger laufend informiert.
Was sind aber die Erfolgsfaktoren auf dem Weg zur digitalen Gemeinde? Eine besonders wichtige Erkenntnis ist: Genutzt wird nur, was auch gebraucht wird. Ohne die sorgfältige Abstimmung digitaler Lösungen auf den ortsspezifischen Bedarf ist das Risiko hoch, dass die Nutzer ausbleiben. Daher ist die jeweilige Zielgruppe eines Angebots in allen Projektphasen aktiv einzubinden. Erreicht werden muss dabei stets eine breite Identifikation engagierter Bürger mit den digitalen Angeboten.

Smart Cities nicht kopieren

Diese Angebote dürfen sich gerne durch die medienwirksamen digitalen Initiativen großer Städte inspirieren lassen. Kopieren sollte man die Smart Cities aber nicht. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen, Ziele und Erfolgsfaktoren gelingender Digitalisierungsprojekte in Stadt und Land.
Weniger ist mehr – dieser Grundsatz gilt auch für die Entwicklung der digitalen Gemeinde. Auf der Grundlage einer auf mehrere Jahre ausgelegten digitalen Agenda sollten kluge Akzente gesetzt und lösbare Aufgaben angegangen werden. Rasche Erfolge und ein breiter Nutzen sollten das Projekt ins Gespräch bringen und ihm Rückenwind für neue Anwendungen verleihen. Die wiederum müssen sich zunächst einschwingen und erzielen deshalb erst nach einiger Zeit Akzeptanz. Es ist außerdem wichtig, alle digitalen Angebote auf ihre Eignung auch für Nutzergruppen ohne PC oder Smartphone zu prüfen.
Die Digitalisierung im ländlichen Raum ist nicht nur Thema für ein paar Technikbegeisterte, vielmehr eröffnet sie allen Einwohnern neue Möglichkeiten. Zeit also, sich auf den Weg zur digitalen Gemeinde zu machen. Dass dies die Lebensqualität in den ländlich geprägten Regionen weiter verbessern kann, wird auch der Dialog auf dem Zukunftskongress zeigen.

Thomas Höhn ist Inhaber des Beratungsunternehmens HÖHN CONSULTING. Hermann-Josef Thoben ist Vorstandsvorsitzender der Akademie für die ländlichen Räume Schleswig-Holstein.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Messen | Kongresse

Nolis: Virtuelle Infowoche

[28.11.2024] Das Unternehmen Nolis veranstaltet vom 9. bis 12. Dezember eine virtuelle Infowoche E-Government und Digitalisierung. Im Rahmen dieser werden ausgewählte und gut besuchte Vorträge des Infotags in Hannover digital präsentiert. mehr...

Digitale Städte – Digitale Regionen: Vorsprung durch Digitalisierung

[25.11.2024] In Marburg hat jetzt der sechste Kongress „Digitale Städte – Digitale Regionen“ mit über 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattgefunden. Ergänzt wurde die Veranstaltung um eine Expo mit rund 40 Ausstellenden und ein interaktives Barcamp. mehr...

nolis_infotag_hannover_12_11_24

Nolis: Infotag gut besucht

[21.11.2024] Der Einladung von Nolis zum Infotag E-Government und Digitalisierung nach Hannover waren mehr als 200 Besucher aus Kommunalverwaltungen gefolgt. Die Teilnehmenden schätzten vor allem Austausch und Information. mehr...

KommDIGITALE 2024: Prämierte E-Akte-Lösung von Ceyoniq

[15.11.2024] Auf der KommDIGITALE in Bielefeld stellt Ceyoniq seine prämierte E-Akte-Lösung nscale eGov vor, die unter anderem bei der Stadt Bielefeld im Einsatz ist. Mit der Lösung werden digitale Genehmigungsprozesse abgebildet, die Beteiligte auch standortübergreifend einbinden. mehr...

Foto von Thilo Schuster und Klaus Wanner.

KommDIGITALE 2024: Cit präsentiert und diskutiert

[14.11.2024] Am Gemeinschaftsstand des Databund präsentiert cit bei der KommDIGITALE verschiedene Neuerungen der Plattform cit intelliForm. Auch wird das Unternehmen eine Podiumsdiskussion zum virtuellen Bauamt und einen Vortrag zum Datentransport mit FIT-Connect und FIM mitgestalten. mehr...

Ansicht der Stadthalle Bielefeld.
bericht

KommDIGITALE 2024: Marktplatz für Kommunen

[13.11.2024] Zum zweiten Mal findet im November die Fachmesse KommDIGITALE in der Stadthalle Bielefeld statt. Die Besucherinnen und Besucher erwartet ein vielfältiges Programm rund um die Digitalisierung der Kommunalverwaltung und zahlreiche Aussteller. mehr...

KommDIGITALE 2024: Modern Arbeiten mit Axians Infoma

[13.11.2024] Axians Infoma zeigt auf der KommDIGITALE in Bielefeld seine cloudbasierten Verwaltungslösungen, die digitales Arbeiten erleichtern sollen. Mit der Lösung Infoma online werden zentrale Verwaltungsprozesse digitalisiert und durch Künstliche Intelligenz unterstützt. mehr...

KommDIGITALE 2024: Modulare Lösungen von Nolis

[12.11.2024] Nolis präsentiert auf der KommDIGITALE in Bielefeld die NOLIS | E-Government-Suite, eine Lösung für digitale Verwaltungsprozesse. Die Suite ist modular aufgebaut und reicht von Fachverfahren wie Kitaplatzvergabe bis zu einem umfassenden Gesamtpaket, das speziell für kommunale Anwender konzipiert wurde. mehr...

Das Bild zeigt das Veranstaltungslogo. Zu lesen ist: Kommune21 im Fokus: Die Tagung für direkte, digitale und los-basierte Demokratie.

Würzburg: Tagung für direkte Demokratie

[11.11.2024] Ende November dreht sich in Würzburg alles um neue Wege der Bürgerbeteiligung. Auf der Tagung „Kommune im Fokus“ diskutieren Expertinnen und Experten, wie Städte und Gemeinden die direkte Demokratie stärken und digitale Werkzeuge besser nutzen können. mehr...

cit: Kundentag in Köln

[07.11.2024] Der Kundentag des Unternehmens cit bot Einblicke in Produktinnovationen von cit intelliForm, Vorträge zu Beispielen aus der Praxis sowie Möglichkeiten zum Netzwerken und Austausch. mehr...

KommDIGITALE 2024: Sternberg bietet umfassendes Sitzungsmanagementsystem

[06.11.2024] Auf der KommDIGITALE 2024 stellt das Unternehmen Sternberg das Sitzungsmanagementsystem SD.NET vor. Die Software deckt den gesamten Ablauf einer Sitzung ab und kann um Apps und Zusatzmodule erweitert werden, um eine flexible Nutzung für Verwaltung und Gremien zu ermöglichen. mehr...

KommDIGITALE 2024: Mit Governikus sicher siegeln und signieren

[04.11.2024] Das Unternehmen Governikus präsentiert auf der KommDIGITALE seine Lösungen zum elektronischen Rechtsverkehr (ERV), für den Datenaustausch zwischen Behörden, zur Beweiswerterhaltung von Dokumenten sowie für das elektronische Signieren und Siegeln. mehr...

Infotag E-Government und Digitalisierung: Kommunale Best-Practice-Beispiele

[31.10.2024] Wie gehen andere Kommunen die Digitalisierung an und welche Erfahrungen haben sie mit den eingesetzten Lösungen gemacht? Das zeigen die Praxisvorträge kommunaler Referentinnen und Referenten beim Infotag E-Government Mitte November in Hannover auf. mehr...

Momentaufnahme der Smart Country Convention zeigt die in Blautönen beleuchtete Messehalle und Besucher, die zwischen den Messeständen auf- und abgehen.

Smart Country Convention 2024: Neue Rekordbeteiligung

[21.10.2024] Mehr als 18.000 Teilnehmer, 400 Partner und 650 Referenten haben die Smart Country Convention 2024 mitgestaltet. Das ist eine neue Rekordbeteiligung. Die nächste SCCON wird vom 30. September bis 2. Oktober 2025 stattfinden. mehr...

bericht

Liechtenstein: Mit Pragmatismus und Agilität

[14.10.2024] Liechtenstein hat auf dem Weg zum Smart Country bereits eine beeindruckende Entwicklung zurückgelegt. Das ist nicht zuletzt vielen mutigen Entscheidungen und einer gehörigen Portion Pragmatismus geschuldet. mehr...