InterviewDie Lücke schließen
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Stephan Hauber
(Bildquelle: HSH Soft- und Hardware Vertriebs GmbH)
Herr Hauber, Deutschland gehört beim Thema Digitale Verwaltung nicht gerade zu den Spitzenreitern. Woran liegt das aus Sicht eines Software-Anbieters?
Die Situation ist zwar unbefriedigend, aber machmal sehen wir die Sache düsterer als sie ist. Denn bei der Verwaltungsdigitalisierung wurde schon viel erreicht. Allerdings gibt es Defizite bei digitalen Services für die Bürgerinnen und Bürger. Eine wesentliche Ursache dafür ist, dass zu wenig darüber nachgedacht wird, wie eine moderne Verwaltung aussehen müsste. Die derzeitigen Verwaltungsstrukturen sind ja 50 Jahre oder noch älter und nicht unbedingt darauf ausgelegt, effizienter gemacht zu werden. Man kann zwar die Prozesse digitalisieren, wenn aber eine saubere Struktur dahinter stünde, wäre vieles einfacher. Ein weiteres Problem sind die rechtlichen Vorschriften. Sowohl im Bereich der Identitäten, als auch beim Datenschutz und der Schriftformerfordernis ist das Recht nicht auf dem Stand, wie wir es als Fachverfahrenshersteller benötigen würden. Dadurch werden wir daran gehindert, gute Online-Lösungen zu bauen.
Das ändert sich nun durch das Onlinezugangsgesetz (OZG), oder?
Das ist zu hoffen, aber schon beim Start der Umsetzung gab es ein Missverständnis. Man hat sich zu sehr auf Online-Services konzentriert und nicht darauf geachtet, was im Backoffice geschieht. Das hat sich erst geändert, als der neue Bundes-CIO Markus Richter sein Amt angetreten hat.
Gemäß OZG sollen bis zum Ende des Jahres 2022 die Verwaltungsleistungen von Bund und
Ländern online verfügbar sein. Wie bewerten Sie das Gesetz?
Im Grunde ist es doch so: Für die Digitalisierung braucht es kein Gesetz. Das Grundproblem beim OZG ist, dass keine Leitplanken gesetzt wurden, an denen entlang man Lösungen entwickelt. Stattdessen wurden Lösungen und Leistungen vorgeschrieben. Es muss Servicekonten und Portale geben, das sind Technologien, die bald nicht mehr zum Neuesten gehören. Bei der Bestimmung der OZG-Leistungen ging es nicht darum, welche sinnvoll, häufig oder überhaupt möglich sind. Viele der Leistungen im OZG-Katalog sind für den Bürger eher sekundär. Als Initialzündung war das OZG vielleicht hilfreich, aber das Gesetz wird nicht zu dem führen, was angestrebt war, nämlich eine durchgängige Digitalisierung der Verwaltung.
Werden hier nicht Lösungen entwickelt, die schon existieren?
Das ist leider längst Realität. Jeder halbwegs kompetente Fachverfahrenshersteller hat natürlich Online-Dienste für seine Programme gebaut. Wir kommen unter anderem aus dem Bereich Gewerbewesen und es gibt etliche Anbieter entsprechender Verfahren. Trotzdem wurde für viel Geld der Auftrag erteilt, diese nochmals zu entwickeln. Viel besser wäre es gewesen, Standards zu setzen, statt alles neu zu machen. Hinzu kommt, dass viele Kommunen verunsichert sind, ob vorhandene Lösungen beschafft werden dürfen, wenn doch bald die Einer-für-Alle-Lösung kommt.
„Im Grunde ist es doch so: Für die Digitalisierung braucht es kein Gesetz.“
Sind diese Lösungen aus Ihrer Sicht überhaupt tragfähig?
Dazu ein Beispiel aus dem Meldewesen. Wenn etwas in behördlichen Registern geändert wird, dann brauchen wir das höchste Vertrauensniveau. Das kann über Servicekonten nicht erreicht werden, sondern nur über die Online-Funktion des Personalausweises oder alternative Authentifizierungsmethoden. Ich bin überzeugt, dass wir neben dem Ausweis eine staatlich verbürgte digitale Identität brauchen. Darüber denkt aber niemand nach. Ich wundere mich im Übrigen auch, dass es keinerlei Diskussion darüber gibt, wie sicher solche Online-Lösungen sein müssen. Wir bauen seit 20 Jahren Online-Lösungen, das ist aus unserer Sicht das A und O.
Wie ist Ihre Einschätzung, wird der OZG-Zeitplan eingehalten?
Die Frage kann man nur mit Nein beantworten. Es ist noch so viel zu tun, dass es in dem Zeitraum kaum zu schaffen ist. Wenn am Ende 150 hochprofessionelle Lösungen zur Verfügung stehen, wäre das ein Riesenerfolg.
HSH bietet mehrere kommunale Fachverfahren an. Wie kann eine Verbindung zwischen Fachverfahren und Online-Lösung hergestellt werden?
Es ist klar: Die Fachverfahren und die Online-Lösungen im Front End müssen verschmelzen. Das heißt, die Daten aus dem Online-Angebot sollten automatisiert eingehen und verarbeitet werden können. Als Fachverfahrensanbieter wollen wir deshalb verschiedene Eingänge auch aus Formularen der Einer-für-Alle-Lösungen zulassen. Dazu haben wir den OZG-Adapter als Verbindungsstück zwischen Online-Lösung und Fachverfahren entwickelt.
Wie funktioniert der OZG-Adapter, ist das einfach eine Schnittstelle?
Als Basistechnologie braucht es für jeden Vorgang eine XÖV-nahe Beschreibung, wie die Daten ankommen müssen. Mit dem OZG-Adapter wird es dann möglich, die Daten aus den Online-Lösungen in den Fachverfahren automatisiert zu verarbeiten. Der OZG-Adapter ist aber keine reine Schnittstelle. Ein Beispiel: Ist ein Bürger, der einen Online-Service nutzt, nicht eindeutig identifizierbar, muss man den Kontakt zu ihm aufnehmen können. Es ist also ein Rückkanal nötig, der auch standardisiert sein muss. Das geht über eine Schnittstelle weit hinaus.
Welche OZG-Leistungen können mit dem Adapter angebunden werden?
Neben den Bereichen, die wir mit unseren Lösungen abdecken, kommen Verfahren aus der VOIS-Community hinzu. Wir können also eine große Anzahl von OZG-relevanten Verfahren mit dem Adapter anbinden. Außerdem werden wir den OZG-Adapter im Netz veröffentlichen, sodass auch andere Marktteilnehmer darauf zugreifen können.
Mit VOIS bieten Sie eine Entwicklungsplattform an, auf der andere Software-Hersteller Fachverfahren entwickeln können, die dann standardisiert zur Verfügung stehen. Welche Philosophie steckt dahinter?
VOIS ist eine Art Baukastensystem, das sowohl eine softwareseitige als auch organisatorische Plattform bereitstellt, um verschiedene Fachverfahren zu integrieren – vom Einwohnermeldewesen über das Gewerbe- und Erlaubniswesen bis hin zum Führerscheinwesen und mehr. Der Grundgedanke war, dass viele Funktionen in den Fachverfahren gleich sind. Diese muss nicht jeder selbst entwickeln. Ziel ist nicht nur, dass die Benutzeroberflächen der Fachverfahren gleich aussehen und dieselben Methoden verwendet werden, etwa um zu drucken. Die Verfahren sollen auch miteinander kommunizieren können. Damit leisten wir substanzielle Vorarbeiten für das Once-Only-Prinzip und die Umsetzung des Registermodernisierungsgesetzes.
Zielen Sie auf die schon vor Jahren diskutierte und erhoffte kommunale Gesamtlösung?
Es geht schon in diese Richtung. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es gelingt, alle kommunalen Fachverfahren unter einem Dach zu vereinen. Im Moment würde ich eine Gesamtlösung eher für visionär halten.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe April 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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