Montag, 18. November 2024

BerlinDie Verwaltung und ihr Double

[30.06.2023] Das Berliner Innovationslabor CityLAB feiert vierjähriges Bestehen und startet ein partizipatives Projekt in einem umgebauten Schiffscontainer. Das Kiezlabor ist als offener Ort konzipiert, der als Zukunftswerkstatt, Workshop, Bühne, interaktive Ausstellung und für Netzwerktreffen dient mit dem Ziel, Bürgernähe zu erreichen.
Kiezlabor in Berlin: Offener Ort im Schiffscontainer.

Kiezlabor in Berlin: Offener Ort im Schiffscontainer.

(Bildquelle: Merschmann)

Zwischen Verwaltung und Bürgern herrscht oft große Distanz, die auch heimelige Pflanzenbegrünung in den Foyers von Bürgerämtern nicht überwinden kann. Die Hemmschwelle am Einlass bleibt bestehen. Mit dem „Kiezlabor“, einem umgebauten Schiffscontainer, soll in Berlin ein offener Ort für die Begegnung von Bürgerschaft und Verwaltung im öffentlichen Raum entstehen. Das so genannte „Tiny House für die digitale Transformation“ besteht aus einem Standard-Schiffscontainer, der zu einem Meeting-Space im Coworking-Look umgebaut wurde.
Auf dem Dach befinden sich Solarmodule für die energieautarke Stromversorgung für rund 18 Betriebsstunden. Die großen Fensterflügel an der Containerseite lassen sich weit und einladend öffnen. Drinnen sind die Stahlwände spanholzverkleidet und bieten Stauraum für Büro- und Medientechnik samt Mikrofonen, Soundanlage, drei Bildschirmen für Präsentationen sowie mehreren Tablets. Möbelmodule lassen sich zu Sitzgelegenheiten, Tischen und Ablagen aufbauen. Leuchtend rote Sonnensegel sorgen für Beschattung und selbst eine kleine Küchenzeile findet auf den 14 Quadratmetern Grundfläche Platz.

Digitale Transformation vorantreiben

Am Donnerstag dieser Woche (29. Juni 2023) ist das Kiezlabor, ein Projekt des Berliner Innovationslabors CityLAB, im Rahmen des jährlichen Sommerfestes gestartet. Das Labor will die Stadt- und Zivilgesellschaft mit der lokalen Verwaltung vernetzen und digitale Transformationsprozesse vorantreiben. Es sollen dabei Stadtvisionen diskutiert und Partizipationsprozesse erfahrbar gemacht werden. „Die Idee zum Kiezlabor kam aus vielen verschiedenen Richtungen, unter anderem aus dem Berliner Abgeordnetenhaus“, sagt Benjamin Seibel, Leiter des CityLAB. „Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass wir unsere Angebote in die lokalen Kieze hineintragen sollen. In den letzten zwei Jahren fand in Berlin ein Strategieprozess mit dem Titel Gemeinsam Digital: Berlin statt, wo immer wieder die Idee eines mobilen Begegnungsraums auftauchte. Wir wurden gefragt, könnt ihr nicht mobiler werden, um die weniger digital affinen Menschen zu erreichen?“ So entstand die Idee zum Kiezlabor und wurde innerhalb von sechs Monaten realisiert.
Richtig mobil ist das Kiezlabor allerdings nicht. Der Container wiegt mit Vollausstattung sechs Tonnen und kann nur mit Lastenkran und Sattelschlepper zu seinem Einsatzort verfrachtet werden. Deswegen soll er jeweils mindestens eine Woche an einem Ort verbleiben und dort Raum bieten zum Diskutieren, Experimentieren, für Beteiligungsprojekte und digitale Netzwerktreffen. Während der Testphase zog das Ausbildungsbürgeramt von Friedrichshain-Kreuzberg ein und bot, per VPN-Tunnel an das Verwaltungsnetz angeschlossen, reguläre Verwaltungsservices für die Besucher an – ganz ohne Terminreservierung. Im Bezirk Treptow lud die Bürgerinitiative Kungerkiez dazu ein, sich ein KI-gestütztes, virtuelles Bild von der geplanten Verlängerung der Stadtautobahn A100 zu machen und deren Auswirkungen auf den eigenen Kiez zu diskutieren. Weitere Einsatzorte mit jeweils eigenen Fragestellungen um Themenbereiche wie Klimaschutz, Mobilität und Platzverteilung sind auf dem Tempelhofer Feld, im Kreuzberger Gräfekiez und im Ostbezirk Marzahn-Hellersdorf noch für 2023 geplant.

Meinungsmobil in Köln

Auch in anderen Städten finden vergleichbare Aktivitäten statt. Schon 2019 hat das Innovationsbüro der Stadt Köln ein Gefährt für die mobile Öffentlichkeitsbeteiligung entwickelt: einen zum „Meinungsmobil“ umgebauten Fahrradanhänger. Damit sollte dem Wunsch nach mehr Mitsprache und Teilhabe entsprochen werden. Bürgerinnen und Bürger werden an verschiedenen Orten gezielt nach ihren Bedürfnissen, Erfahrungen und Ideen zu städtischen Themen befragt und in die Lösungen eingebunden. Ebenfalls in einem Frachtcontainer fand von Anfang April bis Ende Mai 2022 ein „PopUp Labor für Partizipation“ auf dem Kölner Ebertplatz statt, in dem erforscht wurde, wie mobile und temporäre Begegnungsstätten gestaltet werden müssen, um Menschen für Beteiligungsprozesse zu begeistern.

Tiny Rathaus in Kiel

In Kiel ist im Mai 2022 das erste deutsche Tiny Rathaus an den Start gegangen, die Mini-Version einer Bürgermeisterei. Es besteht aus einem umgebauten Autoanhänger mit stilisierten Rathaustürmen und stand wochenlang als Double vor dem richtigen Kieler Rathaus. „Im öffentlichen Bild gibt es keine Fehler- und Experimentierkultur in der Verwaltung“, sagt die Initiatorin Sophie Mirpourian, „wir müssen aber nur zuhören und wagen, Neues auszuprobieren.“ So wurde das Kieler Tiny Rathaus nicht nur zum partizipativen Begegnungsort, sondern auch zur volksnahen Amtsstube. Eine Zeit lang konnten dort Anträge auf Reduzierung von Kita-Gebühren für einkommensschwache Familie gestellt werden und wurden gleich vor Ort bearbeitet. Erfahrungsgemäß sind solche Anträge den Berechtigten oftmals zu kompliziert – hier erfuhren sie niedrigschwellige Unterstützung.
Die Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins sieht sich mit dem Projekt Tiny Rathaus als Teil einer internationalen Bewegung, die Stadtverwaltung neu zu denken. Auf der Projekt-Website heißt es: „Das Tiny Rathaus denkt neu, was ein Rathaus kann“. Vielleicht ist dieser Ansatz allein schon deshalb notwendig, um nach außen zu kommunizieren, dass die Verwaltung ihr größtes Problem – die Distanz zu den Bürgern – längst erkannt hat und zusammen mit den Bürgern nach Lösungen sucht.

Helmut Merschmann


Stichwörter: Panorama, Berlin, Kiezlabor


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Panorama
Illustration: Symbolbild für den Public Sector. Mehrere klein dargstellte Menschen arbeiten zwischen einem überdimensionalen Laptop, Tablet und anderen Gegenständen.

Bitkom: Neuer Geschäftsbereich „Public Sector“

[15.11.2024] Der Digitalverband Bitkom strukturiert sich neu: Die Geschäftsbereiche „Public Sector“ und „Digitale Gesellschaft“ werden eigenständige Kompetenzbereiche. Themen wie Künstliche Intelligenz und Digitale Souveränität rücken stärker in den Fokus. mehr...

Historishcer Marktbrunnen der Stadt Eisenach, im Hintergrund das moderne Gebäude der Stadtverwaltung.
bericht

Immobilienmanagement: Stadt Eisenach setzt Maßstäbe

[11.11.2024] Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen verpflichtet Kommunen zum sicheren Betrieb ihrer Immobilien. Die Stadt Eisenach hat durch Digitalisierung und Prozessoptimierung die Verwaltung ihrer Immobilien neu strukturiert. Dabei setzte die Kommune auf externe Unterstützung und internen Kompetenzaufbau. mehr...

Frau in blauem Pulli mit Handy in der Hand vor orangenem, darüber die Aufschrift: "Mach's jetzt online". Hintergrund

Brandenburg: Werbekampagne für Onlinedienste

[08.11.2024] Eine Werbekampagne soll Brandenburgerinnen und Brandenburger auf die bereits verfügbaren digitalen Verwaltungsdienste aufmerksam machen. Das Land stellt für Kommunen Printmaterialien und Downloads bereit, mit denen Bürgerinnen und Bürger ohne großen Aufwand über verfügbare Online-Dienste informiert werden können. mehr...

Rathaus Stadt Wiesbaden

Wiesbaden: Vernetzt zur digitalen Transformation

[05.11.2024] Die Stadt Wiesbaden ist dem Netzwerk NExT beigetreten, um durch Austausch mit über 2.000 Fachleuten innovative Ansätze für eine bürgerorientierte Verwaltung zu entwickeln und Best Practices anderer Städte zu nutzen. mehr...

Zweistöckiges Gebäude aus rotem Backstein mit Dachgauben, davor ein Parkplatz mit wenigen Autos und spärlicher Bepflanzung.

Brake: Gewerbesteuerbescheid wird digital

[29.10.2024] Die Stadt Brake (Unterweser) ist die erste Kommune Niedersachsens, die Gewerbesteuerbescheide digital über ELSTER versendet. Das Pilotprojekt von Axians Infoma und KDO zeigt, wie medienbruchfreie Verwaltungsprozesse die Verwaltung, aber auch die Steuerpflichtigen selbst entlasten können. mehr...

Aktuelle Temperaturverteilung in Frankfurt (Tag und Nacht)

Frankfurt am Main: Erweiterung für die Urbane Datenplattform

[28.10.2024] Die Stadt Frankfurt am Main hat ihre Urbane Datenplattform weiterentwickelt, diese ermöglicht jetzt auch den Zugang zu Echtzeitdaten über die Lufttemperatur. Die Plattform setzt auf die Smart-City-Lösung von ekom21, um Umwelt- und Klimadaten öffentlich zugänglich zu machen und um sich besser für anstehende Klimaveränderungen zu rüsten. mehr...

Illustration, Strickzeichnung schwarz auf weißem Grund mit vereinzelten farbigen Akzenten: Darstellung von Menschen, die sich vernetzen

NExT-Studie: Networking als Ressource

[28.10.2024] Netzwerken kann bei der Verwaltungstransformation ein echter Motor für Veränderungen sein. Empirisch erforscht ist dieser Effekt bisher noch nicht. Das will eine Studie des netzwerks NExT jetzt ändern. Für eine Online-Umfrage werden noch Mitwirkende gesucht. mehr...

Ansicht eines typisch westfälischen Fachwerkhauses von der Giebelseite, im Vordergrund Rasen.

Nordrhein-Westfalen: Ausflugsziele mit der App entdecken

[25.10.2024] Die App entdecke.nrw fördert den Regionaltourismus in Nordrhein-Westfalen und bietet Informationen zu über 500 Ausflugszielen. Nutzer können Orte wie Museen und Naturschutzgebiete entdecken, unterstützt durch eine praktische Umgebungssuche und einen integrierten Routenplaner. mehr...

Roundtable gezeichnet
bericht

Digitalisierung: Chancen nutzen, Herausforderungen meistern

[24.10.2024] Kommunen stehen zunehmend unter Druck, ihre Dienstleistungen digital anzubieten. Und es gibt durchaus ungenutzte Potenziale, die Bund, Länder und Kommunen erheblich entlasten könnten. mehr...

Ein Straßenschild mit dem Zusatz "Hochwasser" steht vor einer Wasserfläche im Abendlicht.

Nordrhein-Westfalen: Starkregenschutz aus der Hosentasche

[24.10.2024] In Nordrhein-Westfalen wurde eine App entwickelt, die Bürgern helfen soll, den Überflutungsschutz ihrer Häuser zu überprüfen und sich über Schutzmaßnahmen ihrer Kommune zu informieren. Die FloodCheck-App, bisher nur in ausgewählten Städten verfügbar, wird nun landesweit ausgerollt. mehr...

Bundes-CIO Markus Richter mit Mikro in der Hand auf einem Podium.

BMI: GovTalk 2024

[23.10.2024] Beim GovTalk 2024, organisiert vom BMI, diskutierten Expertinnen und Experten aus Bund, Ländern und Kommunen über zentrale Themen der Verwaltungsdigitalisierung. Anlass der Veranstaltung war die Vorstellung des eGovernment MONITOR 2024. Im Fokus standen digitale Identitäten und die Herausforderungen der föderalen Strukturen. mehr...

Cover der Studie des Fraunhofer IAO über Kita-Apps

Kita-Apps: Von der Zettelwirtschaft zur digitalen Kommunikation

[21.10.2024] Wie können Kita-Apps die Kommunikation zwischen Eltern und Kita verbessern? Eine Studie des Fraunhofer-Instituts IAO beleuchtet die Vorteile – von der Effizienzsteigerung über datenbasierte Entscheidungen bis hin zur erhöhten Resilienz in Krisenzeiten. Zudem liefert die Studie ein Vorgehensmodell für die Auswahl und Einführung von Kita-Apps. mehr...

OWL-IT: Mail-Signaturen automatisch verwalten

[21.10.2024] Seit Oktober ist OWL-IT neuer Cloud Solution Provider der Deutschen Verwaltungscloud. Nun stellte der Zweckverband seine Lösung Kritzel vor, die eine automatisierte und zentralisierte Verwaltung von E-Mail-Signaturen für Behörden und öffentliche Einrichtungen ermöglicht. Dadurch wird die Einhaltung von Compliance-Vorgaben erleichtert und die Effizienz der IT-Prozesse verbessert. mehr...

Auftakt zur Kampagne „Hamburg – digital für dich“

Hamburg: Kampagne „Digital für dich“ gestartet


[15.10.2024] Unter dem Motto „Digital für dich“ hat die Freie und Hansestadt Hamburg eine Marketingkampagne gestartet, um auf ihre digitalen Services aufmerksam zu machen. mehr...

ZenDiS: Launch von openDesk

[14.10.2024] Im Rahmen der Smart Country Convention (15. bis 17. Oktober 2024, Berlin) wird das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) die Version 1.0 der Lösung openDesk vorstellen. Diese ermöglicht neue Formen des kollaborativen Arbeitens und stärkt die Digitale Souveränität. 
 mehr...