No-GovernmentDie Perspektive wechseln
No-Government im Wortsinn, also „keine Verwaltung, keine Regierung“, würde aufgrund zahlloser individueller Abstimmungsprozesse Chaos und Ineffizienz und im Ergebnis Ungerechtigkeit bedeuten. Das ist allen ernsthaften Befürwortern dieses Prinzips klar. No-Government meint daher vielmehr: Nichts regeln, was nicht geregelt werden muss. Konkret bedeutet das insbesondere, dass neue Regelungen und Verfahren, die im praktischen Einsatz keine nachvollziehbare Verbesserung gegenüber dem Ausgangszustand bewirken, überflüssig sind. Im Hinblick auf das beabsichtigte Ziel ist es ineffizient, sie überhaupt zu erarbeiten.
Besonders bei überregionalen Regelungen und Verfahren, die vielfältige Interessengruppen unter einen Hut bringen müssen und deren Festlegung sich häufig über einen langen Zeitraum hinzieht, droht die Gefahr, Ziel und Zweck aus den Augen zu verlieren oder durch notwendige Kompromisse zu verfehlen. Ebenso sind auf kommunaler Ebene allerdings auch Beispiele von Überregulierung zu beobachten, die mehr Aufwand für die Adressaten und die Verwaltung verursachen, in der Sache aber nur wenig Wirkung entfalten.
Regulierung nicht um ihrer selbst willen
Ein Wechsel zur Perspektive der Bürger und Unternehmen ist also notwendig. Niemand hat ein Interesse an Regulierung und Verfahren um ihrer selbst willen. Sie werden hingenommen, wenn ihr Ziel akzeptiert wird und mit diesen Mitteln eine Verbesserung erreicht werden kann. Eine gute Verwaltung zeichnet sich also gerade dadurch aus, dass sie nicht für alles detailliierte Regelungen und Verfahren hat, wenn dies einen unverhältnismäßig hohen Aufwand für die Betroffenen oder wenig praktischen Nutzen zur Folge hat.
Die Konsequenz muss zunächst eine realistische, gesamtgesellschaftliche Aufwand-Nutzen-Analyse für geplante wie bestehende Regelungen und Verfahren sein, die auch die Nicht-Regelung und aufwandsarme Lösungen einbezieht. Ein Beispiel für die Anwendung des No-Government-Prinzips ist das 2. Mittelstandsentlastungsgesetz, mit dem aufwendige Auskunftspflichten aufgehoben oder reduziert wurden. Ein solches Vorgehen schmälert weder die Bedeutung noch das Ansehen der Verwaltung: Weniger oder schlankere Verfahren erleichtern es ihr, die verbleibenden Tätigkeiten sorgfältig, zeitnah und serviceorientiert auszuführen. Akzeptierte Regelungen und Verfahren werden bereitwilliger befolgt und eine effektive Verwaltung erfährt eine deutlich höhere gesellschaftliche Wertschätzung.
Konzepte für eine effektive Verwaltung
Im Umfeld von No-Government gibt es eine ganze Reihe von Konzepten für eine effektive, effiziente und nutzerorientierte Verwaltung, die ebenfalls mit pointierten englischsprachigen Begriffen bezeichnet werden. „One in, one out“ oder – ambitionierter – „one in, two out“ zielt im Wesentlichen darauf ab, den Gesamtaufwand für Bürger und Unternehmen nicht steigen zu lassen: Neue Regelungen und Verfahren dürfen nur dann eingeführt werden, wenn dafür andere wegfallen. Um für ein solches, plakatives Vorgehen allerdings genug sinnvollen Spielraum zu haben, ist eine ressort- und ebenenübergreifende Betrachtung für große, repräsentative Bevölkerungs- und Unternehmensgruppen erforderlich. Daher kommt auch diesem Konzept in der Realität eher die Rolle eines Prinzips zu: Insbesondere bei der Einführung neuer Regelungen und Verfahren ist zu prüfen, ob sie bestehende entbehrlich machen. Ist dies der Fall, ist allerdings auch eine konsequente Umsetzung erforderlich.
Lean Government bezeichnet hingegen den Anspruch, den verwaltungsinternen Aufwand zu reduzieren, indem moderne Arbeits- und Organisationsformen unter Nutzung von Digitalisierung und Automatisierung eingesetzt werden. Daraus ergeben sich auch positive Effekte für Bürger und Unternehmen, wenn dadurch zum Beispiel Abläufe beschleunigt werden.
Unter Servicegesichtspunkten spielen der One-Stop-Shop und der No-Stop-Shop eine zentrale Rolle. Beim One-Stop-Shop gibt es zumindest für Lebens- und Unternehmenslagen, aber besser noch für alle Verwaltungsanliegen einen einzigen Ansprechpartner oder ein gemeinsames Online-Portal. Der Ansprechpartner ist für die etwaige Weiterleitung an Fachmitarbeiter zuständig. Für ein Online-Portal, das als One-Stop-Shop organisiert ist, müssen nicht alle unterstützten Anliegen unter derselben fachlichen Hoheit stehen. Sie müssen jedoch alle über das Portal leicht auffindbar sein, sich dem Benutzer in einheitlicher Weise präsentieren und das Navigieren zwischen den Anliegen muss problemlos möglich sein. Beim No-Stop-Shop wird die Verwaltung initiativ tätig und stößt zwangsläufige oder in einer bekannten Lebenslage übliche Verfahren an. Zu denken ist hier etwa an Kindergeld, Einschulung oder Altersrente. Fehlende Angaben oder Unterlagen werden dabei durch die Verwaltung angefordert.
Single-Sign-on und Once-only
Bei der Online-Interaktion mit der Verwaltung sind zwei weitere Konzepte wesentlich: Single-Sign-on und Once-only. Das Single-Sign-on ermöglicht die einmalige, übergreifende Identifizierung und Authentifizierung gegenüber der gesamten Verwaltung. Sie gilt dann für alle Anliegen der aktuellen Sitzung, unabhängig davon, wer für ein Anliegen zuständig ist. Das erfordert zumindest ein gemeinsames Verständnis aller zusammenarbeitenden Stellen bezüglich des Sicherheitsniveaus der eingesetzten Authentifizierungsmethoden sowie interoperable Authentifizierungssysteme oder ein einheitliches System. Once-only bezieht sich auf die lediglich einmalige Erfassung von Daten und Dokumenten, die – unter Wahrung des Datenschutzes – anschließend für beliebige Verwaltungsverfahren verfügbar sind oder individuell freigegeben werden können. Once-only bietet zudem die Basis für weitergehende Aufwandsreduzierungen, indem beispielsweise die Korrektheit von Daten nur von einer Behörde geprüft und das Ergebnis den Daten als Beglaubigung beigefügt wird. Single-Sign-on und Once-only stehen in engem Zusammenhang mit den aktuell diskutierten Servicekonten für Bürger und Unternehmen.
Digital-by-Default wiederum ist ein übergeordnetes, nicht-technisches Organisationsprinzip, das die elektronische Bereitstellung von Verwaltungsdienstleistungen in den Vordergrund stellt. Das bedeutet nicht, dass andere Formen nicht mehr angeboten werden, sondern dass es stets eine möglichst vollständige elektronische Form gibt, die Bürger und Unternehmen weitgehend von der Benutzung anderer Formen entlastet.
Diese keiner Verwaltungssystematik folgende Auswahl zeigt, dass es viele ernst zu nehmende Prinzipien und Konzepte für eine wirkungsvolle, serviceorientierte Verwaltung gibt – darunter solche, die auf den ersten Blick unrealistisch erscheinen. Auch No-Government will die Verwaltung nicht abschaffen, sondern den Fokus auf neue Perspektiven lenken. Diese Herausforderung ist es wert, angenommen zu werden.
Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Kommune21 im Gespräch: Mammutprojekt RegMo
[08.01.2025] Im jüngsten Webinar aus der Reihe Kommune21 im Gespräch diskutierten Jasmin Deling, Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie NRW, sowie Hartje Bruns von Governikus die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Registermodernisierung. mehr...
Lübeck: Faxgeräte abgeschaltet
[08.01.2025] Die Hansestadt Lübeck hat zum Jahresende 2024 die analogen Faxgeräte abgeschaltet. Feuerwehr und der Bereich Wahlen bleiben weiterhin über Fax erreichbar. mehr...
Ko-Pionier-Preis: Verwaltungslösungen besser nachnutzen
[07.01.2025] Der neue Ko-Pionier-Preis würdigt Verwaltungen, die bewährte Lösungen erfolgreich übernehmen. Die Initiative Re:Form will damit Nachnutzung fördern und Verwaltungsabläufe effizienter gestalten. Die Preisvergabe erfolgt im März 2025 in Berlin. mehr...
In eigener Sache: Wir machen Winterpause
[23.12.2024] Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, erholsame Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr. Aktuelle Meldungen gibt es hier wieder ab dem 6. Januar 2025. mehr...
Berlin: Bezirksrathaus mit Indoor-Navi
[13.12.2024] Im Rathaus in Berlin-Reinickendorf erleichtert eine barrierefreie Indoor-Navigation die Orientierung. Die App everGuide vom Fraunhofer FOKUS ermöglicht Besucherinnen und Besuchern – ob blind oder sehend – eine präzise Navigation zu Räumen, Aufzügen und Ausgängen. mehr...
Regensburg: Bei der Digitalisierung weit vorne
[12.12.2024] Regensburg bietet inzwischen 327 digitale Verwaltungsleistungen an und erreicht Platz 2 im bayerischen Digitalranking. Bei den Bürgerinnen und Bürgern kommen die Services gut an, wie die Nutzerzahlen zeigen. mehr...
Magdeburg: Kitas präsentieren sich neu im Netz
[09.12.2024] Magdeburger Eltern, die ihre Kinder bei einer kommunalen Kita anmelden möchten, finden die benötigten Informationen nun gebündelt und übersichtlich auf einer neu eingerichteten Website. mehr...
Halle (Saale): Gesundheitsamt wird digital
[06.12.2024] Das Modellprojekt Digitales Gesundheitsamt in Halle (Saale) wurde erfolgreich abgeschlossen. Ziel war es, den Fachbereich Gesundheit der Stadt mit digitalen Lösungen nutzerfreundlicher und effizienter zu gestalten. Die Einführung neuer Systeme legt zudem ein Fundament für künftige Innovationen. mehr...
Potsdam: Onlinedienst für Fundsachen
[03.12.2024] Verlorene oder gefundene Gegenstände können in Potsdam jetzt auch online gemeldet werden. Der neue Service erleichtert das Verfahren sowohl für Finderinnen und Finder als auch für Suchende. mehr...
Augsburg: Digitaler Stadtplan zur Barrierefreiheit
[26.11.2024] Mit dem digitalen Stadtplan Augsburg barrierefrei hat die bayerische Kommune ein neues Projekt gestartet, das Menschen mit Behinderung detaillierte Informationen zur Barrierefreiheit von Orten und Gebäuden bietet. Alle Angaben wurden durch Begehungen vor Ort überprüft und digital erfasst. mehr...
Leipzig: Baumaßnahmen-Dashboard ist online
[26.11.2024] Die Stadt Leipzig hat ein Online-Dashboard zur Schul- und Kitabaustrategie veröffentlicht. Es bietet aktuelle Einblicke in laufende und geplante Baumaßnahmen im Bildungsbereich, übersichtlich dargestellt auf einer Stadtkarte mit detaillierten Informationen zu jedem Projekt. mehr...
Nürnberg: E-Government-Beauftragte der Stadt ausgezeichnet
[19.11.2024] Nürnbergs E-Government-Beauftragte, Eugenia Strasser, ist mit dem WIN-Award der Vogel IT-Akademie ausgezeichnet worden. Sie belegt somit den zweiten Platz als Woman of the Year 2024. mehr...
Köln: Bürgerfreundliche Bescheide ausgezeichnet
[18.11.2024] Das Public Service Lab hat die Stadt Köln für ihr Projekt Formularwerkstätten mit dem Preis für gute Verwaltung 2024 ausgezeichnet. Das Kölner Innovationsbüro hilft Fachämtern dabei, Formulare verständlicher zu gestalten und so den Zugang zu staatlichen Angeboten zu verbessern. mehr...
Bitkom: Neuer Geschäftsbereich „Public Sector“
[15.11.2024] Der Digitalverband Bitkom strukturiert sich neu: Die Geschäftsbereiche „Public Sector“ und „Digitale Gesellschaft“ werden eigenständige Kompetenzbereiche. Themen wie Künstliche Intelligenz und Digitale Souveränität rücken stärker in den Fokus. mehr...
Immobilienmanagement: Stadt Eisenach setzt Maßstäbe
[11.11.2024] Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen verpflichtet Kommunen zum sicheren Betrieb ihrer Immobilien. Die Stadt Eisenach hat durch Digitalisierung und Prozessoptimierung die Verwaltung ihrer Immobilien neu strukturiert. Dabei setzte die Kommune auf externe Unterstützung und internen Kompetenzaufbau. mehr...