Dienstag, 19. November 2024

Webinar „Kommune21 im Gespräch“Die Suche nach dem Heiligen Gral

[14.03.2023] Am 2. März 2023 diskutierten Ulrich Hellenbrand, Stadt Mainz, Lars Keller, Stadt Ludwigsburg, und Monika Schmidt von TEK Service mit Kommune21-Chefredakteur Alexander Schaeff im Rahmen des Webinars „Kommune21 im Gespräch“ über die nachhaltige Beschaffung. Grundlage dafür ist der digitale Einkauf. Stabile Kriterien für Nachhaltigkeit zu finden, gleicht hingegen der Suche nach dem Heiligen Gral.
Am 2. März 2023 drehte sich beim Webinar „Kommune21 im Gespräch“ alles um das Thema nachhaltige Beschaffung.

Am 2. März 2023 drehte sich beim Webinar „Kommune21 im Gespräch“ alles um das Thema nachhaltige Beschaffung.

v.o.: Ulrich Hellenbrand, Einkaufsleiter der Stadt Mainz; Alexander Schaeff, Kommune21-Chefredakteur; Monika Schmidt, TEK-Service; Lars Keller, Leiter Zentrale Beschaffung und Vergabe der Stadt Ludwigsburg

(Bildquelle: K21 media GmbH)

In einer weiteren Ausgabe der Webinar-Reihe „Kommune21 im Gespräch“ diskutierte Kommune21-Chefredakteur Alexander Schaeff am 2. März 2023 mit Ulrich Hellenbrand, Einkaufsleiter der Stadt Mainz, Lars Keller, Leiter Zentrale Beschaffung und Vergabe der Stadt Ludwigsburg, und Monika Schmidt von TEK-Service über das Thema nachhaltige Beschaffung. Dass die Grundlage dafür der digitale Einkauf ist, darüber waren sich die Teilnehmenden einig. Denn die dabei generierten Daten sind der Schlüssel zur Qualifizierung von Artikeln, Produkten, Katalogen oder Sortimenten. Schwieriger sei es hingegen, verlässliche Kriterien aufzustellen. Lars Keller bezeichnete dies als Suche nach dem Heiligen Gral.
Nachhaltige Beschaffung, so erläuterten die Experten zu Beginn des Webinars, zeichne sich durch drei Aspekte aus: Sozialverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit. Lars Keller verwies in diesem Zusammenhang auf das Cradle-to-Cradle-Prinzip. Dieses berücksichtigt den biologischen und technologischen Stoffkreislauf, wobei die positiven Auswirkungen auf Umwelt und menschliche Gesundheit im Vordergrund stehen. Zudem wird dabei darauf geachtet, dass die Herstellung klimafreundlich und ressourcenschonend erfolgt.
Laut Monika Schmidt setzt sich die nachhaltige Beschaffung aus zwei Schritten zusammen. Zunächst gelte es, Qualitätskriterien und entsprechende Klassifizierungen zu erarbeiten. Anschließend käme der Digitalisierung von Einkaufsprozessen die Aufgabe zu, diese Errungenschaften nachhaltig im Katalog festzuhalten.

Messbarkeit von Nachhaltigkeit: Eine unendliche Geschichte

Beim ersten Schritt bieten verschiedene Siegel wie etwa Blauer Engel, FSC oder EU-Ecolabel Orientierung. Lars Keller wies darauf hin, dass die Zertifizierung durch Siegel nur bedingt verlässlich ist. Zum einen sei die Anzahl der Siegel so groß, dass es hier gelte, die Spreu vom Weizen zu trennen. Zum anderen koste die Zertifizierung Geld. Viele lokale Betriebe wirtschafteten zwar nachhaltig, verfügten aber nicht über das nötige Kapital, um sich dies durch ein Siegel bestätigen zu lassen. Ulrich Hellenbrand ergänzte, dass es für bestimmte Produkte wie etwa Scheren gar keine Siegel gibt. Des Weiteren berücksichtige ein Siegel in der Regel immer nur einen spezifischen Aspekt. Dem pflichtete Keller bei. Das Zertifikat Blauer Engel, an dem sich die Stadt Ludwigsburg orientiere, erfasse umweltverträgliche Aspekte. Soziale Aspekte berücksichtige es hingegen nicht. Er erläuterte: „Dadurch, dass wir einen hohen Anteil an Blauer-Engel-Artikeln im Sortiment haben, sieht unsere Nachhaltigkeitsstatistik super aus, aber bei sozial habe ich einen fetten roten Balken.“
Zusätzlich erschwert wird die Suche nach verlässlichen Kriterien für Nachhaltigkeit dadurch, dass der Beschaffungsmarkt ein hochdynamisches Feld ist. Hellenbrand resümierte: „Nachhaltige Beschaffung ist ein Prozess, der nie abgeschlossen sein wird, da den Lieferanten immer etwas Neues einfällt.“

Der digitale Einkauf als Königsweg

Haben sich die einzelnen Kommunen auf Kriterien geeinigt, kann dieses Know-how auf zentralen Plattformen gebündelt werden. Monika Schmidt stellte deshalb auch in Bezug auf die Organisation des nachhaltigen Beschaffungswesens fest: „Es gibt nur einen Königsweg: den zentralen Einkauf.“
Aus der praktischen Erfahrung heraus bestätigte Ulrich Hellenbrand die Vorteile des zentralen Einkaufs. Denn die erarbeiteten Einzelkriterien ließen sich im Onlineshop hinterlegen. Hellenbrand schilderte, wie die Stadt Mainz gemeinsam mit dem Umweltamt Kriterien für einzelne Produktgruppen erstellt hatte. Die Besteller hätten sich auf diese Weise darüber informieren können, was für die Stadt nachhaltig ist. In der Praxis hätte sich dieses Vorgehen allerdings nur bedingt bewährt. „Im täglichen Leben schaut kein Mensch in den Kriterienkatalog“, sagte Hellenbrand. Der Onlineshop biete nun die Möglichkeit, die Informationen zu hinterlegen und mit eindeutigen Symbolen wie „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ zu versehen.
Dass Nachhaltigkeit und Digitalisierung des Beschaffungswesens nicht voneinander zu trennen sind, beweist auch die Stadt Ludwigsburg mit ihrem Projekt Digitales Warenhaus (DIWA). Hierzu erläuterte Keller, dass die elektronische Beschaffung nicht nur als Instrument der Effizienz und Standardisierung, sondern auch als Steuerungsinstrument dient. Denn mit der Aufnahme ins DIWA-Sortiment könne die Kommune garantieren, dass das Produkt gemäß der Dienstanweisung zur nachhaltigen Beschaffung ausgeschrieben worden sei und dem entspreche, was der Markt an Nachhaltigkeit zu bieten hat.

Tipps für andere Kommunen

Am Ende des Webinars erteilten die Expertinnen und Experten anderen Kommunen Ratschläge, wie die Umsetzung der nachhaltigen Beschaffung gelingt. Hierbei plädierten Keller und Hellenbrand dafür, proaktiv vorzugehen. Ihr Ratschlag lautete: „Einfach anfangen.“ Bei diesem Anfang, so Hellenbrand, bieten sich vor allem Sortimente an, die bereits gut durchdrungen sind. Dies sei etwa bei Büromaterial und Papier der Fall. In diesem Bereich lägen aufgrund der gemeinsamen Bemühungen von Industrie und Handel bereits Siegel und Standards vor. Des Weiteren sei es wichtig, die Belegschaft davon zu überzeugen, dass ihnen mit der zentralen digitalen Beschaffung vor allem Arbeit abgenommen wird. Dadurch gewännen sie Freiräume für ihre eigene Arbeit.
Obgleich Keller und Hellenbrand davon berichteten, dass sie beide mit der Organisation des nachhaltigen Einkaufs zunächst ohne das Wissen der oberen Stellen begonnen haben, appellierte Keller an die Politik. Von ihr brauche es ein Bekenntnis dazu, dass sie nachhaltig agieren wolle. Den Erfolg der Stadt Ludwigsburg führt Keller darauf zurück, dass vonseiten der Politik das Signal kam, das Thema nachhaltig angehen und weiterführen zu wollen.
Das Schlusswort kam Monika Schmidt zu, die erneut ein Plädoyer für den digitalen Einkauf hielt: „Beim nachhaltigen Einkauf kommt man um den elektronischen Einkauf nicht herum. Hier kann man Nachhaltigkeit am einzelnen Artikel kennzeichnen. Einen separaten Parallelweg halten wir nicht für zielführend.“





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