Sonntag, 22. Dezember 2024

Smart CityDigitale Daseinsvorsorge

[19.08.2021] Der Wandel hin zur Smart City stellt die Städte vor neue Aufgaben. Kommunale Unternehmen wie etwa Stadtwerke sind die idealen Partner und logischen Erbringer der digitalen Daseinsvorsorge. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen stimmen.
Stadtwerke sind auf dem Weg zur Smart City die idealen Partner.

Stadtwerke sind auf dem Weg zur Smart City die idealen Partner.

(Bildquelle: zapp2photo/adobe.stock.com)

Beim Tag der Digitalen Daseinsvorsorge der Stadtwerke München und des Bayerischen Städtetags haben vor Kurzem über 100 Teilnehmende aus Rathäusern, kommunalen Gesellschaften und Wissenschaft ein Thesenpapier zum Stand und zur Zukunft kommunaler Plattformen und Dienstleistungen erarbeitet. Das Papier stellt heraus, dass Städte und Gemeinden zusammen mit ihren Stadtwerken für ihre Bürgerinnen und Bürger den allgemeinen und diskriminierungsfreien Zugang zu grundlegenden Gütern und Leistungen sichern. Kommunale Marktplätze sind seit jeher eine grundlegende Infrastruktur und Teil der Daseinsvorsorge. Das Gleiche muss für digitale Marktplätze, Plattformen, für lokale Angebote und insbesondere für Leistungen der Kommune gelten. Eine kommunale digitale Plattform darf nicht den globalen Tech-Konzernen überlassen werden.
Stadtwerke mit ihrer Stärke der lokalen Integration von Dienstleis­tungen sind dabei die idealen Partner für die Kommunen. Sie erbringen Leistungen schnell und bürgerfreundlich, sie gewährleisten Datensicherheit, Verlässlichkeit und Fairness und wahren demokratische Grundsätze. Digitale Technologien können kommunale Dienstleistungen bürgerfreundlicher und effizienter gestalten. Im Hintergrund werden Infrastrukturen digitalisiert und Städte wandeln sich zu Smart Cities. Das ist digitale Daseinsvorsorge.
Daten sind die Basis für neue Geschäftsfelder, in denen öffentliche Unternehmen meist mit privaten Unternehmen im Wettbewerb stehen. Die aktuelle Strategie der Bundesregierung sieht vor, die innovative und verantwortungsvolle Datenbereitstellung und -nutzung in Deutschland signifikant zu erhöhen, damit neue, zukunftsgerichtete Geschäftsmodelle und Rollenprofile entstehen sowie Wachstum aus neuen Arten der Wertschöpfung generiert werden kann.

Kommunale Unternehmen leisten digitale Daseinsvorsorge

Große Plattformunternehmen generieren und nutzen Daten, um Dienste und Inhalte auf Nutzerkreise zu optimieren und ihre Geschäftsmodelle darauf aufzubauen. Kommunale Unternehmen hingegen sind auf das Gemeinwohl ausgerichtet und demokratisch kon­trolliert. Somit sind sie die logischen Erbringer der digitalen Daseinsvorsorge. Die kommenden Jahre werden entscheiden, ob kommunale Unternehmen die direkten Beziehungen zu den Bürgern halten können oder sie an private Global Player verlieren. Das wäre problematisch, da Europa bei den Plattformen den Anschluss an die globale Entwicklung verloren hat. Zudem gibt es für Kommunalunternehmen hohe Innovationshemmnisse vor allem bei der digitalen Daseinsvorsorge durch Vergaberecht, Kommunalrecht (eingeschränkte Skalierungsfähigkeit neuer Geschäftsmodelle) oder die PSI-Richtlinie über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors. Diese manifestieren sich gegenüber privaten Unternehmen zunehmend als Wettbewerbsnachteile.
Kommunale Unternehmen im Energie- und Verkehrsbereich sind Vorreiter im Klima- und Umweltschutz. Sie verbessern jedes Jahr ihre ökologische Bilanz. Sie inves­tieren in digitale Transformation und Innovation, um kundenorientierte, zukunftsfähige, flexible sowie preisgünstige Services und Produkte anzubieten und zu verbessern. Daten zu erheben stellt für sie keinen Selbstzweck dar – dies gewährleistet vielmehr die Qualität von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, deren Weiterentwicklung und den Ausbau des Angebots für die Bürger. Sollten globale Platt­form­unternehmen hier die Kundenschnittstellen übernehmen, würden kommunale Unternehmen aus margenträchtigen Geschäftsfeldern verdrängt werden. Viele der heutigen Leistungen wären dann nicht mehr finanzierbar, sie entfielen oder würden deutlich teurer. Ein Beispiel: Wachsende Ballungsräume müssen weiterhin kostengünstige und emissionsarme Mobilität gewährleisten. Ein nachhaltiger Verkehr im Sinne der Daseinsvorsorge ­bedeutet, auch unwirtschaftliche Gebiete mit öffent­lichem Nah­verkehr zu erschließen und sich nicht die Rosinen herauszupicken – private Anbieter könnten auf Basis von Streckenauslastungsdaten beispielsweise ausschließlich wirtschaftlich besonders rentable Strecken bedienen.

Gut, aber nicht gut genug aufgestellt

Kommunale Unternehmen sind für die mit der Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen gut, aber noch nicht gut genug aufgestellt. Sie können die digitale Daseinsvorsorge aus eigener Kraft erbringen, müssen aber besser vor unfairer privatwirtschaftlicher Konkurrenz geschützt werden. Entscheidend ist, dass die Politik ein „Level Playing Field“ von kommunalen und privaten Unternehmen sicherstellt. Sollen Kommunale im Wettbewerb gegen globale Wettbewerber erfolgreich sein, müssen sie Skalenvorteile durch interkommunale Kooperationen erzielen und föderale Strukturen schaffen, um Kompetenzen zu bündeln. Sie müssen verstärkt Kooperationen vor Ort eingehen und vor allem schnell sein. Interoperabilität und gemeinsame Standards sind anzustreben.
Zudem braucht es eine rasche europäische Anstrengung, um den Rückstand bei Software, Plattformen und Digitalunternehmen aufzuholen. Das erfordert mehr als Regulierung. Die Digitalaktivitäten kommunaler Unternehmen können zu einer europäischen Initiative beitragen. Durch den Vormarsch privater globaler Plattformen wird der Staat in originären Aufgaben unterlaufen, insbesondere bei der Sicherstellung der digitalen Identität seiner Bürgerinnen und Bürger. Das erfordert schon allein aus übergeordnetem Interesse einen gesetzlichen Schutz kommunaler und anderer staatlicher Leistungen.

Datensicherheit hat hohe Priorität

Digitalisierung macht Infrastrukturen verletzlicher, daher hat die Datensicherheit hohe Priorität. Die Hoheit über personenbezogene Daten, die bei der Erbringung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge entstehen, muss bei den einzelnen Bürgern liegen. Die Hoheit über sonstige Daten aus Daseinsvorsorge und öffentlichem Raum bei den Kommunen. Open-Data-Regulierungen dürfen kommunale Unternehmen gegenüber privaten nicht benachteiligen. Wenn Kommunale ihre Daten öffentlich machen müssen, gilt das auch für Private.
Die Bürger erwarten von kommunalen Unternehmen eine hohe Sensibilität im Umgang mit personenbezogenen Daten, sie bringen ihnen einen großen Vertrauensvorschuss entgegen. Daher müssen diese Unternehmen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auch sehr genau nehmen. Die Intentionen der DSGVO sind richtig. Dass sie in der praktischen Anwendung insbesondere für kleinere Kommunale aktuell kaum handhabbar ist, spielt den Internet-Konzernen massiv in die Hände.
Der Mehrheit der Bürger ist der Schutz personenbezogener Daten wichtig. Gleichwohl sind sie bereit, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, sofern ihnen im Gegenzug ein angemessener Nutzen entsteht. Das gestattet datengetriebene Geschäftsmodelle auf Basis personenbezogener Daten grundsätzlich auch für kommunale Unternehmen. Bei Regulierungen zu Datenschutz und Open Data sollten Deutschland und die EU eigene Maßstäbe und strenge Regeln setzen. Dabei muss die öffentliche Hand ihre Marktmacht nutzen, um Standards durchzusetzen.

Florian Bieberbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München GmbH (SWM); Bernd Buckenhofer ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Smart City
Würfelkalender, der den 31. März anzeigt.

Modellprojekte Smart Cities: Laufzeitverlängerung bis 2028

[16.12.2024] Da der ursprünglich angesetzte Förderzeitraum zu knapp bemessen war, wurde den Kommunen der dritten Staffel der Modellprojekte Smart Cities eine kostenneutrale Verlängerung bis Ende März 2028 angeboten. Hildesheim will davon Gebrauch machen. Der Zeitplan aber ist eng. mehr...

Aalen: InKoMo 4.0 abgeschlossen

[16.12.2024] Das Aalener Projekt InKoMo 4.0, welches mittels Sensorik verfügbare Parkplätze erkennt und diese Informationen in Echtzeit an dynamische LED-Tafeln sowie das städtische Geodatenportal übermittelt, fand jetzt seinen Abschluss. Das Konzept lässt sich auf andere Kommunen übertragen. mehr...

Osnabrück: Schule digitalisiert Energieverbrauch

[13.12.2024] Das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Osnabrück hat jetzt im Rahmen eines Smart-City-Pilotprojekts seinen Energieverbrauch digitalisiert. mehr...

Weihnachtsmarkt m Rathaushof von Limbach-Oberfrohna

Limbach-Oberfrohna: Sensoren zählen Weihnachtswichtel

[12.12.2024] Ein erster Use Case im Rahmen der Smart-City-Kooperation zwischen der Stadt Limbach-Oberfrohna und dem Unternehmen GISA dient der temporären Personenstrommessung. Im Pilotprojekt Wichtelcounter wurde die Anwendung jetzt getestet. mehr...

Zwei Frauen stehen in einer Boutique und unterhalten sich.

Bamberg: Fußgängerströme im Blick

[11.12.2024] In der Bamberger Innenstadt soll eine neue Passantenfrequenzmessung erstmals umfassende Fußgängerströme erfassen. Die anonymen Daten sollen Maßnahmen bewerten und Verwaltung wie auch Gewerbetreibenden wichtige Einblicke liefern. mehr...

Screenshot Smart City Dashboard der Stadt Augsburg

Augsburg: Echtzeitdaten zur Verkehrssituation

[10.12.2024] Über ein Smart City Dashboard verfügt jetzt die Stadt Augsburg. Dieses bietet zum Start unter anderem Echtzeitdaten zur Auslastung von Parkhäusern, zum Wetter und zum Innenstadt-Adventskalender. mehr...

Stadträtin und Digitalisierungsdezernentin Isabelle Hemsley steht mit Mitgliedern des städtischen Lenkungskreises Smart City im Hanauer Kulturforum und blättert in einer Broschüre.

Stadtwandel.digital: Smart City auf die Hanauer Art

[06.12.2024] Mit dem Smart-City-Leitbild Stadtwandel.digital will Hanau die Digitalisierung gezielt vorantreiben. Es umfasst sechs Handlungsfelder und listet 13 bereits vorhandene Leuchtturmprojekte auf. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die Zukunft ihrer Stadt aktiv mitgestalten können. mehr...

v.l.: Albrecht Pförtner, Christina Junkerkalefeld und Carsten Schlepphorst stehen bei einer Passantenzählstelle an einem Pfosten in der Gütersloher Innenstadt, im Hintergrund ist das Schaufenster eines Geschäfts zu sehen.

Gütersloh: Datenschutzkonforme Passantenzählstellen

[06.12.2024] In der Gütersloher Innenstadt messen ab sofort zwölf Zählstationen kontinuierlich und datenschutzkonform die Besucherströme. Die anonymen Daten sollen insbesondere die Stadtplanung, Wirtschaftsförderung und Veranstaltungsplanung unterstützen. mehr...

Elbphilharmonie spiegelt sich in einer Glaskugel mit dem Wort Hamburg

Hamburg: International herausragend

[05.12.2024] Die Start-up-Förderung und die Verwaltungsdigitalisierung in Hamburg sind international herausragend. In beiden Kategorien erhielt Hamburg die von der International Chamber of Commerce (ICC) vergebenen „Startup Ecosystem Stars Awards“.
 mehr...

BBSR_Studie_Smart_City_Praxis_Titelbild

Studie: Smart Cities in der Praxis

[04.12.2024] 30 Praxisbeispiele aus Smart Cities und Smart Regions stellt eine neue BBSR-Veröffentlichung vor. Die Steckbriefe beantworten zentrale Fragen zum Projekt, nennen die Herausforderungen, welche die Kommune mit der Maßnahme bewältigen möchte und zeigen den Mehrwert der Lösung auf mehr...

v.l.: Ulrich Ahle, Christine Wegner, Daniel Sieveke und Uwe Gockel halten gemeinsam eine Urkunde.

Etteln: Smarter als Hongkong

[26.11.2024] Dass auch kleinste Gemeinden im Digitalisierungswettbewerb mit Weltmetropolen mithalten können, hat Etteln bewiesen. Bei einem internationalen Smart-City-Wettbewerb belegte der Ortsteil einer nordrhein-westfälischen Gemeinde den ersten Platz, Hongkong wurde Zweiter. Ehrenamtliche Helfer, Vereine und Organisationen haben diesen Erfolg ermöglicht. mehr...

Wiesbaden_zwei Frauen auf Solarbank

Wiesbaden: Smarte Sitzbänke

[26.11.2024] Nachhaltige Energie trifft auf smarte Stadtmöbel: In Wiesbaden wurden jetzt auf dem Dern’schen Gelände zwei Solarbänke errichtet. Diese gehen auf die Idee der Jugendkonferenz zurück. mehr...

Ein Straufahrzeug, von hinten zu sehen, fährt auf einer Straße, daneben eine schneebedeckte Landschaft.

Germering: Smarter Winterdienst

[22.11.2024] Mit IoT-Sensoren und einem neuen Softwaremodul hat sich die Stadt Germering für den kommenden Winterdienst gerüstet. Die Lösung unterstützt bei der Routenplanung und Einteilung der Einsatzkräfte. Auch liefert sie Echtzeitdaten über den Straßenzustand und den Füllstand in den Salzsilos der Einsatzfahrzeuge. mehr...

Virtuelles Abbild eines Stadtzentrums, ein Baum ist im Vordergrund des Bildes zu sehen.
bericht

Kreis Hof: Stadtplanung erleben

[21.11.2024] Im Rahmen seines Modellprojekts Smart City erprobt der Landkreis Hof auch den Einsatz von Virtual-Reality-Anwendungen. Entwickelt wird unter anderem eine VR-Simulation zur Stadtplanung; zudem soll virtuelle Realität im Digitalen Zwilling zum Einsatz kommen.  mehr...

Screenshot der Veranstaltungswebsite zur 18. Regionalkonferenz, der im Header das Fridericianum in Kassel zeigt.

18. Regionalkonferenz: Barrieren abbauen in der Smart City

[18.11.2024] Um digitale Angebote, die Menschen mit Behinderungen das Leben erleichtern, geht es bei der 18. Regionalkonferenz der Modellprojekte Smart Cities am 5. Dezember in Kassel. Eingeladen sind Kommunen, die sich zum Thema informieren oder Erfahrungen austauschen möchten. mehr...