FachverfahrenDie Digitalisierung stockt
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) weckt bei Wirtschaft und Bürgern große Hoffnungen. „Bund und Länder sind verpflichtet … ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten.“ So verkündet es vollmundig gleich der erste Paragraf des Gesetzes. Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nur auf bereits vorhandene Verwaltungsleistungen. Sie geht dagegen nicht so weit, dass sinnvolle Verwaltungsleistungen neu geschaffen werden müssten.
Wer die aktuelle Anschrift eines Schuldners sucht, der im Bundesland Brandenburg wohnt, wird den Unterschied rasch begreifen. Praktisch wäre es für ihn, über ein zentrales Portal zu recherchieren, das alle Einwohner Brandenburgs nachweist. Den dafür notwendigen Datenbestand gibt es sogar, nämlich in Form des Landesmelderegisters. Allerdings ist ein Zugriff darauf ausdrücklich nur für Behörden möglich. Privatpersonen, auch Gläubigern, bleibt lediglich, sich an die rund 200 Meldebehörden des Landes zu wenden. Wohlgemerkt, an jede einzelne von ihnen. Manche Meldebehörden, etwa die Stadt Potsdam, bieten zumindest für ihr eigenes Melderegister eine Online-Melderegisterauskunft an. Die meisten tun dies aber nicht. Das OZG bietet dem vermutlich zunehmend verzweifelnden Gläubiger in dieser Situation lediglich einen dürftigen Trost. Alle Meldebehörden müssen künftig den Weg eröffnen, Anträge auf Melderegisterauskunft in elektronischer Form zu stellen. Dass die Auskünfte dann auch elektronisch erteilt werden müssten, ordnet das Gesetz jedoch nicht an. Briefpost von der Meldebehörde als Antwort reicht also auch künftig aus.
Nichtssagende Auskünfte und langwierige Prozeduren
Beim bedingten Sperrvermerk gab es seit der vergangenen RISER-Konferenz zum Meldewesen vor drei Jahren zumindest einen teilweisen Fortschritt. Um ihn einordnen zu können, sei noch einmal vor Augen geführt, was ein bedingter Sperrvermerk bewirkt. Er verhindert insbesondere, dass eine einfache Melderegisterauskunft elektronisch erteilt werden kann. Anstelle einer Antwort auf seinen Antrag erhält der Antragsteller eine neutrale, sprich: nichtssagende Auskunft. Sie lässt völlig offen, ob der Einwohner nicht gefunden wurde oder ob sich vor einer etwaigen Auskunft erst noch ein individuelles Prüfungsverfahren anschließt. Dieses beginnt mit einer Anhörung des Betroffenen auf dem Postweg. Erst danach entscheidet die Meldebehörde, ob sie die Auskunft erteilt. Die gesamte Prozedur zieht sich dabei regelmäßig über vier bis sechs Wochen hin. Eingetragen wird der bedingte Sperrvermerk von Amts wegen – also ohne Antrag der betroffenen Person – für Einwohner in bestimmten Einrichtungen. Zwar wurden die Justizvollzugsanstalten zum April dieses Jahres aus der Liste der Einrichtungen herausgenommen, bei denen bedingte Sperrvermerke einzutragen sind. Für Bewohner und Bewohnerinnen von Pflegeheimen ist er allerdings erhalten geblieben. Je älter die Bevölkerung im Durchschnitt wird, desto größer wird diese Personengruppe. Ihr gesundheitlicher Zustand ist oft ausgesprochen schwierig. Ein Anhörungsschreiben der Meldebehörde können die Betroffenen persönlich so gut wie nie beantworten. Es kommt in der Praxis zudem allenfalls in exotischen Einzelfällen vor, dass der Bewohner eines Pflegeheims etwas vorzutragen wüsste, das einer einfachen Melderegisterauskunft entgegenstehen könnte. Dennoch beharrt der Gesetzgeber bisher darauf, dass für diese Menschen ein bedingter Sperrvermerk einzutragen ist.
„Gut gemeint“ bedeutet nicht immer „gut gemacht“
Dass „gut gemeint“ nicht immer „gut gemacht“ bedeutet, könnte sich rasch bei der Auskunftssperre wegen Gefährdung zeigen. Bislang legen die Gerichte bei den Voraussetzungen für eine solche Sperre strenge Maßstäbe an. Ihr völlig zutreffendes Argument: Eine Häufung von Auskunftssperren gefährdet tendenziell die Funktionsfähigkeit der Melderegister. Gerade diese strikte Rechtsprechung war für den Gesetzgeber Anlass, die Maßstäbe für die Eintragung einer Auskunftssperre zu senken. Künftig soll ausdrücklich berücksichtigt werden, ob der Antragsteller einem Personenkreis angehört, der „allgemein in einem verstärkten Maß Anfeindungen ausgesetzt ist“. Das zielt vor allem auf die Gruppe der Kommunalpolitiker. Der Gesetzgeber sieht mit Sorge, dass sie zum Teil übelsten Drohungen ausgesetzt sind. Selbst tätliche Übergriffe kommen immer wieder vor. Kommunalpolitikerinnen und -politiker sollen künftig deutlich leichter als bisher eine Auskunftssperre wegen Gefährdung erhalten können.
Sie werden in der neuen Regelung allerdings nicht ausdrücklich als die Personengruppe genannt, um die es geht. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine Auskunftssperre wegen Gefährdung allgemein aufgeweicht. Zu fürchten ist, dass sich bald alle möglichen Personengruppen bedroht fühlen. Zudem erscheint es nicht realistisch, dass eine Auskunftssperre gerade einen Kommunalpolitiker effektiv schützen könnte. Wirklich helfen würde stattdessen eine konsequente Strafverfolgung im Einzelfall. Sie lässt sich nicht durch eine Auskunftssperre wegen Gefährdung ersetzen.
Problematische Entwicklungen im Meldewesen, die der Diskussion bedürfen, gibt es also genug. Nicht vergessen sollte man darüber, welche Leistungen die Meldebehörden jeden Tag für die Allgemeinheit erbringen. Zahlreiche elektronische Auskünfte an Sicherheitsbehörden haben schon oft zu Ermittlungserfolgen beigetragen. Und automatische Datenübermittlungen an weitere Behörden ersparen den Bürgerinnen und Bürgern viel Schriftverkehr. Diese Erfolge gilt es zu sichern und auszubauen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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