Mittwoch, 8. Januar 2025

TechnologieDie Stadt als Graph

[15.08.2017] In einer Smart City generieren Sensoren und Zähler eine Unmenge an Daten. Sie fließen in Servern zusammen, wo sie ausgewertet werden. Herkömmliche Datenbanken reichen dafür längst nicht mehr aus. Es gibt jedoch eine Alternative: die Graphtechnologie.
Graphstruktur ähnelt ÖPNV-Netzplänen.

Graphstruktur ähnelt ÖPNV-Netzplänen.

(Bildquelle: Neo Technology)

Bereits heute leben knapp vier Milliarden Menschen in urbanen Ballungsgebieten, spätestens im Jahr 2050 werden es mehr als sechs Milliarden sein. Die Herausforderungen, die auf Städteplaner, Architekten und Behörden zurollen, sind enorm. Wie schafft man es, Klimawandel, Wohnungsknappheit, Energieversorgung und Bevölkerungswachstum zu bewältigen und eine hohe Lebensqualität für die Bürger sicherzustellen? Eine Lösung sehen viele in der Digitalisierung des urbanen Raums. Smart Cities versprechen niedrigen Energieverbrauch, weniger Schadstoffemissionen, mehr Komfort, Sicherheit und Mobilität. Ob effiziente Müllentsorgung dank GPS-Sender oder die Messung von Luftverschmutzung über die intelligente Fahrradfelge – die Idee einer vernetzten Stadt ist keine Zukunftsmusik. Auf dem Reißbrett entworfene Modellstädte wie Songdo New City (Südkorea) und Masdar City (Abu Dhabi) optimieren in Zusammenarbeit mit globalen IT-Konzernen die Abfallentsorgung und die Energieeffizienz von Gebäuden.

Die Vernetzung ist die Herausforderung

In Deutschland wird in unterschiedlichen Pilotprojekten getestet, wie sich bestehende städtische Infrastrukturen ausbauen und digitalisieren lassen. Während München im EU-Projekt Smarter Together einen ganzen Stadtteil energetisch saniert und mit Mobilitätsstationen für Mieträder und Carsharing ausstattet, investiert Hamburg in mit Sensoren versehene Parkplätze sowie eine Straßenbeleuchtung für das Hafengelände, die je nach Bedarf ausreichend Licht spendet.
So unterschiedlich die Smart-City-Projekte auch sind, die größte Herausforderung liegt in der Vernetzung der Daten. Sensoren und Zähler generieren im Sekundentakt neue Daten: Sie messen Emissionswerte und Verkehrsaufkommen, erhalten Werte von Smartphones und vernetzten Fahrzeugen und zählen jedes Kilogramm Abfall, jeden Liter Wasser und jede Kilowattstunde Strom. Diese unfassbare Menge an Informationen fließt aus unterschiedlichen Quellen in Datenbanken zusammen, wo sie ausgewertet werden müssen.

Wirklichkeitsgetreu Daten einfach darstellen

In Industrie und Wirtschaft kennt man diese Herausforderung unter den Schlagwörtern Big Data und Internet of Things. Egal ob Smart Factory oder Onlineshop – das Management und die Analyse der Datenflut hat sich dort zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor gewandelt. Herkömmliche IT-Systeme und Datenbanken reichen dafür längst nicht mehr aus. Stattdessen setzen Branchenschwergewichte wie Google oder Amazon auf eine neue Technologie von Datenbanken – die Graphtechnologie.
In einem Graphen lassen sich Daten sowie die Beziehungen zwischen einzelnen Datenpunkten wirklichkeitsgetreu abbilden. Die Struktur eines Graphen versteht jeder, der einmal auf einem Stück Papier seinen Familienstammbaum gezeichnet hat: Personen werden dabei als Kreise (Knoten) dargestellt, die über Linien (Kanten) miteinander verbunden sind. Jeder Kreis kann mit einem Namen, jede Linie mit einem Verwandtschaftsgrad versehen werden. Dieses einfache Modell lässt sich auf unterschiedlichste Datensätze übertragen: Kunde kauft Produkt, Felge A passt auf Autotyp B, Lebensmittel C enthält Zutat D oder Bürger X ist Wahlkreis Y zugeteilt.

Übersichtlich komplexe Beziehungen aufbereiten

Auf diese Art lassen sich komplexe Daten übersichtlich darstellen. Der große Vorteil von Graphdaten­banken ist die extrem hohe Geschwindigkeit. War es in herkömmlichen Systemen noch nötig, Tabelle um Tabelle zu durchsuchen, springt man bei einer graphbasierten Suchanfrage von einem beliebigen Ausgangspunkt aus entlang der Verbindungen innerhalb weniger Millisekunden zum gesuchten Datensatz. Zudem erfassen Graphdatenbanken neben singulären Daten auch die Beziehungen zwischen den Daten. So lassen sich Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen Systemen, Gebäuden, Orten und Personen gezielt abfragen. Die städtische Infrastruktur findet sich damit realitätsnah in der Graphstruktur wieder. Es entsteht eine Art digitaler Stadtplan, der die komplexen digitalen Beziehungen im urbanen Raum nachzeichnet.

Ampel sendet Verkehrsinformationen

Die Vorteile der Graphstruktur lassen sich am Beispiel öffentlicher Verkehrsmittel verdeutlichen. Dabei reicht ein Blick auf den Netzplan von Bus, Tram oder U-Bahn, um die Parallelen klar zu machen. Abgebildet werden so genannte Knoten (Hauptbahnhof/Ampelanlage X) sowie die Verbindungen zwischen ihnen (Linie 1/Signalleitung). Von einem beliebigen Knoten aus kann man den Verbindungen folgen und das komplette Umfeld einsehen und überwachen. Tritt beispielsweise in einem System eine Störung auf, folgt man dem entsprechenden Knoten (Ampelanlage X) und gelangt über die Verbindung zur Fehlerquelle (Sensor Y).
Auf dieser Grundlage lassen sich Warnsysteme entwickeln, die automatisch und in Echtzeit die Operationszentrale über Störungen informieren. Idealerweise sendet so jede Ampelanlage bei einem Unfall die Informationen direkt an ein übergeordnetes Verkehrsleitsystem, das wiederum mit den Bord-Computern in Autos verknüpft ist. Die schnelle Fehler- und Ursachenanalyse ermöglicht es, auch in Notfällen die Grundversorgung sicherzustellen, etwa bei Wasser- oder Stromnetzen.

Eine smarte City benötigt eine smarte Verwaltung

Die Einsatzgebiete der Graphtechnologie sind vielfältig. Großes Potenzial verspricht der kommunale Bereich, denn eine smarte City benötigt auch eine smarte öffentliche Verwaltung. Getrennte Datensilos lassen sich besser verknüpfen, sodass Verfahren und Anträge von Bürgern schneller bearbeitet werden können. Dank des ganzheitlichen Blicks auf die Daten können Referate beispielsweise Muster und Trends in der Demografie erkennen und Angebote im Gesundheits- und Bildungsbereich entsprechend anpassen – von Stadtviertel zu Stadtviertel.
Klar ist: Die Digitalisierung schafft eine Unmenge an Daten. Richtig ausgewertet und vernetzt eröffnen sich neue Wege und Lösungen für Stadtentwicklungskonzepte. Graphtechnologie schafft hier die technologische Voraussetzung, um im Datendschungel von Smart Cities den Überblick zu behalten.

Dirk Möller ist Area Director of Sales CEMEA bei Neo Technology.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Smart City
Würfelkalender, der den 31. März anzeigt.

Modellprojekte Smart Cities: Laufzeitverlängerung bis 2028

[16.12.2024] Da der ursprünglich angesetzte Förderzeitraum zu knapp bemessen war, wurde den Kommunen der dritten Staffel der Modellprojekte Smart Cities eine kostenneutrale Verlängerung bis Ende März 2028 angeboten. Hildesheim will davon Gebrauch machen. Der Zeitplan aber ist eng. mehr...

Aalen: InKoMo 4.0 abgeschlossen

[16.12.2024] Das Aalener Projekt InKoMo 4.0, welches mittels Sensorik verfügbare Parkplätze erkennt und diese Informationen in Echtzeit an dynamische LED-Tafeln sowie das städtische Geodatenportal übermittelt, fand jetzt seinen Abschluss. Das Konzept lässt sich auf andere Kommunen übertragen. mehr...

Osnabrück: Schule digitalisiert Energieverbrauch

[13.12.2024] Das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Osnabrück hat jetzt im Rahmen eines Smart-City-Pilotprojekts seinen Energieverbrauch digitalisiert. mehr...

Weihnachtsmarkt m Rathaushof von Limbach-Oberfrohna

Limbach-Oberfrohna: Sensoren zählen Weihnachtswichtel

[12.12.2024] Ein erster Use Case im Rahmen der Smart-City-Kooperation zwischen der Stadt Limbach-Oberfrohna und dem Unternehmen GISA dient der temporären Personenstrommessung. Im Pilotprojekt Wichtelcounter wurde die Anwendung jetzt getestet. mehr...

Zwei Frauen stehen in einer Boutique und unterhalten sich.

Bamberg: Fußgängerströme im Blick

[11.12.2024] In der Bamberger Innenstadt soll eine neue Passantenfrequenzmessung erstmals umfassende Fußgängerströme erfassen. Die anonymen Daten sollen Maßnahmen bewerten und Verwaltung wie auch Gewerbetreibenden wichtige Einblicke liefern. mehr...

Screenshot Smart City Dashboard der Stadt Augsburg

Augsburg: Echtzeitdaten zur Verkehrssituation

[10.12.2024] Über ein Smart City Dashboard verfügt jetzt die Stadt Augsburg. Dieses bietet zum Start unter anderem Echtzeitdaten zur Auslastung von Parkhäusern, zum Wetter und zum Innenstadt-Adventskalender. mehr...

Stadträtin und Digitalisierungsdezernentin Isabelle Hemsley steht mit Mitgliedern des städtischen Lenkungskreises Smart City im Hanauer Kulturforum und blättert in einer Broschüre.

Stadtwandel.digital: Smart City auf die Hanauer Art

[06.12.2024] Mit dem Smart-City-Leitbild Stadtwandel.digital will Hanau die Digitalisierung gezielt vorantreiben. Es umfasst sechs Handlungsfelder und listet 13 bereits vorhandene Leuchtturmprojekte auf. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die Zukunft ihrer Stadt aktiv mitgestalten können. mehr...

v.l.: Albrecht Pförtner, Christina Junkerkalefeld und Carsten Schlepphorst stehen bei einer Passantenzählstelle an einem Pfosten in der Gütersloher Innenstadt, im Hintergrund ist das Schaufenster eines Geschäfts zu sehen.

Gütersloh: Datenschutzkonforme Passantenzählstellen

[06.12.2024] In der Gütersloher Innenstadt messen ab sofort zwölf Zählstationen kontinuierlich und datenschutzkonform die Besucherströme. Die anonymen Daten sollen insbesondere die Stadtplanung, Wirtschaftsförderung und Veranstaltungsplanung unterstützen. mehr...

Elbphilharmonie spiegelt sich in einer Glaskugel mit dem Wort Hamburg

Hamburg: International herausragend

[05.12.2024] Die Start-up-Förderung und die Verwaltungsdigitalisierung in Hamburg sind international herausragend. In beiden Kategorien erhielt Hamburg die von der International Chamber of Commerce (ICC) vergebenen „Startup Ecosystem Stars Awards“.
 mehr...

BBSR_Studie_Smart_City_Praxis_Titelbild

Studie: Smart Cities in der Praxis

[04.12.2024] 30 Praxisbeispiele aus Smart Cities und Smart Regions stellt eine neue BBSR-Veröffentlichung vor. Die Steckbriefe beantworten zentrale Fragen zum Projekt, nennen die Herausforderungen, welche die Kommune mit der Maßnahme bewältigen möchte und zeigen den Mehrwert der Lösung auf mehr...

v.l.: Ulrich Ahle, Christine Wegner, Daniel Sieveke und Uwe Gockel halten gemeinsam eine Urkunde.

Etteln: Smarter als Hongkong

[26.11.2024] Dass auch kleinste Gemeinden im Digitalisierungswettbewerb mit Weltmetropolen mithalten können, hat Etteln bewiesen. Bei einem internationalen Smart-City-Wettbewerb belegte der Ortsteil einer nordrhein-westfälischen Gemeinde den ersten Platz, Hongkong wurde Zweiter. Ehrenamtliche Helfer, Vereine und Organisationen haben diesen Erfolg ermöglicht. mehr...

Wiesbaden_zwei Frauen auf Solarbank

Wiesbaden: Smarte Sitzbänke

[26.11.2024] Nachhaltige Energie trifft auf smarte Stadtmöbel: In Wiesbaden wurden jetzt auf dem Dern’schen Gelände zwei Solarbänke errichtet. Diese gehen auf die Idee der Jugendkonferenz zurück. mehr...

Ein Straufahrzeug, von hinten zu sehen, fährt auf einer Straße, daneben eine schneebedeckte Landschaft.

Germering: Smarter Winterdienst

[22.11.2024] Mit IoT-Sensoren und einem neuen Softwaremodul hat sich die Stadt Germering für den kommenden Winterdienst gerüstet. Die Lösung unterstützt bei der Routenplanung und Einteilung der Einsatzkräfte. Auch liefert sie Echtzeitdaten über den Straßenzustand und den Füllstand in den Salzsilos der Einsatzfahrzeuge. mehr...

Virtuelles Abbild eines Stadtzentrums, ein Baum ist im Vordergrund des Bildes zu sehen.
bericht

Kreis Hof: Stadtplanung erleben

[21.11.2024] Im Rahmen seines Modellprojekts Smart City erprobt der Landkreis Hof auch den Einsatz von Virtual-Reality-Anwendungen. Entwickelt wird unter anderem eine VR-Simulation zur Stadtplanung; zudem soll virtuelle Realität im Digitalen Zwilling zum Einsatz kommen.  mehr...

Screenshot der Veranstaltungswebsite zur 18. Regionalkonferenz, der im Header das Fridericianum in Kassel zeigt.

18. Regionalkonferenz: Barrieren abbauen in der Smart City

[18.11.2024] Um digitale Angebote, die Menschen mit Behinderungen das Leben erleichtern, geht es bei der 18. Regionalkonferenz der Modellprojekte Smart Cities am 5. Dezember in Kassel. Eingeladen sind Kommunen, die sich zum Thema informieren oder Erfahrungen austauschen möchten. mehr...