InterviewDigital First
Herr Dr. Resch, vor fast einem Jahr haben Sie die Vitako-Geschäftsführung übernommen. Wie ist Ihre erste Bilanz?
Zunächst möchte ich betonen, dass ich einen sehr gut aufgestellten Verband mit extrem motivierten und fachkundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgefunden habe. Das war sehr erfreulich. Eine erste Bilanz würde lauten, dass das Thema Digitalisierung in Deutschland leider noch nicht den Durchbruch geschafft hat. Während die Binnenmodernisierung der öffentlichen Verwaltung sehr weit fortgeschritten ist, fehlt es an digitalen Angeboten für die Bürger und Unternehmen.
Welche Erfahrungen bringen Sie von Ihren bisherigen Tätigkeiten ein?
Bei einer meiner vorherigen Tätigkeiten, nämlich beim ADAC, hatte ich die Aufgabe, bei der Politik um Verständnis für die Anliegen des Verbands zu werben. Diese Form der politischen Kommunikation in einem Verband mache ich gut und gerne. Ich war zudem lange Jahre in kommunalen Betrieben tätig und bevor ich zu Vitako gewechselt bin, war ich bei einem IT-Systemhersteller für Verkehrsbetriebe. Hier habe ich die Seite der IT-Industrie kennengelernt. Ich denke, all diese Erfahrungen kann ich bei Vitako ganz erfolgreich einbringen.
Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Die Kommunen müssen ihre Aufgaben, die sie ja nur mithilfe der IT erledigen können, in der eigenen Hand behalten oder zumindest definitiv steuern können. In dem Sinne bin ich ein klarer Kommunaler. Die IT der öffentlichen Verwaltung und die Daten der Bürger sollten da bleiben und verwaltet werden, wo sie gut aufgehoben sind. Das ist bei unseren Vitako-Mitgliedern der Fall.
„Wir benötigen eine zunehmende Professionalisierung im Bereich der kommunalen IT.“
Wo sehen Sie die wesentlichen Herausforderungen für die kommunale IT?
Wir benötigen eine zunehmende Professionalisierung im Bereich der kommunalen IT. In vielen kleinen Kommunen wird die IT noch selbst betrieben. Hier stellt sich die Frage, ob das in Zukunft noch sinnvoll ist, ob die Ressourcen, etwa um die IT-Sicherheit zu gewährleisten, noch vorhanden sind. Viele Kommunen sollten darüber nachdenken, diese Aufgaben professionell durch einen IT-Dienstleister erledigen zu lassen.
Der Bund will für den Durchbruch beim E-Government sorgen. Wie kommentieren Sie das „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen“?
Die Kommunen bieten den Bürgern ja schon viele Dienstleistungen online an. Das Gesetz ist zunächst ein Ansporn für uns: Wir wollen schneller sein, als das Gesetz es fordert. So soll das Servicekonto für die Bürger schon im kommenden Jahr funktionieren.
Wie können die kommunalen Portale aus Vitako-Sicht am besten in den Portalverbund integriert werden?
Das ist eine Herkulesaufgabe. Es reicht ja nicht aus, Portale zugänglich zu machen. Die Bürger und die Wirtschaft müssen konkrete Anwendungen nutzen können. Daran arbeiten wir, etwa um das Servicekonto mit Anwendungen zu verknüpfen. Wir sollten so weit kommen, dass beispielsweise bei der Geburt eines Kindes das Eltern- und Kindergeld automatisch beantragt wird. Das geht nur, wenn die beteiligten Behörden die Daten austauschen können. Damit der Portalverbund funktioniert, ist also Interoperabilität von zentraler Bedeutung.
Was kann Vitako dazu beitragen, damit interoperable Lösungen entstehen?
Wir können die bereits vorhandenen Lösungen vernetzen. Es gibt beispielsweise schon ein interoperables Servicekonto zwischen Nordrhein-Westfalen und Bayern. Diese Zusammenarbeit wollen wir möglichst bundesweit ausweiten. Wir erwarten auch, dass wir stärker als in der Vergangenheit in die Entscheidungen über Standardisierungen eingebunden werden. Der Sach- und Fachverstand der kommunalen Ebene ist momentan in den Organisationen, die sich darum kümmern, stark unterrepräsentiert.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit der kommunalen Ebene mit dem IT-Planungsrat?
Der IT-Planungsrat ist kein Gremium, das direkt mit den Kommunen arbeiten kann, solange der Bund die Aufgaben den Ländern zuschiebt und sagt, sie seien für die Kommunen zuständig. Hier muss ein neuer Weg des Dialogs gefunden werden. Wenn es um Inhalte und konkrete Architekturen geht, wäre es sinnvoll, die Kommunen und ihre IT-Dienstleister zu konsultieren.
Wie kann das geschehen?
Mitunter hilft eine einfache Einladung zu den Sitzungen. Denn: Am Ende muss alles auf der kommunalen Ebene umgesetzt werden. Vielleicht brauchen wir einen kommunalen Chief Digital Officer, der in diesen Gremien vertreten ist.
Kurz vor der Bundestagswahl hat sich Vitako mit digitalpolitischen Forderungen an die Parteien gewandt. Was sind die wesentlichen Inhalte?
Zunächst einmal haben wir uns gefreut, dass unser Motto „Digital First“ offenkundig in der Politik angekommen ist. Denn eine zentrale Forderung von uns ist der Vorrang für die digitale Verwaltung. Die elektronische Bearbeitung von Behördenangelegenheiten muss der Regelfall werden. Das Schriftformerfordernis und die Pflicht zum persönlichen Erscheinen im Amt sollten abgeschafft werden. Denn mit dem neuen Personalausweis haben wir ein eindeutiges Identifikationsmerkmal für digitale Angelegenheiten. Wir treten zudem dafür ein, dass Behörden die ihnen schon vorliegenden Daten mit anderen austauschen können – natürlich mit Zustimmung der Bürger.
Welche Rolle spielt dabei die Registermodernisierung?
Eine Registermodernisierung kann die Sache erleichtern. Allerdings führt das Gutachten des Normenkontrollrats aus unserer Sicht nicht auf den richtigen Pfad. Vitako hat sich gutachterlichen Rat geholt, mit dem Ergebnis, dass wir keine neuen Organisationen brauchen, um die Register zu modernisieren. Es wäre sinnvoller, die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden besser zu organisieren, als ein großes Projekt zur Registermodernisierung aufzulegen.
Was erwarten die kommunalen IT-Dienstleister von der neuen Bundesregierung?
Was wir nicht brauchen, sind neue Milliardenprojekte, bei denen sich hinterher herausstellt, dass der Ansatz viel zu breit gewählt war. Wir freuen uns, wenn in den Bereichen Kinder- und Elterngeld oder Gewerbeanmeldung die Voraussetzungen für eine durchgängige Digitalisierung geschaffen werden. Und der IT-Planungsrat sollte ergebnisorientierter und schneller arbeiten können, insbesondere die Schaffung von Standards müsste beschleunigt werden. Bei E-Government-Projekten ist es so, dass es viele digitale Leuchttürme gibt, die allerdings nur so lange leuchten, wie die Projektfördermittel reichen. Hier sollten Möglichkeiten für Experimente geschaffen werden, damit eine flächendeckende und nicht nur punktuelle Verbreitung der Digitalisierung erreicht wird.
Dieser Beitrag ist in der Dezember-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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