Donnerstag, 5. Dezember 2024

GöttingenDigitale Kommunalpolitik

[03.04.2012] Die Einführung von iPads für alle Stadträte kann unter anderem mit dem Göttinger Haushaltssicherungskonzept begründet werden, so Ulrich Holefleisch, Bürgermeister und Mitglied der Bündnis90/Die Grünen-Ratsfraktion, im Interview mit Kommune21.

Herr Bürgermeister, die Stadt Göttingen verfolgt im Bereich E-Government einen Masterplan. Wie weit ist dieser fortgeschritten?

Das Anliegen, unser E-Government auszubauen, wird insbesondere von zwei Motiven bestimmt. Zum einen von der Rationalisierung von Verwaltungsabläufen durch den systematischen IT-Einsatz, zum anderen von der Fortentwicklung der lokalen Demokratie durch vermehrte Transparenz und Bürger­beteiligung mithilfe elektronischer Medien. Aus diesem Grund hat die Stadt Göttingen in den vergangenen Jahren erhebliche Mittel in die elektronische Administration und insbesondere in den Ausbau der Bürgerinformationen auf der Website investiert. Göttingen ist die erste Stadt in Niedersachsen mit einer Informationsfreiheitssatzung, in der es heißt: „Das Prinzip der maximalen Öffentlichkeit soll Anwendung finden. Alle rechtlichen Ermessensspielräume werden ausgeschöpft, um eine frühestmögliche elektronische Veröffentlichung aller den Entscheidungsprozessen des Rates zugrunde liegenden Informationen zu ermöglichen.“ Entsprechend dieser Vorgabe überarbeitet der Rat der Stadt gegenwärtig auch seine Geschäftsordnung. Das bedeutet, dass die Bürgerschaft künftig im Vorfeld von Beratungen der Ratsgremien und im Nachhinein über das Internet papierlos, verständlich, barrierefrei und maschinell lesbar einbezogen wird.

Der Göttinger Stadtrat hat seinen Sitzungsdienst digitalisiert und komplett auf die Arbeit mit iPads umgestellt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Der Einsatz der iPads in der Ratsarbeit war die logische Folge der demokratiefördernden und rationalisierenden Entwicklung im E-Government – zumal die Einführung als Bestandteil unseres Haushaltssicherungskonzeptes auch finanziell begründet werden konnte. Einmaligen Investitionen von etwa 50.000 Euro für iPads und Infrastruktur stehen in den nächsten fünf Jahren jährliche Ersparnisse bei Druck, Porto und Papier von mindestens 25.000 Euro gegenüber. Die bisherigen Erfahrungen sind aus meiner Sicht hervorragend. Allerdings müssen sich die beteiligten Seiten – Administration, IT und Stadtrat – regelmäßig so austauschen, dass die Technik den Men­schen zu Diensten ist und nicht umgekehrt.

Wie haben sich Ihre Arbeitsabläufe verändert?

Die Einbindung eines Ratsinformationssystems ermöglicht mit den Entsprechungen in der Geschäftsordnung die Einladung zu Sitzungen per E-Mail. Die häufig mehrere hundert Seiten umfassenden Anlagen werden in der Regel zu Hause über WLAN schnell und einfach auf das iPad geladen. Das üblicherweise eingesetzte Programm GoodReader erlaubt es, leicht wieder auffindbare Notizen und Markierungen zu machen sowie daraus Kopien zu erstellen. In das interne System gelangen die Ratsmitglieder nur passwortgeschützt.

„Die Technik soll den Menschen zu Diensten sein und nicht umgekehrt.“

Waren Sie von Anfang an von der Idee begeistert, im Stadtrat papierlos zu arbeiten?

Nein. Ich arbeite schon seit Sommer 2010 mit dem iPad. Meine Erfahrung sagte aber: Für Belange von Politik und Verwaltung müssen Anpassungen erfolgen und wir alle umlernen. Angesichts der Haushaltssituation unserer Stadt und der demokratischen Chancen, welche die elektronischen Medien bieten, lag es auf der Hand, Geld zu sparen und den Umgang mit Informationen für Mandatsträger und Bürgerschaft einladender und einfacher zu machen. Das ist wichtiger als technische Begeisterung.

Welche Bedenken äußerten weniger technikbegeisterte Kollegen?

Ich habe Einführungsveranstaltungen für meine Ratskollegen angeboten und hatte mit zahlreichen Einwänden gerechnet. Es gab so gut wie keine. Aber selbstverständlich wurden und werden Ansprüche an das Informationsmanagement gestellt, denen durch Technik und Verwaltungsorganisation so gut wie möglich nachzukommen ist. Es wird nach wie vor weiter geübt und gelernt. Das macht aber nicht nur mir, sondern auch vielen anderen inzwischen erkennbar Spaß.

Welche Voraussetzungen müssen in einer Kommune gegeben sein, um ausschließlich Tablet-PCs für den Sitzungsdienst nutzen zu können?

Neben einem leistungsstarken Rechnersystem ist ein zuverlässiges WLAN in allen Sitzungsräumen notwendig. Aufgrund der guten Akkus der iPads erübrigt sich die aufwändige Installation von 220V-Steckdosen. Die Ratsmitglieder sollten zu Hause ebenfalls über ein WLAN verfügen. Die Akzeptanz bei Bürgerschaft und Ratsmitgliedern ist umso größer, je mehr Nutzen die Öffentlichkeit durch die Umstellung auf die elektronische Interaktion mithilfe einer gut gepflegten kommunalen Website erfährt.

Gibt es in Göttingen Einschränkungen bei der Nutzung der iPads?

Entgegen der ursprünglichen Absicht, alle Apps nur durch einen, nämlich den städtischen Account erwerben zu können, hat die Stadtverwaltung die iPads schließlich freigegeben, auch um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Jedes Ratsmitglied kann somit selbst entscheiden, was heruntergeladen werden soll. Die Verwaltung hat auf die dienstliche Notwendigkeit hingewiesen und das Ratsmitglied hat sich per Unterschrift zu einem sorgsamen und pfleglichen Umgang mit dem iPad verpflichtet, wobei die private Nutzung grundsätzlich nicht ausdrücklich verboten wurde. So muss die außerhalb von WLAN-Zugängen notwendige SIM-Karte privat angeschafft werden. In den nächsten fünf Jahren wird das Gerät „verbraucht“ und bei einem eventuellen Mandatswechsel in der laufenden Periode an Nachrücker weitergegeben.

Welchen Ratschlag können Sie anderen Kommunen für die Realisierung eines ähnlichen Projektes geben?

Lassen Sie die Vorteile des E-Government und der Computerisierung nicht nur der Verwaltung und dem Rat, sondern auch, öffentlich erkennbar, der Bürgerschaft zugutekommen.





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